PREDIGT KARFREITAG

Jes 52,13-53,12 + Hebr 4,14-16; 5,7-9 + Joh 18,1-19,42

Liebe Schwestern und Brüder! Liebe Kinder und Jugendliche!
Mittendrin, statt nur dabei – so könnte man das live-Projekt „die Passion“ umschreiben, das RTL am Mittwoch gewagt hat, um die Passion Christi ins Heute zu übertragen: Mittendrin, statt nur dabei. Dieser Satz vermittelte beim Zuschauer das Gefühl, eben nicht passiv im Fernsehsessel zu sitzen, sondern das Geschehen von damals mitzuerleben, hautnah dabei zu sein.
Mittendrin, statt nur dabei – so haben wir die Passion, die Leidensgeschichte von Jesus heute erlebt. Wir saßen nicht passiv und teilnahmslos auf unseren Hockern und in den Kirchenbänken – nein, wir waren Teil des Geschehens, einige von uns hatten eine Rolle, hatten was zu sagen, als Petrus, als Soldat, als Magd, als Hohepriester. Sie waren mittendrin. Einige sind hochgeschreckt, als plötzlich jemand neben ihnen zu schreien begann, oder als die lauten Rufe Kreuzige ihn aus ihrer Mitte kamen.
Mittendrin können wir besser nachspüren, was die Personen der Passion bewegt hat, wie sie fühlen, wie sie leiden, wie sie andere verurteilen. Die Figuren der Passion sind ein Teil von mir: auch in mir steckt ein Petrus. Ich möchte meinem Namen wirklich alle Ehre machen und ein Petrus sein, ein Fels möchte ich sein – Petrus bedeutet übersetzt Fels – ein Fels in der Brandung, ein Mensch auf den man sich absolut verlas-sen kann, dem man vertrauen kann, der Halt und Sicherheit bietet. Dieses Wunschbild von Petrus zerbricht in der Passion: Mutig greift er zum Schwert … und ich erlebe den dreimaligen Verrat, das Nein des Petrus hautnah. Starke und schwache Momente, mutiges Bekennen und furchtsames Schweigen und Verleugnen liegen nah beieinander. Mittendrin, statt nur dabei frage ich mich: wo habe ich vor Angst geschwiegen, wo hätte ich für Benachteiligte und Schwache eintreten müssen?
Auch in mir steckt Pontius Pilatus oder ein Hohepriester: ich habe Macht über andere Menschen, in der Familie, im Dorf/in der Stadt, in der Schule, am Arbeitsplatz – auch ich bin ein Machtmensch, ob ich will oder nicht. Ich habe die Macht, andere Menschen durch meine Worte zu verurteilen – es ist die Macht der Worte, die oft verletzender und tödlicher sein kann als meine Taten. Mittendrin, statt nur dabei wird mir bewusst, dass es an mir liegt, ob ich mit meinen Worten richte oder aufrichte. Es liegt an mir, ob ich alles tue, was in meiner Macht steht, oder ob ich mir angesichts fremden Leids und des Unfriedens in der Welt meine Hände in Unschuld wasche: es betrifft mich ja nicht, da bin ich fein raus – wirklich?!
Haben Sie auch zwei Personen vermisst? Simon von Zyrene und Veronika. Sie haben in der Johannespassion keine Stimme, ja sie kommen nicht einmal als Statisten vor – in den anderen Evangelien ist zumindest von Simon von Zyrene die Rede. Er, der ackert und rackert, damit seine Felder ausreichend Ertrag bringen, er wurde mit hineingezogen: Er hat den Kreuzesbalken nicht ganz freiwillig getragen – und trotzdem hilft er Jesus tragen, der sich blutend und am Ende seiner Kräfte zur Kreuzigung schleppt. Mittendrin, statt nur dabei sehe ich Aufgaben, in die ich hineingezogen werde. Ich frage mich: Schotte ich mich gegen das Leid anderer ab? Bin ich bereit, Menschen in Not im Rahmen meiner Möglichkeiten zu helfen?
Veronika kommt in keiner Passionserzählung vor. Menschen haben sie trotzdem bewusst in den Kreuzweg hineingemalt und ihr eine Kreuzwegstation gewidmet, weil ihnen etwas fehlte: Frauen, die mit Jesus unterwegs waren, die seine Botschaft der Liebe geteilt haben. Frauen, die gelebte Nächstenliebe, wie Jesus sie vorgelebt hat, in die Tat umsetzen. Frauen, die leider auch in der Kirche oft am Rand stehen oder ein Schattendasein führen. Der Name Veronika ist Programm. Er besteht aus dem lateinischen vera und dem griechischen eikona – vera eikona, wahres Angesicht. Durch mich und mein Tun soll die Botschaft Jesu ein menschliches Gesicht bekommen. Mittendrin, statt nur dabei, spüre ich meine Aufgabe der gelebten Caritas. Spüre ich wirklich, dass gelebte Nächstenliebe nicht nur Frauensache ist?
Wie oft im Leben bin ich einer aus dem Volk oder ein Soldat, der andere Menschen einfach fallen lässt, der ihnen nicht aufhilft und sich schadenfroh am Unglück anderer ergötzt? Wie oft stelle ich andere durch üble Nachreden bloß und lasse nichts Gutes an ihnen? Wie oft lege ich Menschen durch mein Tun aufs Kreuz? Wie oft nagle ich andere fest auf Gesagtes oder Getanes? Wie oft bin ich da mittendrin, statt nur dabei?
Maria und Johannes, zwei Menschen unter dem Kreuz. Anderen ist diese Belastung zuviel. Sie stehen abseits, in sicherem Abstand. Sie wollen Kreuz und Leid nicht zu nah an sich heranlassen. Auch Menschen heute haben Leid und Tod zu ertragen in der eigenen Familie, im Freundeskreis, im Krieg und auf der Flucht. Auch auf ihnen lastet das Kreuz. Sie kommen nicht los davon. Sie leiden mit und erleiden tief im Inneren den Verlust von geliebten Menschen oder von Lebensqualität. Es ist fast nicht auszuhalten. Mittendrin, statt nur dabei frage ich mich: Halte ich es bei nahestehenden Menschen aus, auch wenn schwere Stunden anbrechen?
Josef von Arimathäa, der Jünger, der heimlich und aus Furcht vor den Juden auf das Anbrechen des Gottesreiches wartete. Der dann doch aus der Heimlichkeit heraus in die Öffentlichkeit trat und Pilatus um den Leichnam Jesu bat. Der Jesus nicht tot am Kreuz hängen ließ, sondern ihm sein Grab überließ. Mittendrin, statt nur dabei sehe ich mich und meinen Glauben: Bin ich bereit, ihn öffentlich zu leben? Bin ich bereit, dafür auch Nachteile in Kauf zu nehmen, oder meinen Besitz zu teilen?
Mittendrin, statt nur dabei – die Passion Jesu, sein Kreuzweg, sein Tod am Kreuz und seine Grablegung haben mit mir und meinem Leben zu tun: Ich war heute mittendrin, statt nur dabei – ich konnte mich und mein Handeln hinterfragen. Ich gehe weiter auf meinem Lebensweg, der sich immer wieder mit dem Kreuzweg Jesu kreuzt – nicht nur heute: Er, Jesus Christus, ist in meinem Leben – mittendrin, statt nur dabei. AMEN.

