TRAUER UM ALOIS ALBRECHT

Er war Generalvikar unter drei Erzbischöfen
und wurde „Poet des Dombergs“ genannt

Der frühere Generalvikar des Erzbistums Bamberg, Alois Albrecht, ist tot. Er starb am Montag im Alter von 86 Jahren in Bamberg nach kurzer schwerer Krankheit. Von 1990 bis 2006 war er Generalvikar unter den Erzbischöfen Elmar Maria Kredel, Karl Braun und Ludwig Schick. Vielen Gläubigen war der Verstorbene als Texter für das „Neue Geistliche Lied“ bekannt, weshalb er auch „Poet des Dombergs“ genannt wurde. Von ihm stammen die Texte „Kleines Senfkorn Hoffnung“, „Unser Leben sei ein Fest“ und „Die Sache Jesu braucht Begeisterte“. Darüber hinaus entwickelte er Schauspiele und Szenen für Katholikentage und Diözesanfeste.
Diözesanadministrator Herwig Gössl würdigte den Verstorbenen als „überzeugten und überzeugenden Seelsorger, der durch tiefgründige spirituelle Texte die frohe Botschaft in die heutige Zeit hinein verkündet hat, stets loyal und stets interessiert bis zuletzt“.
Der damalige Erzbischof Kredel berief Albrecht 1987 ins Domkapitel. Drei Jahre später wurde er zum Generalvikar ernannt. Auch Erzbischof Karl Braun und Erzbischof Ludwig Schick bestätigten Albrecht nach den Rücktritten ihrer Vorgänger im Amt. 1996 wählte ihn das Domkapitel zum Domdekan. Papst Johannes Paul II. verlieh ihm im Jahr 2000 den seltenen Ehrentitel eines Apostolischen Protonotars.
Im schwäbischen Backnang wurde Albrecht am 16. März 1936 geboren. Im Alter von drei Jahren zog die Familie nach Bayreuth um, wo er aufwuchs. Am 19. März 1962 wurde Albrecht zum Priester geweiht. Es folgten Kaplansjahre in Höchstadt an der Aisch und in St. Bonifaz/Nürnberg, ehe Albrecht von 1965 bis 1972 als Diözesanjugendseelsorger tätig war. Im Anschluss daran war er bis 1987 Pfarrer von St. Gangolf in Bamberg und dann von St. Martin in Bamberg.
Die Erzdiözese Stettin-Cammin (Polen) würdigte ihn 1997 mit der Ernennung zum Ehrendomherrn. Mit Vollendung des 70. Lebensjahres ging Alois Albrecht 2006 in den Ruhestand. Wenige Wochen vorher wurde er für seine Verdienste in Kirche und Gesellschaft mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.
Albrecht verstand sich als Reformer und rief erst vor einem Jahr dazu auf: „Unsere kirchlichen Oberen sollten den Mut haben, Katechismus und Kirchenrecht für die heutige Zeit und Situation der Kirche weiterzudenken, weiter zu entwickeln und fruchtbar zu machen.“ Es bedürfe eines Umdenkens weg vom „weiter so“.
Eine der großen Leidenschaften des Verstorbenen war das Schreiben. Zusammen mit den Komponisten Peter Janssens, Klaus Gramß und Ludger Edelkötter prägte Albrecht als Textautor maßgeblich das „Neue Geistliche Lied“ mit.
Auch der Blick über das eigene Erzbistum hinaus war ihm stets wichtig. In seiner Eigenschaft als Generalvikar hatte der Verstorbene auch Kontakt mit Priestern aus aller Welt, die im Erzbistum Bamberg aushelfen. Er war einer der Motoren mit der seit 2007 bestehenden Bistumspartnerschaft mit Thiès im Senegal.
„Als Generalvikar und Personalchef der Priester konnte ich viele gute Entscheidungen treffen, mit 85 Prozent meiner Entscheidungen kann ich zufrieden sein“, sagte Albrecht zu seinem 85. Geburtstag rückblickend. „Es passieren in einem Leben nicht nur gute Dinge, sondern auch Sachen, in denen man scheitert, in denen man nicht zurechtkommt, das muss verkraftet und überwunden werden, oder man trägt es ständig bei sich.“

Am kommenden Donnerstag, den 24. November 2022 ist um 18 Uhr im Dom das Totengebet für den Verstorbenen.
Das Requiem im Dom mit anschließender Beisetzung auf dem Kapitelsfriedhof ist am Mittwoch, den 30. November 2022 um 14.30 Uhr.

