
1 Tim 6,11-16 + Lk 16,19-31
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Da kann ja jeder kommen! So sage ich oft, wenn mich eine Anfrage nervt oder wenn ich ein Anliegen nicht ernst nehmen will. Da kann ja jeder kommen! Oft urteile ich über Menschen aufgrund ihrer äußeren Erscheinung, ohne mir die Mühe zu machen, mit ihnen zu reden, und ohne sie zu fragen, was sie wirklich brauchen. Da kann ja jeder kommen! So sage ich oft, wenn ich Menschen in Not Hilfe oder Unterstüt-zung nicht zugestehen oder gewähren will. Da kann ja jeder kommen!
Da kann ja jeder kommen! Denkt sich vielleicht der reiche Prasser aus dem heutigen Evangelium. Wenn ich dem die Tür öffne, dann habe ich morgen nicht nur einen, sondern viele und bald alle Armen und Bedürftigen der Stadt. Da könnte ja jeder kommen! … Und das will ich nicht! Die Tür bleibt zu! Drinnen sorgloses Feiern – draußen sorgenvolles Leben und die bange Frage, wie Leben, ja das Überleben des heutigen Tages möglich ist. Draußen vor meiner Tür – außerhalb meiner vier Wände – außerhalb meines Denkhorizontes. Ausgegrenzt und ausgesperrt: aus den Augen aus dem Sinn – ich sehe es ja nicht und muss mich nicht damit belasten, geschweige denn darum kümmern. Ausgegrenzt und ausgesperrt: aus meinem Leben und oft auch vom Zusammenleben in der Gesellschaft.
Da kann ja jeder kommen! Oftmals entscheidet sich hinter verschlossen Türen, wer wie am Leben teilhat. Und wenn die Tür zu bleibt, dann fehlt der Blick auf die Realität, auf das wahre Leben vor der Tür – und es kommt auch niemand durch diese Tür, der von dieser Wirklichkeit „draußen“ berichtet. Verschlossene Türen sperren aus und fixieren Machtgefälle – auch im realen Leben tun sich da oft unüberwindliche Abgründe auf, über die viele nicht aus eigenen Kräften hinwegkommen.
Da kann ja jeder kommen! – aber Paulus ist nicht irgendwer. Er, der in manche Abgründe des Lebens und Glaubens geschaut hat, schreibt an Timo-theus: Lebe deinen Glauben und deine Frömmigkeit bewusst (vgl. 1 Tim 6,11f) – gut so! Aber zum Glauben gehört auch die konkrete Umsetzung und die Hinwendung zu den Menschen in Not: Glauben und Handeln gehören zusammen, denn sonst tun sich Abgründe auf! Nur Gebet, nur Gottesdienst, nur Frömmigkeit verschließt meinen Blick auf die Nöte der Mitmenschen – die ich dann ausschließe, die ich nicht sehe oder nicht sehen will. Paulus sagt zu Recht: „Gott gebührt Ehre und ewige Macht“ (1 Tim 6,16) – und mit Irenäus von Lyon können wir sagen „Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch.“ Durch den Menschen soll Gott und Gottes Herrlichkeit hindurchscheinen, auch seine Barmherzigkeit, Menschenfreundlichkeit und Liebe.
Da kann ja jeder kommen! So lautet das Jahresmotto der CARITAS und das Motto am heutigen Caritassonntag – und es ist Programm: Da kann ja jeder kommen. Caritas öffnet Türen. Das klingt einladend, offenherzig und gastfreundlich. Die CARITAS ist als katholischer Wohlfahrtsverband eine wich-tige Anlaufstelle für alle Menschen in Not; die CARITAS fragt nicht nach Herkunft, Geschlecht oder Religionszugehörigkeit; die CARITAS hilft dort, wo Menschen Hilfe brauchen – Menschen, die wie Lazarus einen Namen und ein konkretes Schicksal haben – egal warum sie in Not geraten sind: Da kann ja jeder kommen. Caritas öffnet Türen durch professionelle Hilfe der Fachdienste, Beratungsstellen und Einrichtungen der CARITAS.
Da kann ja jeder kommen. In der Welt haben die Reichen, Mächtigen und Großen einen Namen – bei Gott, der Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,16), ist das anders: Da ist der reiche Prasser namenlos anonym und könnte jedermann und jede Frau sein – der Arme, der im liebenden Blick Gottes ist, er ist namentlich genannt. Da kann ja jeder kommen. Das ist die Zusage Gottes an uns Menschen: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid“ (Mt 11,28). Bei Gott und zu kann jede(r) kommen – und das Ziel seines Kommens ist klar: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben, und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Dieses Leben in Fülle ist allen zugesagt. Gott macht da keinen Unterschied zwischen Arm und Reich, wenn ich mich für ihn öffne.
Da kann ja jeder kommen – ich auch. Es wäre zu einfach, mein Hinsehen und meine Hilfe abzuschieben und zu delegieren; mein Blick und mein Handeln ist gefragt: Da sein für die kleinen Sorgen und Nöte im Alltag meiner Mitmenschen – ja, da kann jede(r) kommen! Meine Tür steht offen, v. a. die Tür meines Herzens – das ist gelebte CARITAS, gelebte Liebe. AMEN.