PREDIGT 4. FASTENSONNTAG IM JAHRESKREIS (C)

2 Kor 5,17-21 + Lk 15,1-3.11-32

Das Begleitheft der diesjährigen ökumenischen Alltagsexerzitien ist ganz in Blau gehalten – der Umschlag und auch das Titelbild: alles in Blautönen. Eine in ganz in Blau gekleidete Frau springt mit ausgestreckten Armen in die Höhe, voll Freude, wie es scheint, mitten hinein in den blauen Himmel, der fast das ganze Bild einnimmt. Frei – das Motto der Alltagsexerzitien steht daneben – Freiheit und Weite, die mit der Farbe Blau verbunden ist. Blau ist wohl die beliebteste Farbe der Menschen; sie wirkt beruhigend, strahlt Ruhe und Vertrauen aus; Blau steht für Frieden und Harmonie, für Freundschaft, Zuverlässigkeit und Treue.
Blau die Farbe der Freiheit – der weite, strahlend blaue Himmel, den wir derzeit erleben, ist für viele eben diese Freiheit: Die Freiheit rauszugehen; die Freiheit, Neues anzufangen. Sicher hat sich der jüngere der beiden Söhne im heutigen Evangelium (Lk 15,1-3.11-32) danach gesehnt und gespürt, dass in seinem bisherigen Leben vieles zu eng ist. Er ist unzufrieden mit sich und seinem Leben; er fühlt sich gegenüber dem älteren Bruder benachteiligt und ungerecht behandelt; in ihm kommen Neid, Wut und Ärger hoch; sein innerer und äußerer Friede sind gestört. Jede und jeder kennt diese Gedanken und Gefühle – jede(r) kann sie mit Situationen des eigenen Lebens verbinden: in der Familie, in der Nahbarschaft im Bekanntenkreis. Der jüngere Sohn fühlt sich benachteiligt und irgendwie verloren in diesem Familiengefüge; er will raus, er will seine Freiheit – koste es, was es wolle: Er verlangt von seinem Vater den Erbteil, also die Hälfte des gesamten väterlichen Besitzes und Vermögens; dann sagt er sich von seinem Vater und Bruder los, trennt sich von ihnen, will mit ihnen nichts mehr zu tun haben – die Beziehung ist tot. Frei und zügellos genießt er sein Leben und lebt ins Blaue hinein: ständig Party – Saufen bis zum Abwinken – täglich blau – Frauen en masse. Blauäugig verprasst er das ganze Geld; scheinbare Freunde sind da, solange Geld da ist und sie eingeladen werden. Der jüngere Sohn verspielt seine Freiheit: er nutzt sein Vermögen nicht zum Guten; sein Leben wird zum Desaster; er fällt tief und tiefer und landet schließlich im Mist bei den Schweinen – dort haust er und leidet Hunger. Sein Leben war und ist ein einziger Saustall. Er fühlt sich sauelend – und er denkt nach: In seiner Verlorenheit sehnt er sich nach Hause zurück, zurück zu seinem Vater. Er bereut sein Verhalten und kehrt um: ein innerer und äußerer Weg der Umkehr in die Arme des Vaters – eine Geste mir der der nicht gerechnet hatte.
Auch der ältere Sohn bedarf der Umkehr – innerlich und äußerlich. Er ärgert sich grün und blau, ja er kocht vor Wut, dass sein Bruder es gewagt hat, zurückzukommen und dass der Vater ein Fest feiert: für ihn, der keinen Finger krumm gemacht und das ganze Geld verschleudert hat. Er erkannte und erkennt nicht, dass auch er als Älterer die Freiheit hatte, etwas aus seinem Leben zu machen – mehr als nur arbeiten: „Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein“ (Lk 15,31),
sagt der Vater zu ihm. Auch diese Freiheit muss gestaltet werden, sonst wird man unzufrieden, weil der andere immer mehr zu haben scheint. Ob der ältere Sohn das ewige Vergleichen sein lässt und umkehrt – darüber schweigt die Bibel. Das regt mich zum Nachdenken an: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit“, sagt Søren Kierkegaard, ein dänischer Philosoph und Theologe.
Genau mit diesem Vergleichen spielt die Werbung – und wir glauben das Glück erkaufen zu können. Wir werden letztlich immer unglücklicher, weil das Glück nicht im Haben besteht, sondern im Sein: im Angenommensein, im Glücklichsein und im Zufriedensein. Dazu lädt der barmherzige Vater die beiden verloren Söhne ein – ohne ein Wort des Vorwurfes und der Verärgerung. Er verspricht ihnen nicht das Blaue vom Himmel, sondern er meint es ernst. Kehrt um, kommt zu mir – die offenen Arme sind die Geste dafür. Ein Fest für das Leben will er mit beiden Söhnen feiern, ein Versöhnungsfest – ein Fest, das auch für die gemeinsame Zukunft steht: für ein gutes und friedliches Zusammenleben.
Die Erstkommunionkinder gehen in diesen Wochen vor der Erstkommu-nion in sich und erforschen ihr Gewissen; sie gehen zur Beichte und feiern ein Versöhnungsfest – wie der Vater es mit seinen beiden Söhnen geplant hat. Auf dem Beichtspiegel für die Gewissenserforschung ist der barmherzige Vater mit den offenen Armen abgedruckt – so will Gott auch uns sündige Menschen annehmen, trotz unserer Schuld und noch vor aller Leistung. Für uns Erwachsene sind die Bußgottesdienste, die Beichtgelegenheit und die Vorbereitung darauf gute Möglichkeiten sein Leben zu überdenken, umzukehren und bei Gott offene Armen und Versöhnung und Vergebung zu finden. Nutzen Sie diese Chance, frei zu werden. Finden Sie inneren und äußeren Frieden – die Farbe Blau lädt dazu ein. AMEN.