PREDIGT 2. SO IM JAHRESKREIS (C)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Stunden, in denen sich Wesentliches verändert, bleiben im Gedächtnis – sie prägen sich ein – sie prägen mein Leben: Der erste Schultag – der erste Ur-laub ohne Eltern – die Hochzeit, oder wie bei mir die Priesterweihe – der Tod des Ehepartners oder eines guten Freundes. Mit diesen Stunden gilt es zu leben. Das ist oft nicht einfach. Es braucht Zeit, um zu realisieren, was die Stunde geschlagen hat und die neue Lebenswirklichkeit zu integrieren:

– dass in der Schule Stillsitzen angesagt ist – zumindest 45 Min. bis zur Pause
– dass Ehepartner nach dem Standesamt mit dem gemeinsamen Nachnamen unterschreiben, auf den sie sich geeinigt haben
– dass ich als Priester Sakramente spenden darf, was mich in den ersten Wochen und manchmal auch heute noch herausfordert und überfordert
– dass ich ohne den verstorbenen Partner, ohne die geliebte Mutter/Vater, ohne das geliebte Kind, den guten Freund leben und diese schmerzliche Lücke aushalten muss – das dauert oft ein Jahr, oder länger…
Was die Stunde geschlagen hat, spüren auch die Brautleute im heutigen Evangelium: der Wein ist alle – kein Wein mehr da, die Krüge leer. Die leeren Krüge stehen dafür, dass auch bei bester Planung im Leben einiges schief gehen kann – diese Realität gilt es wahrzunehmen, selber und auch, wenn man nicht unmittelbar davon betroffen ist: Maria sieht die Not der leeren Krüge. Sie verschweigt sie nicht wie die vielen anderen, die sie sicherlich auch bemerkt hatten. Sie weist ihren Sohn Jesus darauf hin – in der stillen Hoffnung, dass er helfend eingreifen wird. Sie hofft auf die Wandlung, auf die Veränderung der prekären Situation…
… und sie wird bitter enttäuscht: Schroff wird sie von ihrem Sohn angefahren: „Was habe ich mit dir zu tun, Frau? Was geht’s dich an, was ich tue?“ – so die wortwörtliche Antwort Jesu (vgl. Joh 2,4). Die gute Beziehung zwi-schen Mutter und erwachsenem Kind wie gewandelt: In der Pubertät durch-leben viele Eltern derartige Reibereien, schroffe Ablehnungen und Abnabelungsprozesse der Jugendlichen – auch sie gilt es anzunehmen. Jesus weist mit seiner Antwort in die Zukunft: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (Joh 2,4): Er weist hin auf die Stunden des Abendmahls mit Eucharistie und Fußwaschung, auf seine Todesstunde am Kreuz und auf die Stunde seiner Auferstehung, dort und dann wird sich alles wandeln: Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi – der Herr in den Diener, der den Jüngern die Füße wäscht – Tod in neues, ewiges Leben. Diese Wandlung durch die Wirkmacht Gottes deutet Jesus schon bei der Hochzeit zu Kana an, wenn er einfaches Wasser in kostbaren Wein wandelt. Wir können das wissenschaftlich nicht beweisen – wir können nur glauben, wie die Jünger, die dieses erste Zeichen sehen. Sie sind wie verwandelt, ihr Leben ändert sich – ein neuer Lebenswandel: sie folgen Jesus nach.
Wasser ist Leben – es ist lebensnotwendig und stillt meinen Durst nach Leben. Die Wandlung in Wein ist für mich ein Zeichen dafür, dass mein Leben wertvoller und kostbarer wird durch den Glauben, durch Jesus Christus – dafür, dass er die leeren Krüge meiner Seele und meines Lebens neu füllen kann. Aus dem Mangel wird Fülle, ja Überfülle – Überfluss an kostb-rem und köstlichem Wein, Zeichen der Lebensfreude. Mit Jesus Christus und den Glauben an ihn habe ich schon im Hier und Jetzt Anteil daran.
Eine weitere Wandlung ist mir vor Jahren in einer Relistunde aufgegangen, die Wandlung der Diener: Beim Rollspiel der Hochzeit zu Kana im Religionsunterricht wollte niemand die Diener spielen. Somit gab es niemanden, der die Krüge mit Wasser füllte. Und so fehlte die wichtigste Voraussetzung für die Möglichkeit der Wandlung. Im anschließenden Gespräch über die „missglückte“ Szene, wurde meinen Schülern deutlich, dass nur dienende Menschen das Wunderbare erfahren, das Gott wirken kann. Dann strahlt Gott in dieser Welt auf, dann zeigt sich die Ausstrahlung Gottes in Jesus und in den Menschen, die sich verwandeln lassen, die in ihrem Dienst auf Gottes Kraft und Beistand vertrauen.
Das heutige Evangelium von der Hochzeit zu Kana macht mir Mut, mich durch die Zumutungen Gottes nicht entmutigen zu lassen, sondern mich jeder Stunde meines Lebens zu stellen – auch den Dunklen und Bitteren. Wenn ich mich ihnen demütig – d. h. mit Mut zum Dienen – stelle, darf ich auf Gottes verwandelnde Kraft in meinem Leben vertrauen. AMEN.