PREDIGT GRÜNDONNERSTAG

Ex 12,1-8.11-14 + Joh 13,1-15

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Gründonnerstag ist verbunden mit der Farbe GRÜN – zumindest dem Namen nach. Viele Menschen essen heute auch grüne Speisen, Bärlauch-Suppe oder die berühmte Frankfurter Grüne Sauce. Aber der Name Gründonnerstag kommt nicht von der Farbe GRÜN, sondern vom althochdeutschen Greinen, dem Wort für Weinen. Die Traurigkeit bricht durch, auch in diesem Gottesdienst: die Orgel hat nach dem Gloria auf-gehört zu spielen und auch die Glocken sind verstummt – die anfängliche Feststimmung ist am Kippen und gibt dem Abendmahl, dem Abschieds-mahl Jesu einen melancholischen und traurigen Touch. Vielerorts wird nach der Abendmahl-Messe auch eine Ölbergandacht oder eine Ölbergwache gehalten und des Gebets Jesu am Ölberg gedacht – bange Stunden, die alles andere als in hoffnungsvolles GRÜN getaucht sind.
Und doch ist dieser Abend des Gründonnerstags auch mit Gedanken der Hoffnung verknüpft – die biblischen Schrifttexte sprechen davon: Von der Hoffnung auf Rettung aus bitteren und bedrückenden Zeiten – die Israeliten haben diese zugesagte Hoffnung erfahren nach langen Jahren in der Sklaverei in Ägypten und der Hinhaltetaktik des Pharaos. Und das ist ihre Hoffnung: Gott wird uns retten, denn er hat ihnen zugesagt: „Das vernichtende Unheil wird euch nicht treffen“ (Ex 12,13). Die Israeliten vertrauen Gott und setzen ihre ganze Hoffnung auf ihn. Sie rüsten und bereiten sich für den schnellen Aufbruch aus der Unterdrückung vor. Sie rüsten und bereiten sich für die eilige Flucht vor dem mächtigen und grausamen Pharao – ich fühle mich an die Flüchtenden aus den Kriegsgebieten und die Diktatoren unserer Tage erinnert. Die Israeliten feiern vor dem Exodus Pessach, ein Fest, weil sie auf das rettende Eingreifen Gottes hoffen. Gläubige Juden feiern dieses Hoffnungsfest bis heute: das Fest der Befreiung in Erinnerung daran, dass Gott Freiheit geschenkt hat und hoffentlich auch immer wieder schenken möge.
Auch wenn wir den Gründonnerstag nicht in GRÜN, sondern in der liturgischen Farbe WEISS feiern, ist es doch ein hoffnungsvolles Christusfest. Der Gründonnerstag ist getragen von der Hoffnung, dass alles gut ausgehen wird – wenn auch anders als erwartet: Es ist nicht alles sofort gut, sondern es wird erst gut durch das Kreuz – der gute Weg endet nicht am Kreuz, sondern führt durch das Kreuz hindurch zum Leben. Jesus sieht „seine Stunde gekommen“ (Joh 13,1), die Stunde, in der sich alles entscheidet: Verrat und Nachfolge – die Stunde der Hoffnung, dass das Leben über den Tod siegen wird und die Wahrheit über den Verrat.
In dieser Stunde setzt Jesus Zeichen: Er wäscht seinen Jüngern die Füße, nicht den Kopf. Er verurteilt seinen Verräter Judas Iskariot nicht, sondern wäscht auch ihm die Füße – wer hätte sich das gedacht. Der Herr wäscht allen Jüngern die Füße, macht sich klein, um zu dienen – nicht nur den Bedürftigen, sondern auch den Sündern. Er, der Herr, verrichtet den Sklavendienst – eine Umkehr der sonst gängigen Unterdrückungsverhältnisse. Jesus setzt dieses Zeichen des Dienens. Die Jünger und auch wir Menschen heute sollen uns daran ein Beispiel nehmen und einander und den Menschen dienen – nicht über sie herrschen oder sie mit Gewalt zu etwas zwingen. Dem Frieden und dem guten Zusammenleben dienen – aus Liebe –, darauf kommt es an. Dieses hoffnungsvolle Zeichen setzt Jesus; er hofft, dass die Jünger es ihm nachmachen, ihm so nachfolgen und auf der Spur bleiben, auch wenn er nicht mehr da ist. Für diesen hoffnungsvollen Weg steht auch die Farbe GRÜN: Sie ist eine emotional positive Farbe, die uns befähigt, uns selbst und andere bedingungslos zu lieben.
Jesus setzt ein weiteres Hoffnungszeichen: Er nimmt die Speisen des jüdi-schen Pessach-Mahles und gibt ihnen eine neue Bedeutung – wieder geht es um Rettung. Der Name Jesus ist Programm: Gott rettet. Er gibt sich hinein in die Gaben von Brot und Wein. Die Jünger sollen so Jesus aufnehmen und aus ihm leben. In der Feier des letzten Abendmahles und in jeder Feier der Eucharistie ist Jesus Christus ganz da: Jesus Christus ist das Lebensbrot: Brot, das stärkt und Rettung verheißt. Brot, das nach einer guten Zu-kunft schmeckt – nach Frieden und Freiheit. Brot, das Leben ist und uns mit unserem Retter Jesus Christus und untereinander verbindet. Das macht Mut und schenkt Hoffnung gerade in diesen schweren Zeiten. AMEN.

