
Am 8,4-7 + Lk 16,1-13 (Langfassung)
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
„Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte“ (Lk 16,8). Von diesem Menschen, der sich durch Verschlagenheit, Unzuverlässigkeit und Faulheit auszeichnet, soll ich mir eine Scheibe abschneiden? Den stellt Jesus mir als kluges Vorbild vor? Soll ich etwa auch andere betrügen und Eigentum und Geld, das mit nicht gehört, ausgeben – das wäre ja Diebstahl! Soll ich auch so handeln: Hauptsache ich habe meinen Nutzen – bin mir keiner Schuld bewusst – der Schaden, den andere haben, ist mir egal?
Sicher nicht – das hat Jesus sicher nicht gemeint. Aber worin besteht dann die Klugheit des ungerechten Verwalters, die Jesus lobt und alle Fehler und jedes Fehlverhalten unter den Tisch fallen lässt?
„Klugheit ist die Selbstorientierung in der Welt“ – so eine Definition: Wenn ich klug bin, dann finde ich mich in der Welt zurecht, dann handle ich so, wie es die Situation erfordert, dann gelingt mein Leben. Wenn also der Verwalter von Jesus als klug bezeichnet wird, muss ihm also etwas gelingen: Der Verwalter erkennt seine missliche Lage. Sie ist aussichtslos. Er wird in Kürze als Verwalter abgesetzt werden. Er könnte die letzte Gelegenheit nutzen, um Geld in die eigene Tasche zu scheffeln – ist ja egal – entlassen werde ich sowieso. Er macht es nicht – das ist klug!
Trotzdem veruntreut der Verwalter Geld – zumindest, wenn ich der Einheitsübersetzung Glauben schenke: dort ist vom „ungerechten Verwalter, der klug gehandelt hat“ (Lk 16,8) die Rede. In dieser Übersetzung wird das Verhalten des Verwalters als Fehlverhalten, als ungerecht bewertet. Im griechischen Originaltext steht jedoch: „Verwalters der Ungerechtigkeit“ (τὸν οἰκονόμον τῆς ἀδικίας). Damit ist nicht der Verwalter ungerecht, sondern das System! In der Theorie, wie sie im Buch Levitikus benannt ist, ist das klar: „Du sollst […] weder dein Geld noch deine Nahrung gegen Zins und Wucher [anderen] geben“ (Lev 25,37). In der Praxis aber wurden auf verliehene Nahrungsmittel je nach Verderblichkeit in der damaligen Zeit 20 bis 50 Prozent Zinsen erhoben! Die Schuldner konnten diese Wucherzinsen in den seltensten Fällen zahlen – sie saßen in der Schuldenfalle. Verarmung und Versklavung bedrohte die Familien. Wenn der Verwalter also diese Wucherzinsen erlässt – mehr macht er nicht – dann schadet er seinem reichen Herrn nicht, denn der erhält ja das verliehene Gut zurück. Der kluge Verwalter hilft aber den Schuldnern, nicht in noch größere Abhängigkeiten, nicht in noch mehr Schulden und noch größere Armut zu geraten – das ist klug!
Durch dieses Verhalten des Verwalters wird der „Teufelskreis der Armut“ gestoppt. Der Verwalter kämpft mit seinen Möglichkeiten gegen die Ungerechtigkeit und schafft sich so Freunde bei den Abhängigen des ungerechten Wirtschaftssystems: bei denen, die zu arm und zu schwach sind, sich selbst aus der Schuldenfalle der Armut zu befreien. Der Verwalter „kauft“ also keine Menschen, um seine eigene Haut zu retten, wenn er den Posten als Verwalter verliert. Nein, er erweist sich vielmehr als Menschenfreund und hofft auf die Menschenfreundlichkeit der anderen – das ist klug!
Die Klugheit des Verwalters hat also primär nichts mit Verschlagenheit und Unterschlagung zu tun, die der Prophet Amos zu Recht anprangerte, sondern mit menschengerechtem Handeln. Gutes und gelingendes Zusammenleben aller Menschen ist möglich: unsere Erde theoretisch kann bis zu 13 Milliarden Menschen dauerhaft ernähren, wenn wir die Nahrungsmittel gerecht verteilen würden – derzeit sind wir über acht Milliarden Menschen und eine Welt ohne Hunger ist praktisch in weiter Ferne. Notwendig im wahrsten Sinn des Wortes wäre ein Stopp von Ausbeutung und Gewinnmaximierung: zurzeit des Propheten Amos machten Betrüger den „Abfall des Getreides […] zu Geld“ (Am 8,6); heutzutage verbrennt man mancherorts Getreide lieber, als damit hungernde Menschen zu ernähren, das ist lukrativer für die eigene Tasche. Das ist eine wirtschaftliche Abhängigkeit und ethische Misere, weil Subventionen und Preispolitik das Geld über den Menschen stellt und mit der Armut eines Großteils der Menschheit Geschäfte gemacht werden. Da sind die uralten Worte des Propheten Amos erschreckend aktuell.
Liebe Schwestern und Brüder, jeder verwaltet sein Leben und waltet über das Leben anderer Menschen. Die Punkrockband Die Ärzte brachten das prophetisch ins Lied: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist; es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.“ Klugheit ist gefragt: Ich bin angefragt und mein Verhalten ist in Frage gestellt. Wie kann ich klug handeln – für mich und für meine Mitmenschen? Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist; es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.