PREDIGT 32. SONNTAG Im JK (C)

2 Makk 7,1-2.7a.9-14 + Lk 20,27-38 (LF)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Was für eine Frau! Sieben Männer hat sie überlebt. Sieben Männer sind an ihrer Seite gestorben. Kinderlos starb auch sie – ein Ehedrama, das mich traurig stimmt. Doch die Frau spielt nur den „Lockvogel“ in einem heimtückisch konstruierten Fall, um Jesus in eine Falle zu locken.
Die Sadduzäer hatten diese Falle aufgestellt, um Jesus und seine Botschaft von der Auferstehung zu Fall zu bringen; sie waren damals die führende Priestergruppe in Jerusalem und hatten die Deutungshoheit über die heilige Schrift, die Tora, die fünf Bücher Mose. Da dort von einer Auferstehung der Toten nichts zu lesen ist, lehnen sie diese ab. Den ersten biblischen Beleg für den Auferstehungsglauben aus dem Buch der Makkabäer aus den Spätschriften des Alten Testamentes – wir haben ihn vorhin in der Lesung gehört – akzeptieren sie nicht. Darüber streiten sie mit Jesus wie mit einem Gelehrten. Das Schicksal der Frau spielt dabei für sie keine Rolle.
Jesus hat die Falle erkannt und verweist auf Mose, den Garant der Tora. Er schlägt die Sadduzäer mit ihren eigenen Waffen, mit Schriftbeweisen für die Auferstehung aus dem Alten Testament: Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs – die längst gestorben sind – ist kein Gott von Toten, sondern von Lebenden (vgl. Lk 20,37f). Also muss es die Auferstehung der Toten geben – auch wenn sie jede menschliche Vorstellung davon übersteigt.
Ein Rechtsstreit; alles graue Theorie, aber: Was würde Jesus zu der Frau mit den sieben Männern sagen? Ist sie eine „Femme fatale“?
Gemäß der Tora sollte der Bruder eines kinderlos verstorbenen Mannes die Witwe seines Bruders heiraten (vgl. v.a. Dtn 25,5-6). So sollte die Frau vor dem sozialen Absturz bewahrt werden. Diese Praxis macht deutlich, dass Ehe damals vor allem eine soziale Einrichtung, eine Art „Lebensversicherung“ und keine Liebesheirat war. Erst seit der Neuzeit kommen Liebe und Ehe zusammen. Menschen zurzeit Jesu haben anders empfunden und part-nerschaftliche Liebe spielte damals nicht die Rolle, die sie heute spielt.
Mit heutigen Augen sehen wir die Frau als Opfer ihrer Zeit, weil sie nicht selbstbestimmt leben konnte, sondern immer einen Mann an ihrer Seite brauchte, um abgesichert zu sein. Viele Menschen erleben heute die Kehrseite als unfreiwillige Singles, die gerne eine Partnerin oder einen Partner fürs Leben hätten und nicht nur unverbindlichen Sex via Dating-Hotline. Wer keinen Partner oder keine Partnerin findet, oder wer eine Trennung durchleidet und allein zurückbleibt, ist oft Opfer der Liebe und Lieblosigkeit. Daher lohnt es zu fragen, was das Evangelium für uns heute bedeutet.
Jesus sagt deutlich: Nur in dieser Welt heiraten die Menschen. Die aber, die Gott für würdig hält, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, werden dann nicht mehr heiraten (vgl. Lk 20,34f). An Jesu Worten wird eines deutlich: Im Himmel braucht es keine sozialen Sicherungssysteme – irdische Absicherungen werden überflüssig.
Das neuzeitliche Verständnis einer partnerschaftlichen Ehe aus Liebe kannte Jesus noch nicht. Daher gibt er im Evangelium auch keine direkte Antwort auf die Frage, was im Himmel aus der Liebe zu einem Partner wird. Jesus gebraucht ein Bild, um das im-Himmel-Sein zu beschreiben: „den Engeln gleich“ werden sie „Kinder Gottes“ (Lk 20,36) sein.
Hier kommt das Neue der Auferstehung in den Blick: Kind Gottes zu sein, zärtlich umhüllt und erfüllt von Gottes Liebe. Wir sind es, die Gott liebt. Wir sind seine geliebten Kinder. Wir sind es, die Gottes Leben und Liebe in uns tragen, schon jetzt in diesem Leben. Manchmal scheint Gottes Liebe in unserem Leben durch – der Trausegen bei der Hochzeit fasst das in die Worte: Wo Mann und Frau in Liebe zueinander stehen und füreinander sorgen, einander ertragen und verzeihen, wird Gottes Liebe zu uns sichtbar. Wie kann da die Liebe, die ganz zum irdischen Leben gehört, im Himmel bedeutungslos und nichtig sein?
Sie wird anders sein – größer – und für alle reichen: Die Liebe Gottes wird uns alle erfüllen. So wird die Liebe, die Menschen hier auf Erden bruchstückhaft miteinander verbindet, dort zu großen verbindenden Kraft werden – in Liebe verbunden mit Gott durch Jesus Christus und in Liebe verbunden als Schwestern und Brüder untereinander. Diese Liebe ist nicht mehr an die Ehe gebunden – keine und keiner ist ausgeschlossen. Jeder ist liebenswert und liebenswürdig. Die Liebe Gottes gilt allen, auch und gerade denen, die auf Erden nicht das Liebesglück erfahren durften, dass sie sich erhofften. „Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn leben sie alle“ (Lk 20,38). AMEN.