PREDIGT 5. FASTENSONNTAG IM JAHRESKREIS (C)

Phil 3,8-14 + Joh 8,1-11

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
„Es geht! Gerecht.“ – so das Motto der diesjährigen MISEREOR-Aktion… und dann dieses Evangelium, dass uns der fünfte Fastensonntag vorgibt: Falsch gehandelt. Auf frischer Tat ertappt. Wir wissen nichts von den Beweggründen der Frau, warum sie zum Ehebruch bereit war: War es Unzufriedenheit, die Lust auf ein Abenteuer? Steckte ein finanzieller Anreiz dahinter? Verkaufte sie körperliche Liebe? Wurde sie verführt, oder gezwungen? Die Farbe ORANGE ist eine Farbe, die keine Antwort auf diese Fragen gibt, aber sie gilt als Farbe, die – zumindest in Kolumbien – Sexualität symbolisiert. ORANGE gilt als Farbe gegen Eintönigkeit, als Farbe der Körperlichkeit und Ausgelassenheit, als Farbe der Lebensbejahung.
Möchte ich wirklich das Göttliche sehen wie Paulus?, der an die Gemeinde in Philippi schreibt: „Christus will ich erkennen [; er ist] das Ziel vor [meinen] Augen“ (Phil 3,10.14). Oder geht es auch bei mir um allzu Menschliches und Zwischenmenschliches, das ich sehen möchte, wie die Pharisäer und Schriftgelehrten, die im Evangelium wohl gierig auf der Lauer liegen?
Die Frau wird ertappt, in die Mitte gezerrt, in aller Öffentlichkeit bloßgestellt – vom Mann, der ebenfalls die Ehe gebrochen hat, kein Wort. Alles bleibt – in den Augen der Männer, der Pharisäer und Schriftgelehrten, – an der Frau hängen: der sündhafte Ehebruch, die Schuld, die Schande.
Aber es geht nicht um die Frau – für die Pharisäer geht es um Jesus: wie verhält er sich zu dieser Frau. Verurteilt er sie zum Tod durch Steinigung, wie es damals Recht und Gesetz war, oder plädiert er für das Leben der Ehebrecherin und stellt sich damit gegen die damalige Rechtsordnung? Es ist eine Falle, in die Jesus tappen soll. Er kann eigentlich nur verlieren: Zeigt er sich gesetzestreu und fordert ihren Tod, dann macht er sich und seine Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes unglaubwürdig – will er ihr Leben, dann bricht er Gesetze und macht sich so selbst strafbar. „Es geht! Gerecht.“ – gar nicht so einfach für Jesus.
„Es geht! Gerecht.“ Der heutige MISEREOR-Sonntag thematisiert den menschengemachten Klimawandel. Ein erhobener Zeigefinger: „Es geht! Gerecht.“ – eine Herausforderung, den sich verändernden Bedingungen zu trotzen, um im Einklang mit der Umwelt zu leben, ohne sie auszubeuten. Es geht dabei auch um soziale Gerechtigkeit, um allen Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. „Es geht! Gerecht.“ Veränderung ist möglich. Schon ein kleiner Schritt in die richtige Richtung kann Zustände verbessern und zum Vorbild für andere werden: Plastik, Verpackungsmüll und Energie einsparen zum Beispiel – oder auch ihre Spenden, mit denen Sie Hilfsprojekte von MISEREOR unterstützen. „Es geht! Gerecht.“
„Es geht! Gerecht und barmherzig“ – dazu mahnt Jesus die Schriftgelehrten. Jesus leugnet weder damaliges Recht und Gesetz noch verschweigt oder verharmlost er die Sünde der Frau. Aber Jesus zeigt nicht mit dem Finger auf die Ehebrecherin – er schreibt mit dem Finger auf die Erde. Eine ausdrucksstarke Geste, die zeigt, dass Jesus nichts Irdisches fremd ist; sie zeigt auch, dass Jesus die Frau nicht abschreibt und nicht verurteilt, trotz ihrer Sünde. Vielleicht hat er sogar provokative und ermutigende Worte geschrieben: Erbarmen, Vergebung oder Barmherzigkeit. In den Evangelien spiegelt sich diese Wesenseigenschaft Gottes in den Worten und im Tun und Handeln Jesu Christi – dieses Göttliche an und in Jesus von Nazareth sollen die Menschen damals und wir heute erkennen.
Es geht Jesus um einen „Klimawandel“ hin zu mehr geschenkter Barmherzigkeit und gelebter Solidarität mit den Menschen in Notsituationen. Er will auch andere dazu bewegen das Menschenmögliche zu tun, um Menschenleben retten. Als die Schriftgelehrten hartnäckig weiterfragen, wird Jesus deutlicher: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“ (Joh 8,7). Die Schriftgelehrten gehen in sich und gehen schließlich weg. Sie werfen ihre Steine – nicht auf die Frau und auch nicht auf Jesus – sie werfen die Steine auf die Erde. „Es geht! Gerecht und barmherzig.“ Keiner hat die Frau verurteilt. Sie denken nach. Sie ändern ihr Denken und lassen die Frau und auch Jesus am Leben. Jesus schreibt nochmals mit dem Finger auf die Erde. Eine ausdrucksstarke Geste, die zeigt, dass Jesus jeden Menschen in die Hand der Barmherzigkeit Gottes eingeschrieben hat – trotz seiner Sünde. Die Sünde bleibt. Sie bleibt zwar in dieser Begegnung mit Jesus Christus unbestraft, aber sie bleibt stehen – als Aufforderung: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr! (Joh 8,11) – oder mit den ermutigenden Worten von MISEREOR: „Es geht! Gerecht und barmherzig.“ Es geht! Mit Gottes Hilfe und mitmenschlicher Barmherzigkeit! Es geht! Wenn du es willst! AMEN.

PREDIGT 4. FASTENSONNTAG IM JAHRESKREIS (C)

