PREDIGT 5. FASTENSONNTAG IM JAHRESKREIS (C)

Phil 3,8-14 + Joh 8,1-11

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
„Es geht! Gerecht.“ – so das Motto der diesjährigen MISEREOR-Aktion… und dann dieses Evangelium, dass uns der fünfte Fastensonntag vorgibt: Falsch gehandelt. Auf frischer Tat ertappt. Wir wissen nichts von den Beweggründen der Frau, warum sie zum Ehebruch bereit war: War es Unzufriedenheit, die Lust auf ein Abenteuer? Steckte ein finanzieller Anreiz dahinter? Verkaufte sie körperliche Liebe? Wurde sie verführt, oder gezwungen? Die Farbe ORANGE ist eine Farbe, die keine Antwort auf diese Fragen gibt, aber sie gilt als Farbe, die – zumindest in Kolumbien – Sexualität symbolisiert. ORANGE gilt als Farbe gegen Eintönigkeit, als Farbe der Körperlichkeit und Ausgelassenheit, als Farbe der Lebensbejahung.
Möchte ich wirklich das Göttliche sehen wie Paulus?, der an die Gemeinde in Philippi schreibt: „Christus will ich erkennen [; er ist] das Ziel vor [meinen] Augen“ (Phil 3,10.14). Oder geht es auch bei mir um allzu Menschliches und Zwischenmenschliches, das ich sehen möchte, wie die Pharisäer und Schriftgelehrten, die im Evangelium wohl gierig auf der Lauer liegen?
Die Frau wird ertappt, in die Mitte gezerrt, in aller Öffentlichkeit bloßgestellt – vom Mann, der ebenfalls die Ehe gebrochen hat, kein Wort. Alles bleibt – in den Augen der Männer, der Pharisäer und Schriftgelehrten, – an der Frau hängen: der sündhafte Ehebruch, die Schuld, die Schande.
Aber es geht nicht um die Frau – für die Pharisäer geht es um Jesus: wie verhält er sich zu dieser Frau. Verurteilt er sie zum Tod durch Steinigung, wie es damals Recht und Gesetz war, oder plädiert er für das Leben der Ehebrecherin und stellt sich damit gegen die damalige Rechtsordnung? Es ist eine Falle, in die Jesus tappen soll. Er kann eigentlich nur verlieren: Zeigt er sich gesetzestreu und fordert ihren Tod, dann macht er sich und seine Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes unglaubwürdig – will er ihr Leben, dann bricht er Gesetze und macht sich so selbst strafbar. „Es geht! Gerecht.“ – gar nicht so einfach für Jesus.
„Es geht! Gerecht.“ Der heutige MISEREOR-Sonntag thematisiert den menschengemachten Klimawandel. Ein erhobener Zeigefinger: „Es geht! Gerecht.“ – eine Herausforderung, den sich verändernden Bedingungen zu trotzen, um im Einklang mit der Umwelt zu leben, ohne sie auszubeuten. Es geht dabei auch um soziale Gerechtigkeit, um allen Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. „Es geht! Gerecht.“ Veränderung ist möglich. Schon ein kleiner Schritt in die richtige Richtung kann Zustände verbessern und zum Vorbild für andere werden: Plastik, Verpackungsmüll und Energie einsparen zum Beispiel – oder auch ihre Spenden, mit denen Sie Hilfsprojekte von MISEREOR unterstützen. „Es geht! Gerecht.“
„Es geht! Gerecht und barmherzig“ – dazu mahnt Jesus die Schriftgelehrten. Jesus leugnet weder damaliges Recht und Gesetz noch verschweigt oder verharmlost er die Sünde der Frau. Aber Jesus zeigt nicht mit dem Finger auf die Ehebrecherin – er schreibt mit dem Finger auf die Erde. Eine ausdrucksstarke Geste, die zeigt, dass Jesus nichts Irdisches fremd ist; sie zeigt auch, dass Jesus die Frau nicht abschreibt und nicht verurteilt, trotz ihrer Sünde. Vielleicht hat er sogar provokative und ermutigende Worte geschrieben: Erbarmen, Vergebung oder Barmherzigkeit. In den Evangelien spiegelt sich diese Wesenseigenschaft Gottes in den Worten und im Tun und Handeln Jesu Christi – dieses Göttliche an und in Jesus von Nazareth sollen die Menschen damals und wir heute erkennen.
Es geht Jesus um einen „Klimawandel“ hin zu mehr geschenkter Barmherzigkeit und gelebter Solidarität mit den Menschen in Notsituationen. Er will auch andere dazu bewegen das Menschenmögliche zu tun, um Menschenleben retten. Als die Schriftgelehrten hartnäckig weiterfragen, wird Jesus deutlicher: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“ (Joh 8,7). Die Schriftgelehrten gehen in sich und gehen schließlich weg. Sie werfen ihre Steine – nicht auf die Frau und auch nicht auf Jesus – sie werfen die Steine auf die Erde. „Es geht! Gerecht und barmherzig.“ Keiner hat die Frau verurteilt. Sie denken nach. Sie ändern ihr Denken und lassen die Frau und auch Jesus am Leben. Jesus schreibt nochmals mit dem Finger auf die Erde. Eine ausdrucksstarke Geste, die zeigt, dass Jesus jeden Menschen in die Hand der Barmherzigkeit Gottes eingeschrieben hat – trotz seiner Sünde. Die Sünde bleibt. Sie bleibt zwar in dieser Begegnung mit Jesus Christus unbestraft, aber sie bleibt stehen – als Aufforderung: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr! (Joh 8,11) – oder mit den ermutigenden Worten von MISEREOR: „Es geht! Gerecht und barmherzig.“ Es geht! Mit Gottes Hilfe und mitmenschlicher Barmherzigkeit! Es geht! Wenn du es willst! AMEN.