PREDIGT 25. SO IM JK (A)

Phil 1,20a.d-24.27a + Mt 20,1-16a

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Letzten Samstag bei der Wallfahrt nach Marienweiher hatte nach dem gemeinsam gebeteten Kreuzweg der Klosterladen geöffnet. Ich bekam eine Papiertüte mit, deren Aufschrift ich erst daheim bemerkte und die mich zum Nachdenken brachte: „Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug.“ Es ist ein verkürztes Zitat von Epikur von Samos: „Wer genug hat, der hat niemals zu wenig. Wem aber genug zu wenig ist, der hat niemals genug.“
Im Gleichnis des heutigen Sonntagsevangeliums ist diese Unzufriedenheit, diese Gier nach „mehr“ deutlich zu spüren: Die Arbeiter, mit denen der Weinbergbesitzer einen Denar als Tageslohn ausgemacht hatte, sind unzufrieden – den ganzen Tag hatten sie gearbeitet und unter der Sonnenhitze geschuftet; diejenigen, die zuletzt angeworben wurden und nur eine Stunde gearbeitet hatten, erhielten einen Denar – und die anderen, die mehr geleistet hatten, erwarten entsprechend mehr. Aber auch sie bekamen nur einen Denar – völlig zu Recht, denn das war ja auch so vereinbart. Und doch macht sich bei ihnen Unzufriedenheit breit: die anderen haben einen viel höheren Stundenlohn für die gleiche Arbeit – und das ist in ihren Augen ungerecht – völlig zu Recht. Und dieses scheinbar ungerechte Verhalten des Weinbergsbesitzers soll jetzt ein Bild für das Verhalten im Reich Gottes sein – ein Reich wo Unrecht und scheinbare Willkür herrschen?
Schauen wir genau hin: Kommen die „Langarbeiter“ wirklich zu kurz? „Wer genug hat, der hat niemals zu wenig. Wem aber genug zu wenig ist, der hat niemals genug.“ Ein Denar sichert in der damaligen Zeit das Überleben einer Familie: Ein Denar ist in etwa der Lohn, der eine Familie für einen Tag ernähren konnte. Diesen Mindestlohn zum Leben brauchen auch die, die nur eine Stunde gearbeitet haben – sonst haben sie und ihre Familien keine Chance zum Leben und zum Überleben.
Im Reich Gottes soll jede und jeder leben können – mindestens überleben können. Keine und keiner soll im Reich Gottes zu kurz kommen, jede und jeder soll genug zum Leben haben. Großzügig geht Gott mit diesem Leben um – jeder und jedem ist es gegeben. Wir dürfen uns an der Großzügigkeit Gottes ein Beispiel nehmen: Wir brauchen nicht zu murren, sondern dürfen uns freuen, dass Gott sich nach unseren menschlichen Maßstäben und zu unseren Gunsten verrechnet. Gott kann nicht rechnen, sagte die Heilige Therese von Lisieux – oder: Gott rechnet an-ders – Gott sei Dank! Er rechnet mit jeder und jedem von uns! Die Münze, mit der Gott zahlt, ist an keiner Börse notiert und unterliegt keinen Kursschwankungen, denn ihr Wert ist unschätzbar und ihr Gegenwert ist unberechenbar. Die Münze, die Gott gibt, heißt Liebe, nicht Leistung – geschenkte und miteinander geteilte Liebe, die die eigenen Erwartungen zurückstellt, damit auch der/die andere gut leben kann.
„Wenn jeder gibt, was er zu viel hat…“, lautet das Motto der Caritas-Aktion in diesem Herbst. Wenn jeder gibt, was er zu viel hat, dann werden alle satt – wir haben es in der Hand, heute am Caritas-Sonntag: Ver-gelt’s Gott für Ihre Spende an die „Caritas“, deren Name ja übersetzt „Liebe“ heißt: Ubi caritas et amor, Deus ibi est – wo die Güte und die Liebe, da ist Gott und da bricht das Reich Gottes an. AMEN.