2 Kor 5,17-21 + Lk 15,1-3.11-32

Das Begleitheft der diesjährigen ökumenischen Alltagsexerzitien ist ganz in Blau gehalten – der Umschlag und auch das Titelbild: alles in Blautönen. Eine in ganz in Blau gekleidete Frau springt mit ausgestreckten Armen in die Höhe, voll Freude, wie es scheint, mitten hinein in den blauen Himmel, der fast das ganze Bild einnimmt. Frei – das Motto der Alltagsexerzitien steht daneben – Freiheit und Weite, die mit der Farbe Blau verbunden ist. Blau ist wohl die beliebteste Farbe der Menschen; sie wirkt beruhigend, strahlt Ruhe und Vertrauen aus; Blau steht für Frieden und Harmonie, für Freundschaft, Zuverlässigkeit und Treue.
Blau die Farbe der Freiheit – der weite, strahlend blaue Himmel, den wir derzeit erleben, ist für viele eben diese Freiheit: Die Freiheit rauszugehen; die Freiheit, Neues anzufangen. Sicher hat sich der jüngere der beiden Söhne im heutigen Evangelium (Lk 15,1-3.11-32) danach gesehnt und gespürt, dass in seinem bisherigen Leben vieles zu eng ist. Er ist unzufrieden mit sich und seinem Leben; er fühlt sich gegenüber dem älteren Bruder benachteiligt und ungerecht behandelt; in ihm kommen Neid, Wut und Ärger hoch; sein innerer und äußerer Friede sind gestört. Jede und jeder kennt diese Gedanken und Gefühle – jede(r) kann sie mit Situationen des eigenen Lebens verbinden: in der Familie, in der Nahbarschaft im Bekanntenkreis. Der jüngere Sohn fühlt sich benachteiligt und irgendwie verloren in diesem Familiengefüge; er will raus, er will seine Freiheit – koste es, was es wolle: Er verlangt von seinem Vater den Erbteil, also die Hälfte des gesamten väterlichen Besitzes und Vermögens; dann sagt er sich von seinem Vater und Bruder los, trennt sich von ihnen, will mit ihnen nichts mehr zu tun haben – die Beziehung ist tot. Frei und zügellos genießt er sein Leben und lebt ins Blaue hinein: ständig Party – Saufen bis zum Abwinken – täglich blau – Frauen en masse. Blauäugig verprasst er das ganze Geld; scheinbare Freunde sind da, solange Geld da ist und sie eingeladen werden. Der jüngere Sohn verspielt seine Freiheit: er nutzt sein Vermögen nicht zum Guten; sein Leben wird zum Desaster; er fällt tief und tiefer und landet schließlich im Mist bei den Schweinen – dort haust er und leidet Hunger. Sein Leben war und ist ein einziger Saustall. Er fühlt sich sauelend – und er denkt nach: In seiner Verlorenheit sehnt er sich nach Hause zurück, zurück zu seinem Vater. Er bereut sein Verhalten und kehrt um: ein innerer und äußerer Weg der Umkehr in die Arme des Vaters – eine Geste mir der der nicht gerechnet hatte.
Auch der ältere Sohn bedarf der Umkehr – innerlich und äußerlich. Er ärgert sich grün und blau, ja er kocht vor Wut, dass sein Bruder es gewagt hat, zurückzukommen und dass der Vater ein Fest feiert: für ihn, der keinen Finger krumm gemacht und das ganze Geld verschleudert hat. Er erkannte und erkennt nicht, dass auch er als Älterer die Freiheit hatte, etwas aus seinem Leben zu machen – mehr als nur arbeiten: „Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein“ (Lk 15,31),
sagt der Vater zu ihm. Auch diese Freiheit muss gestaltet werden, sonst wird man unzufrieden, weil der andere immer mehr zu haben scheint. Ob der ältere Sohn das ewige Vergleichen sein lässt und umkehrt – darüber schweigt die Bibel. Das regt mich zum Nachdenken an: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit“, sagt Søren Kierkegaard, ein dänischer Philosoph und Theologe.
Genau mit diesem Vergleichen spielt die Werbung – und wir glauben das Glück erkaufen zu können. Wir werden letztlich immer unglücklicher, weil das Glück nicht im Haben besteht, sondern im Sein: im Angenommensein, im Glücklichsein und im Zufriedensein. Dazu lädt der barmherzige Vater die beiden verloren Söhne ein – ohne ein Wort des Vorwurfes und der Verärgerung. Er verspricht ihnen nicht das Blaue vom Himmel, sondern er meint es ernst. Kehrt um, kommt zu mir – die offenen Arme sind die Geste dafür. Ein Fest für das Leben will er mit beiden Söhnen feiern, ein Versöhnungsfest – ein Fest, das auch für die gemeinsame Zukunft steht: für ein gutes und friedliches Zusammenleben.
Die Erstkommunionkinder gehen in diesen Wochen vor der Erstkommu-nion in sich und erforschen ihr Gewissen; sie gehen zur Beichte und feiern ein Versöhnungsfest – wie der Vater es mit seinen beiden Söhnen geplant hat. Auf dem Beichtspiegel für die Gewissenserforschung ist der barmherzige Vater mit den offenen Armen abgedruckt – so will Gott auch uns sündige Menschen annehmen, trotz unserer Schuld und noch vor aller Leistung. Für uns Erwachsene sind die Bußgottesdienste, die Beichtgelegenheit und die Vorbereitung darauf gute Möglichkeiten sein Leben zu überdenken, umzukehren und bei Gott offene Armen und Versöhnung und Vergebung zu finden. Nutzen Sie diese Chance, frei zu werden. Finden Sie inneren und äußeren Frieden – die Farbe Blau lädt dazu ein. AMEN.

PREDIGT 3. FASTENSONNTAG IM JAHRESKREIS (C)