PREDIGT 30. SONNTAG Im JK (C)

Sir 35,15b-17.20-22a + Lk 18,9-14

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Sonntag der Weltmission, was geht er uns an? Können wir nicht einfach gemeinsam Gottesdienst feiern?
Genau das tun wir als katholische Kirche am Weltmissionssonntag – wir feiern Gottesdienst und zwar ganz katholisch im wörtlichen Sinn, weltumspannend. Wir feiern Gottesdienst nicht nur als Pfarrgemeinde von XY, nicht nur als materiell reiche Kirche von Deutschland, sondern als weltweite Kirche und deshalb auch mit Christinnen und Christen in armen aber glaubensreichen Ländern dieser einen Welt. In dieser einen Weltkirche prallen sie aufeinander die Gegensätze, wie die beiden Beter im heutigen Evangelium: die reiche, selbstgenügsame uns selbstgefällige Kirche, die um sich selbst kreist, und die arme, verbeulte Kirche, die Zeichen setzt.
Dem Anschein nach ist der Kirchgänger und die Kirche, die mehr hat, als sie zum Leben braucht, die ihre schöne Fassade inszeniert und sich und ihre Frömmigkeit zur Schau stellt, die von sich Reden macht und „Erfolge“ vorweisen kann, klar begünstigt: aber macht das unseren Glauben aus? Wörtlich gesehen schon: Da geht uns der Glaube verloren, denn diese Äußerlichkeiten bewirken nicht ein mehr an Glauben – im Gegenteil sie bewirken ein weniger an Glaubwürdigkeit. Da nützen alles Geld, aller frommer Aktionismus und alle Selbstgerechtigkeit nichts. Auf das Herz kommt es an, darauf sich an die eigene Brust zu schlagen und sich ein Herz zu nehmen, eigene Grenzen und Fehler zu erkennen und von Herzen das Mögliche zu tun.
Der Sonntag der Weltmission 2022 steht unter dem Motto: „Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8). Wer ist dieses „ihr“, von dem der Auferstandene spricht? Ordensleute, Priester, Bischöfe? Die anderen, ich jedenfalls nicht? Die Jüngerinnen und Jünger, letztlich alle, die mit Heiligem Geist getauft wurden, sind angesprochen, denn wenige Verse vor dem diesjährigen Weltmissionssonntags-Motto heißt es: „Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft wer-den. […] Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,5.8).
Wir alle sind vom Auferstandenen beauftragt und gesendet – als Männer und Frauen sind wir die Apostel von heute. Wir alle haben die Mission durch die je eigenen Talente und Fähigkeiten den Glauben zu leben und zu verkünden. Jede Christin und jeder Christ ist eine Mission, aber nicht auf sich allein gestellt: Die Bezeugung des Evangeliums ist weder ein Einzelauftrag noch eine Einzelleistung, sondern Aufgabe und Auftrag für die ganze Gemeinschaft – nicht nur hier vor Ort, sondern weltweit und damit katholisch. Jede(r) soll auf seine/ihr Weise mit Herz, Mund und Hand Zeugnis von Jesus Christus geben und seine/ihre Berufung und den Glauben leben.
Vor 200 Jahren gründete die junge Pauline Jaricot, eine Laiin aus Lyon – sie wurde am 22. Mai 2022 seliggesprochen –, das „Werk der Glaubensverbreitung“. Sie erkannte die Notwendigkeit, alle „Missionen“, wie man damals sagte, zu unterstützen. Heute sind es die Ortskirchen weltweit, die im Aufbau sind und unsere Hilfe brauchen. Mit einem einfachen und genialen System machte sie das Engagement für die Weltkirche allen Bevölkerungsschichten zugänglich und verständlich. Es brauche nicht viel: „Täglich ein Gebet und wöchentlich einen Sou, eine kleine Münze“. Letztlich brauche es ein Herz für Gott und die Menschen. Dies war die Geburtsstunde von MISSIO.
Braucht nicht gerade unsere Zeit einfache und authentische Zeug(inn)en der Frohbotschaft, statt selbstgefälliger Redenschwinger? Was bedeutet es für mich, Zeugin oder Zeuge der Frohbotschaft Jesu zu sein? Wie bin ich Zeugin oder Zeuge bis an die Grenzen der Welt bzw. meiner Lebenswelt?
Rede und Antwort zu stehen von dem, was mich im Innersten erfüllt, mitzuteilen, was mich an Jesus und am Evangelium fasziniert, was meine Hoffnung ist und wo mich der Glaube trägt, wofür mein Herz schlägt (vgl. 1 Petr 3,15). Einfach und echt soll ich vor Gott und vor anderen sein – das ist das beste Zeugnis meines Glaubens: „Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8). Gefragt und gesucht sind Zeugen – Frauen und Männer, die überzeugen, weil sie überzeugt sind von dem, was sie sagen und was sie glauben.
Gefragt und gesucht sind Zeugen – Menschen, die das ausstrahlen und verkörpern, wovon sie von Herzen reden, die einfach glaubwürdig sind.
Gefragt und gesucht sind Zeugen – konkrete Personen, die Zeugnis geben vom dreifaltigen Gott, an dem wir durch die eine Taufe Anteil haben:
Zeugnis von Gott, der zu uns steht; der uns auffängt, wenn wir fallen;
Zeugnis von Jesus Christus, der uns nahe ist im Wort und Sakrament;
Zeugnis von Gottes Geist, der uns belebt, damit wir handeln.
„Ihr werdet meine Zeugen sein“ – gefragt und gesucht sind Sie und ich – gefragt und gesucht sind wir alle. AMEN.