Ex 3,1-8a.13-15 + Lk 13,1-9

Liebe Kinder und Jugendliche, liebe Schwestern und Brüder!
Heute sehe ich Rot. Rot erregt Aufmerksamkeit – ein rotes Kleidungsstück und knallrote Lippen. Rot steht für Feuer, Leidenschaft und Gefühl, für Wärme und Nähe, für Liebe und Hingabe – ein rotes Herz ist das Zeichen dafür. Sinnliches Rot ist an- und aufregend und hat als Farbe eine belebende Wirkung, auch auf emotionaler Ebene. Die Farbe Rot bedeutet auch Gefahr; sie färbt das heutige Evangelium ein, nicht nur mit dem Blut der getöteten Galiläer (vgl. Lk 13,1). Die Situation spitzt sich immer mehr zu und läuft auf die Passion Jesu zu: Die Spannungen zwischen Jesus und seinen Gegnern treten deutlich zu Tage. Wohin derartige Spannungen führen können, erleben wir derzeit hautnah: Blutvergießen und Krieg, Macht und Aggressivität, Wut und Zerstörung. Für viele Menschen und politische Verantwortungsträger ist die rote Linie längst überschritten, sie sehen Rot und reagieren: Wut und Empörung, Widerstand und Sanktionen.
Mose sieht Rot in der heutigen Sonntagslesung (vgl. Ex 3,1-8a.13-15): feuerrot. Er sieht Feuerflammen mitten in der Steppe – aber eben kein kurzes Strohfeuer, sondern einen brennenden Dornbusch, der brennt, aber nicht verbrennt. Ungewöhnlich, ja außergewöhnlich. Mose staunt, denn das Feuer ist – um es mit den Worten des Franz von Assisi zu sagen „schön, fröhlich, kraftvoll und stark“. Mose will diesem Feuer auf den Grund gehen. Er will herausfinden, warum das Feuer dauerhaft brennt, den Dornbusch aber nicht vernichtet. Vorsichtig nähert sich Mose dem brennenden Busch – Schritt für Schritt, denn er weiß: Feuer ist brandgefährlich.
In sicherem Abstand entspinnt sich ein Dialog mit Gott, der sich Mose „eingebrannt“ hat: „Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden“ (Ex 3,5) – ein heiliger Ort, ein Ort der Gottesbegegnung, ein Ort des lebendigen Gottes, dafür steht das flackernde Feuer. Gott ist anders als unsere irdischen Vorstellungen. Feuer, das brennt, aber Dinge nicht verbrennt, ist ein Bild dafür – auch dafür, dass Gott seine Schöpfung nicht zerstört, sondern sie liebt und am Leben lässt. Mose muss das erst noch lernen: Mose nämlich verhüllt aus Angst vor Gott sein Gesicht. Er handelt nach der damaligen Vorstellung, dass jeder, der Gott sieht, sterben muss oder verbrennt. Mose wird später, als er die zehn Gebote empfängt, selbst ein Mann mit (Gott gegebener) Ausstrahlung – rötliches Leuchten auf seinem Gesicht.
Die Feuerflammen am Dornbusch erlöschen nicht – Gott ist ewig. Er war schon immer: „Ich bin der Gott deiner Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“ (Ex 3,6.15). Gott ist der, dem die Vorfahren vertraut und an den sie geglaubt haben; für den sie Feuer und Flamme waren.
Brennend vor Neugier fragt Mose Gott nach seinem Namen (vgl. Ex 3,13). „Ich bin, der ich bin“ (Ex 3,14), sagt Gott. Der Name Gottes ist und bleibt ein Rätsel, das die alte Einheitsübersetzung folgendermaßen löst: „Ich
bin der ‚Ich bin da‘“ – eine schöne Deutung, aber nur eine von mehreren möglichen Auflösungen des rätselhaften Namens: „Ich bin, der ich bin“, heißt auch: „Ich bin der, der ich immer schon war.“ Mose weiß: Gott ist kein Unbekannter. Er ist der Gott der „Väter“. Gott ist aber nicht verfügbar. Mose und auch wir haben keine Macht über ihn. Wir können ihn zwar ansprechen und zu ihm beten, aber wir können ihn nicht einfach wie einen Hund beim Namen rufen und er kommt angedackelt und macht was wir wollen: Gott ist anders: „Ich bin, der ich eben bin“, sagt Gott.
Mose spürt das wärmende Feuer, das von Gott aus geht, Gottes Wohlwollen und Empathie: Gott fühlt mit. Er kennt das Leid des Volkes Israel und auch meine Sorgen und Nöte. Gott ist ein fürsorglicher Gott und will Abhilfe schaffen. Leider ist die Berufung des Mose zur Befreiung der Israeliten (Ex 3,9-12.16-4,17) in der Leseordnung ausgespart. Gott baut und vertraut auf Moses Mitwirkung bei der Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten. Mose findet immer neue Einwände gegen diesen Auftrag Gottes. Gott sichert dem errötenden Mose daraufhin seinen Beistand zu: „Ich bin mit dir“ (Ex 3,12) – gemeinsam schaffen wir das. Ich bin der Gott, der mit dir in eine gute Zukunft geht. „Ich bin der, der ich sein werde“ – auch so kann man den Namen Gottes übersetzen.
Ich sehe Rot – auch in unserer Kirche. Ich sehe Rot und nicht Schwarz! Rot ist die Farbe des Heiligen Geistes. Er wirkt auch heute! Feuer, Lebendigkeit und Leben in unseren Pfarreien, die wir heute den neuen Pfarrge-meinderat wählen – Lebensmöglichkeit und Hilfen im Namen der Caritas, die ein weißes Strahlenkreuz auf einem roten Hintergrund als Logo hat. Die Arbeit der Caritas, gelebte Nächstenliebe und Solidarität mit den Menschen am Rand unserer Gesellschaft und derzeit besonders mit Geflüchteten, unterstützen wir am heutigen Caritassonntag durch die Kollekte und unsere Spenden. Ich sehe Rot – aus Liebe zu den Menschen. AMEN.

PREDIGT 2. FASTENSONNTAG IM JAHRESKREIS (C)

Gen 15,5-12.17-18 + Lk 9,28b-36

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Gefühlte und reale Nacht – Zukunft zerstört, zerbombt – Familien auseinandergerissen, aus den Augen verloren auf der Flucht, oder weil sie auf diesem Weg gestorben oder im Krieg gefallen sind. Erfahrungen, die derzeit bei vielen hochkommen, die in jungen Jahren selbst Krieg, Flucht und Vertreibung erlebt haben; Erfahrungen, die in diesen Tagen in der Ukraine viele machen; auch manche russische Soldaten, die eigentlich mit einer militärischen Übung, nicht aber mit dem Krieg gegen die Ukraine gerechnet haben.
Die Nacht von Hebron (vgl. Gen 15): die reale und gefühlte Nacht des Abram. Es ist wohl dunkel und kalt – Abram ist orientierungs- und hoffnungslos. In ihm ist es Nacht, zappenduster. Damit wir seine Nacht ansatzweise nachfühlen und verstehen können, sind einige Hintergrundinformationen notwendig: Abraham heißt noch „Abram“, „Vater der Anhöhe“ und noch nicht „Abraham“, „Vater der Menge“. Abram und seine Frau Sara sind alt und kinderlos, ein Paar scheinbar ohne Zukunft. Dabei hatte Gott ihnen schon mehrfach – erstmals in Gen 12,1-3 – Nachkommen und eigenes Land verheißen, aber bisher hat sich dahingehend nichts getan. Gottverlassene Nacht. Ich stelle mir vor, dass Abram mit gesenktem Kopf dasteht, enttäuscht, weil Gott nicht eingegriffen und seine Verheißung nicht erfüllt hat.
In zartem Gelb erhellen Sterne die Nacht von Hebron und Abrams Nacht – ein Lichtermeer am Himmel. Die unzählbare Zahl und das leuchtende Gelb der Sterne zaubert vielleicht ein Lächeln auf Abrams Gesicht und stimmt ihn optimistisch – Hoffnungslicht mitten in der Nacht. Sehen kann es Abram nur, wenn er den Kopf nicht hängen lässt, sondern mit wachem und aufmerksamem Blick zum Himmel, zu Gott und seinen Verheißungen und zu den Sternen aufblickt. Die funkelnden Sterne in leuchtendem Gelb verkörpern Gottes Gegenwart. Gott durchbricht Abrams Nacht und macht sie hell, verheißt erneut Nachkommen, Land und eine gute Zukunft. Die Unzahl der Sterne strahlt Gottes unerschöpfliche Menschenfreundlichkeit aus und kündet von einer guten Zukunft, von Leben in Fülle, durch den Leben verheißenden Gott mitten in der gefühlten und erlebten Nacht.
Abram glaubt und vertraut Gott und seinen Verheißungen und Gott schließt einen Bund mit ihm. Die Verpflichtung Gottes gegenüber Abram und seinen Nachkommen ist ein archaisch anmutendes Geschehen (vgl. Gen 15,9-12.17); sichtbare Zeichen der Gottespräsenz sind das hell und gelblich leuchtende Fackelfeuer und der rauchende Ofen (vgl. Gen 15,17).
Noch mehr und strahlkräftiger wie das zarte Licht der Sterne ist das Licht, das Christus ist und ausstrahlt: Christus, dein Licht, verklärt unsre Schatten, lasse nicht zu, dass das Dunkel zu uns spricht. Christus, dein Licht, erstrahlt auf der Erde und du sagst uns, auch ihr seid das Licht (GL 815). Ein Lichtblick für die drei Jünger, die Jesus mit auf den Berg der Verklärung nimmt (vgl. Lk 9,28b-36): Jesus in strahlend goldgelbem Licht, umgeben von zwei Lichtgestalten, Mose und Eija. Sie reden viel, vor allem über das Ende, das Jesus bevorsteht. Die drei Jünger schlafen überfordert und erschöpft ein – Leiden, Kreuz und Tod sind zu viel – nicht zu (er)fassen. Als sie aufwachen sehen sie Jesus durch und durch strahlend – österlich. Diesen wunderbaren Lichtblick, die Verklärung von Kreuz und Leiden, diesen Durchblick auf Ostern wollen sie fassen und festhalten. Drei Hütten will Petrus bauen: „Es ist gut, dass wir hier sind“ (Lk 9,33), sagt er – und wir können ergänzen: es ist gut, dass du Jesus Christus da bist, dass du Licht für uns bist und uns die Ängste nimmst. Dieses Licht schenkt Hoffnung, die bleibt, auch wenn das Licht nicht mehr sichtbar ist. Genau das erleben die drei Jünger, als sie in eine Wolke geraten: Die Angst überfällt sie. Der Schatten der Wolke verdunkelt ihr Dasein – erlebte und gefühlte Nacht. Gott schenkt den Ängstlichen Hoffnung: Er bekennt Jesus als seinen Sohn, den Christus. Und er fordert die Jünger auf, auf an seinen Sohn zu hören, an ihn zu glauben, daran zu glauben, dass Jesus Christus Licht ist. Die Jünger könnten singen: Christus, dein Licht, verklärt unsre Schatten, lasse nicht zu, dass das Dunkel zu uns spricht. Christus, dein Licht, erstrahlt auf der Erde und du sagst uns, auch ihr seid das Licht (GL 815).
Die drei Jünger, die diesen Lichtblick und die Angst auf dem Berg erleben, sind dieselben, die wenige Wochen später mit Jesus an den Ölberg gehen, hinein in die Nacht, in der Jesus gefangen und gefoltert wird, die Nacht vor seiner Kreuzigung auf dem Berg Golgota. In diesen Stunden gibt der Lichtblick der Verklärung Hoffnung – Hoffnung auch für die Golgota-Orte unserer Tage – Hoffnung auf Leben – Hoffnung auf eine gute Zukunft. Jesus Christus nimmt uns und die Leiden unserer Tage mit auf den Hoffnungsweg zu diesem Leben in Frieden, Freiheit und Freude. Es ist der Weg auf Ostern zu, auf dem uns das Licht vom Ende der Nacht entgegenstrahlt. AMEN.

PREDIGT ASCHERMITTWOCH

2 Kor 5,20-6,2 + Mt 6,1-6.16-18

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!

Gestern stand ein kleiner frühlingshafter Blumengruß vor meiner Tür – einen Tag zu früh – aber passend in der Farbe Lila. Die heute beginnende Vorbereitungszeit auf Ostern zeigt sich auch in dieser liturgischen Farbe –violett. Mit dieser Farbe violett, der Farbe der Fastenzeit und der österlichen Bußzeit möchte ich eine Predigtreihe beginnen: Violett – eine der sechs Farben, aus denen ein Regenbogen besteht – eine Farbe aus der Fülle der Farben, der Fülle des Lebens und des erfüllten Lebens. Violett, gilt als Farbe des Geistes und der Spiritualität. Sie soll das seelische Gleichgewicht und die Entschlusskraft fördern und hat eine stark meditative Wirkung. Sie beeinflusst das Unterbewusste und dient zur therapeutischen Unterstützung bei tiefenpsychologischen Problemen. Violett ist die Farbe, die zur Ruhe kommen lässt. Die Fastenzeit ist eine stille Zeit nach dem lärmend lauten Fasching und eine Zeit, in der wir uns in diesen unruhigen Kriegszeiten Waffenruhe und Frieden wünschen und dafür beten. Dieser Wunsch nach äußerer Ruhe und Frieden korrespondiert mit dem Wunsch nach innerer Ruhe, nach Entschleunigung, nach innerem Frieden und Zufriedenheit.

Die drei Grundhaltungen gelebter Glaubenspraxis, Fasten, Beten und der Dienst am Nächsten, wie sie Jesus im Evangelium am Aschermittwoch (vgl. Mt 6,1-6.16-18) empfiehlt, können zu dieser inneren Ruhe beitragen:

Das Fasten betrifft mein Ich – es ist keine Einladung zur Diät oder zum Abnehmen. Darum geht’s wirklich: Ich soll mir selbst und meiner Bedürfnisse bewusst werden. Was brauche ich wirklich zum Leben? Worauf kann ich verzichten? Durch Verzicht soll ich erkennen, was alles nicht lebensnotwendig ist und mich und mein Leben oft unnötig belastet.

Durch den Verzicht werde ich offen – offen für Gott. Ich nehme mir bewusst Zeit fürs Gebet und pflege, ja erneuere so meine Gottesbeziehung. Ich darf mich wieder neu auf Gott einlassen, ihn als menschenfreundlichen und liebenden Gott erkennen, als einen, der mich annimmt mit meinen Ecken und Kanten, mit meinen Fehlern und Schwächen. Violett steht für die spirituelle Vertiefung – also genau passend zu diesem Anliegen der Fastenzeit.

Durch den Verzicht werde ich offen – offen auch für meine Mitmenschen. Das Almosengeben drückt meine sorgende Beziehung zu meinen Nächsten aus, zu den Menschen, die mich und meine Hilfe in Wort und Tat nötig haben – jetzt gerade die Menschen in der Ukraine. Mit Almosen ist nicht nur meine finanzielle Hilfe und Spendenbereitschaft gemeint, sondern auch meine tätige und zupackende Hilfe, eben dort, wo ich gebraucht werde.

Das Doppelgebot der Liebe fasst diese dreifache Bezogenheit jedes Menschen auf das eigene Ich, auf das göttliche Du und auf das mitmenschliche Du in folgende Worte: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (Mt 22, 37-39). Die Worte Jesu zeigen mir, dass Gottes-, Selbst und Nächstenliebe gleichrangig sind. Ich kann nicht das eine durch das andere ersetzen, denn sonst gerät mein Leben in Schieflage. Wenn ich nur an die anderen denke und nie an mich selbst, dann reibe ich mich letzten Endes auf. Wenn ich nur Gebet und Gottesdienst für wichtig halte, verstoße ich gegen das Gebot der tätigen Nächstenliebe, die Jesus den Jüngern mit der Fußwaschung aufgetragen hat. Wenn ich nur an mich denke, fehlt mir der Halt im Leben, den Gott und der Glaube mir geben können. Es gilt, in den kommenden Tagen alle drei Beziehungen neu zu überdenken.