PREDIGT 29. SONNTAG Im JK (C)

Ex 17,8-13 + Lk 18,1-8

Liebe Schwestern und Brüder!
An vielen Häusern und auf vielen Dächern sind sie zu finden: Satellitenschüsseln. Diese flach gewölbten Schüsseln sind so an den Häusern angebracht, dass sie gut die Satellitensignale aus dem All auffangen und bündeln können. Fernsehprogramme gelangen so in unsere Wohnzimmer. Früher, als die Technik noch nicht soweit war, gab es Antennen auf jedem Haus. Die ausgebreiteten Metallarme der Antenne fingen Funk- und Fernsehsignale auf. Menschen können im übertragenen Sinn „ihre Antennen ausfahren“, um feinfühlig, aufmerksam und gespannt stumme Signale und die ausgesandten Botschaften anderer Menschen aufzufangen und zu deuten.
In der heutigen Lesung (Ex 17,8-13) hat Mose seine „Antennen“ ausgefahren. Er erhebt die Hände zum Gebet. Er benutzt dabei die alte Gebetshaltung, die Orantenhaltung, die auch der Priester bei jedem Gebet in der Messfeier einnimmt: mit ausgebreiteten Händen – mit offenen Armen. Mit dieser Haltung ist Mose eine Art „Antenne“. Er öffnet sich im Gebet für Gott und ist offen für die Signale Gottes. Diese offenen Arme sind ein Bild des Vertrauens in Gott und eine stumme Bitte an Gott: Allmächtiger Gott, tu du das deine, das, was in deiner Macht steht.
Mose hat allen Grund zum Gebet. Die Israeliten wurden von Amalek angegriffen – ein aussichtsloser Kampf; übermächtig schienen Amaleks Männer. Moses Gebet führt zum Sieg: solange Mose die Arme zum Gebet erhebt, sind die Israeliten siegreich. Gewiss, die Vorstellung von Gott als streitbarer Kämpfer, ja als Kriegsgott, ist für uns heute befremdlich gerade in Zeiten von Putins Krieg und des Gebets des Oberhauptes der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill, zu Putins Geburtstag. Befürwortet Gott den Krieg? Hat er Interesse an der Tötung von Menschen?
Mose hat an JAHWE geglaubt und um den Glauben an ihn gerungen – die kriegerische Auseinandersetzung ist somit letztlich ein Kampf um das Festhalten an Gott und die Bitte um seinen Beistand: Allmächtiger Gott, tu du das deine, das was in deiner Macht steht. Steh uns bei mit deiner Kraft.
Die erfahrene Kraft Gottes im und aus dem Gebet ist entscheidend – dafür lohnt es sich die „Antennen“ auszufahren. Einen Kampf gewinnt man durch Stärke: durchhalten, Mitstreiter haben und mit Gott in Verbindung zu bleiben. Als Mose beim Beten müde und schwach wird und die Arme erschöpft sinken lässt, stützten und unterstützen ihn andere – eine unterstützte Gebetsgemeinschaft. Nicht Waffengewalt und Heeresstärke sichern das Überleben des Volkes Gottes, sondern das Aufrechterhalten des Gebets und das Festhalten am Glauben an den rettenden Gott. Sein Name JAHWE ist Programm: Er bedeutet „Ich bin der Ich-bin-da“ (Ex 3,14; EÜ1980). Ich bin da in jeder Not.