Es gilt, umzukehren und sich neu auszurichten, um wieder die Balance der Beziehungen zu finden und so die Wandlung zu einem österlichen Menschen zu vollziehen. Da violett die Farbe ist, die mit Reinigungs- und Umkehrprozessen verbunden ist – ist sie auch da die passende Farbe: für die Umkehr im privaten Bereich wie auch für die die Umkehr, Reinigung und Neuausrichtung im kirchlichen Bereich und überall dort, wo Menschen versagt haben, wo auch Reue und Buße notwendig ist. „Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20).

Mit der Farbe violett und der „Asche auf dem Haupt“ wollen wir als Christen unserem Leben eine Wende geben – dazu werden wir auch aufgefordert: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15b) – glaubt an das Gute und ändert euer Leben zum Guten. Fangen wir heute damit an ermutigt durch die Farbe violett – die uns durch diese Zeit auf Ostern hin begleitet.

PREDIGT 8. SO IM JAHRESKREIS (C)

Sir 27,4-7 + Lk 6,39-45

Letzten Freitag gab es Zeugnisse, die Beurteilung von Leistungen in der Schule. Jede und jeder einzelne ist aber mehr als eine Note, mehr als eine Zahl auf dem Papier. Bei Bewerbungsverfahren wird daher oft Augenmerk auf das Bewerbungsgespräch gelegt, auch eine Art Prüfung, aber umfassender, weil es den ganzen Menschen in den Blick nimmt: sein Auftreten, seine Interessen, seine fachliche Qualifikation und Eignung für einen bestimmten Arbeitsbereich und seine Integrationsfähigkeit in ein Team. … Dann wird beraten und beratschlagt. … und dann auch ausgewählt und ausgesiebt.
Die Lesung mahnt zur sorgfältigen Prüfung, zur Menschenkenntnis, um nicht „blind“ zu vertrauen oder „betriebsblind“ auf die falsche Führungskraft zu setzen (Lk 6,39): „Lobe keinen Menschen, ehe du nachgedacht hast; denn das ist die Prüfung für jeden“ (Sir 27,7). Jesus Sirach erklärt die Prüfung anhand von drei Bildworten (Sir 27,4-6): Sieb – Brennofen – Baum.
Auch wenn Sir 27,4 nur ein Sieb nennt, kommen in Realität zwei Siebe zum Einsatz, um nach dem Dreschen und Worfeln des Getreides Körner ohne Verunreinigungen zu erhalten: Im Sieb fürs Grobe bleiben Unrat, Stroh und Häcksel hängen – die Körner fallen durch die Sieböffnungen. Das feinmaschige Sieb dagegen hält die Körner zurück – Sand und Staub fallen durch. So könnten auch Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt „gesiebt“ werden.
Der Brennofen, der in Sir 27,5 genannt ist, ist ein Bild für die Qualitätsprüfung nicht nur von Töpferware. Beim Brennen zeigt sich nämlich, ob sorgfältig gearbeitet oder nur auf den schönen Schein geachtet wurde: Kleinste Lufteinschlüsse bringen ein Gefäß beim Brennen zum Bersten. So zeigt sich im „Brennofen“ eines Gesprächs, ob einer auch unter Belastungsanforderungen hält, was er äußerlich verspricht und vorgibt.
In der Landwirtschaft achtet man nicht nur auf die Größe eines Ackers, sondern auch auf den Bodenertragswert, also darauf, ob es ein „guter“ oder „schlechter“ Boden bzw. welcher Ernteertrag zu erwarten ist. Heutzutage kann man das anhand von verschiedenen Bodenparametern bestimmen – früher hat man von der Quantität des Ertrags und der Güte der Früchte auf die Qualität des Bodens geschlossen. Ebenso sind die Worte eines Menschen Frucht dessen, was er im Herzen trägt (vgl. Sir 27,6; Lk 6,43-45).
Menschenerkenntnis – mit Jesus Sirach haben wir Kriterien bei der Hand für die äußerliche und innerliche Qualitätsprüfung sowie um Rückschlüsse auf das „Ackerfeld“ und Abgründe menschlichen Lebens zu ziehen: In den vergangenen Tagen trennte sich auf dramatische Weise die Spreu vom Weizen – es ist Krieg. Wir wurden eiskalt belogen; alles Reden war Täuschung und Blendwerk, alle Friedensbemühungen Putins waren heuchlerisch – es ist Krieg. Am verbrecherischen Vorgehen Putins zeigte und zeigt sich, was wirklich in seinem Herzen ist: Krieg, um die Gier nach Macht, Einfluss und alter Größe der Sowjetunion zu befriedigen – Menschen und Menschenleben sind Putin egal; er geht über Leichen – es ist Krieg. Dieser Krieg ist zu verurteilen und muss aufhören! Frieden kann man nicht erzwingen; Frieden muss man wollen – von beiden Seiten! Und das scheint derzeit aussichtslos. Wir können nur für den Frieden beten – und das tun wir nicht nur heute!
Wir kennen das von „Kleinkriegen“ in Familie und Beruf: Wenn eine oder einer nicht auf meine Position einlenken will, wenn er oder sie sich nicht helfen lassen will, dann wird es schwer mit einer friedlichen Lö-sung. Jeden winzigen Fehler beim anderen suchen, das mache ich gern – dem anderen helfen zu wollen, das gelingt bei weitem nicht immer; das kostet Überwindung. Es ist aber auch deshalb schwer, weil ich mir selbst oft eingestehen muss, dass auch ich – um mit den Worten des Evangeliums zu sprechen (Lk 6,41-42) – etwas im Auge habe und nicht klar sehe. Den winzigen Splitter im Auge meines Gegenübers zu entfernen, würde so nicht gelingen, sondern ich würde ihn durch meine eingeschränkte Sicht nur noch mehr verletzen.
Ganz ehrlich soll ich sein und bei mir anfangen – auch eine Art Prüfung. Sieh auf dich selbst! Sei kein Heuchler! Sieh auf den Balken in deinem Auge und das Brett vorm Kopf – sie sind mindestens genauso groß, wenn nicht sogar größer als bei deinem Gegenüber! Fang bei dir an und beseitige, was dich einschränkt und dir die Sicht nimmt. Ändere zuerst dein Verhalten, bevor du anderen helfen willst – und suche nicht, dein Gegenüber zu verändern, sondern so zu akzeptieren, wie er oder sie ist. AMEN.

PREDIGT 7. SO IM JAHRESKREIS (C)

1 Sam 26,2.7-9.12-13.22-231 + Lk 6,27-38

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Bei jeder Serie, die im Fernsehen läuft oder die man streamen kann, kommt zu Beginn ein kurzer Rückblick, damit man den Anschluss nicht verliert. Erinnern Sie sich? Das war letzten Sonntag dran: Wenn wir das Leben und das Lebensnotwendige teilen und die Mitmenschen daran teilhaben lassen, kann das Leben gelingen und alle haben gewonnen. Dann gilt: Mensch, freu dich! – und nicht mehr: Leider verloren! Mensch, ärger dich nicht!
Aber so einfach ist das nicht: Es bleiben Verlustängste und -realitäten:
Die meisten von uns haben etwas zu verlieren: den Arbeitsplatz, den eigenen Wohlstand, die Gesundheit, das Leben, ihre Würde, ihren guten Ruf.
Die meisten von uns haben etwas zu verlieren – und versuchen sich abzusichern: Vorsorge und Versicherungen für alle Eventualitäten des Lebens.
Die meisten von uns haben etwas zu verlieren – und versuchen sich abzusichern. Wenn es sein muss mit Gewalt.
Die Lesung aus dem Buch Samuel erzählt von Verlustängsten, vom Versuch sich abzusichern, von handgreiflicher Gewalt gegenüber Kleinen.
Der Konkurrenzkampf zwischen Saul und David: König Saul, der das Vertrauen Gottes verspielt hatte – gegen den von Gott zum neuen König gesalbten jugendlichen David. Saul sucht David in seine Gewalt zu bringen, ihn umzubringen, um so seine Position und seine Macht als König zu sichern. An dieser Stelle setzt die Lesung ein: 1 Sam 26,2.7-9.12-13.22-23 dreht sich um die Auseinandersetzung und den Umgang mit Macht. Alles dreht sich um die Frage, was es wirklich braucht, um ein guter König zu sein – und was in dessen Macht steht: David lässt Saul am Leben, obwohl David die Macht gehabt hätte, Saul zu töten. Er handelt damit anders, als Saul an Davids Stelle gehandelt hätte.
Und genau da ist der Unterschied zwischen Gewalt und Aggression. Das lateinische Verb aggredere bedeutet wörtlich nahe herangehen. David ist in diesem Sinn aggressiv: er geht bis an die Grenze, aber übertritt sie nicht. Er wahrt die Grenze, die Sauls Lebens und körperliche Unversehrtheit schützt – er krümmt ihm kein Haar. Genau das ist der gravierende Unterschied zu einem Gewalttäter, der die Grenzen anderer überschreitet.
Es ist kein Zufall, dass viele Gewalttäter, vor allem in Formen von häuslicher Gewalt, aggressions-gehemmte Typen sind – Menschen, die mit mitmenschlicher und zwischenmenschlicher Nähe ihre Schwierigkeiten haben. Bei Priestern und Ordensleuten, die es nicht gelernt haben, verbal und im Umgang liebevoll und wertschätzend miteinander umzugehen, Nähe zuzulassen und die Grenzen zu kennen und zu akzeptieren, liegt genau dort –
und nicht primär im Zölibat oder einer bestimmten sexuellen Orientierung – das Gefahrenpotential: Sie überschreiten Grenzen, missbrauchen ihre Macht und die Abhängigkeit und die Ohnmacht anderer; sie missachten die Würde des anderen und zerstören Menschenleben und Kinderseelen.
Die katholische Kirche hat Schuld auf sich geladen, weil sie ungute Machtstrukturen gefördert und durch diese auch Missbrauch und Misshandlungen gedeckt und vertuscht hat. Kirche versucht diese Fälle aufzuarbeiten – wie das im Erzbistum Bamberg geschehen ist und geschieht, dazu finden Sie demnächst eine Stellungnahme von Erzbischof Dr. Ludwig Schick auf der Homepage unserer Pfarrei. Für andere gesellschaftliche Organisationen wie Schulen, Vereine etc. würde ich mir eine derartige Aufarbeitung der Vergangenheit wünschen – oft ist da aber ein Deckmantel des Schweigens.
Ja, wir brauchen Reformen, die die „Macht über Mitmenschen“ abschaffen, die Ohnmachtsstrukturen unterbinden und Machtmissbrauch verhindern. Und ja, wir brauchen Reformen, die die „Macht für und im Einsatz für die Mitmenschen“ fördert und damit die lebensdienliche Dimension der Macht und deren Möglichkeiten, Dinge zum Guten zu wenden. Diejenigen, die ein Amt oder eine Machtposition in der Kirche, in Politik und Gesellschaft innehaben, sollen alles in ihrer Macht Stehende tun zum Wohlergehen der Menschen: helfend und mahnend, kritisierend und ermutigend. Letztlich kann das jede und jeder. Austreten – auch das steht in meiner Macht; aber durch einen Austritt entmachte ich mich selbst und beraube mich der Möglichkeit zur Mit- und Umgestaltung von Kirche und Gesellschaft.
Ich nutze jetzt meine „Macht“ als Prediger: Jesus zeigt im heutigen Evangelium Lk 6,27-38 viele gute Wege zu gelingendem Leben auf, aber ein Wort Jesu stört mich: „Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin“ (Lk 6,29). Dieser gewaltfreie Widerstand funktioniert nämlich nur, wenn er öffentlich ist, wenn alle den Machtmissbrauch und die übergriffige Gewalt sehen. Dort aber wo derartige Machenschaften im Verborgenen und unter dem Deckmantel von Machtstrukturen geschehen, ist den Opfern mit dieser Aussage Jesu nicht geholfen – im Gegenteil, sie verlängert das Leid und die Gewalt; das gilt für den häuslichen Bereich gleichermaßen wie für die Kirche. Jeder Missbrauch ist ein Missbrauch zu viel, ganz egal ob er auf körperlich-sexueller, verbaler oder auf geistlicher Ebene geschieht.
Wir brauchen mehr Achtsamkeit im Umgang miteinander: Ein Verhalten, das in der Wertschätzung jedes menschlichen Lebens gründet. Es geht um eine Ethik, die von Liebe und nicht von Gewalt geprägt ist: Es zählt nicht die Liebe zur Macht, sondern die Macht der Liebe – die Liebe, die wir anderen erweisen. „Wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihr ihnen“ (Lk 6,31), so bringt es Jesus im Lukasevangelium auf den Punkt. Es ist die goldene Regel, die so heißt, weil sie wertvoll und wichtig ist für ein gutes und gelingendes Zusammenleben und Wirken in Kirche und Gesellschaft: Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen. AMEN.

1 Vgl. hierzu die Auslegung des Kath. Bibelwerkes zum 7. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C (https://www.bibelwerk.de/fileadmin/sonntagslesung/c_jahreskreis.07_l1_1.sam.26.pdf), von der diese Predigt inspiriert ist und die auf die aktuelle Situation in der Kirche übertragen wurde. Ein-zelne Textpassagen sind – wenn auch nicht explizit gekennzeichnet – wörtlich übernommen.