Eine Not unserer Tage: das Gebet ist für viele Menschen nebensächlich geworden auf dem „Kampfplatz des Lebens“. Viele sagen: „Beten bringt mir nichts! Das ist doch nur unnütze Zeitverschwendung!“ Oder: „Ich pfeif auf Gott und kämpfe für mich selber!“ Sicher: „Erfolge“ des Gebets sieht man nicht immer gleich. Oft braucht es Zeit, ja eine gewisse Hartnäckigkeit im Beten und Bitten (vgl. Lk 18,1-8), bis ein gangbarer Weg sichtbar wird.
Blicken wir aufs Kreuz und auf den Gekreuzigten: mit ausgebreiteten Armen wurde Jesus aufs Kreuz gelegt – mit ausgebreiteten Armen hängt er am Kreuz. Es ist die Gebetshaltung, in der Jesus auf dem Kreuz festgenagelt ist. Jesus gibt nicht auf: auch in der tiefsten Ausweglosigkeit des Kreuzes und der durchlittenen Ohnmacht des Gekreuzigten betet er. Jesus ruft seine Verzweiflung hinaus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34 und Mt 27,46). In diesem Klagegebet der erlebten Gottesferne und des gescheiterten Lebenskampfes klingt auch der erfahrene Beistand Gottes an: „Ich war immer mit dir im Gebet verbunden und du warst bei mir und hast mir geholfen. – Wo bist du jetzt?“ Jesus vertraut und hofft trotz allem in seinem letzten Gebet auf das rettende Eingreifen Gottes, wenn er die Worte spricht: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist?“ (Lk 23,46). Die Gebete Jesu und die Verbundenheit mit Gott führen nicht an Kreuz und Tod vorbei, sondern sie führen durch Kreuz und Grab hindurch zur Auferstehung und zum ewigen Leben.
Beharrliches Gebet Glaube auch angesichts von scheinbar ausweglosen Situationen und Kreuzwegen meines Lebens, dazu bin ich herausgefordert – das erfordert viel Mut. Wir sind eingeladen einander dabei zu stützen und zu unterstützen im Gebet miteinander und füreinander. Im Gebet verbunden mit Gott und untereinander, wächst jeder und jedem und uns allen die Kraft zu, die wir zum Leben, zum Aushalten des Leidens und zum Helfen brauchen – und vielleicht auch die Kraft zu beten: „dein Wille geschehe.“ AMEN.

PREDIGT 28. SONNTAG Im JK (C)

2 Kön 5,14-17 + Lk 17,11-19 (Apfel)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Ich habe Euch/Ihnen heute was zur Kerwa/zum Gottesdienst mitgebracht: einen Apfel. So ein Apfel lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen beim Gedanken an einen leckeren Apfelstrudel mit Vanillesoße. Viele schon verführte ein knackig-saftiger Apfel: zum Reinbeißen lecker. Adam und Eva ließen sich von einer köstlichen Frucht verführen – ein trügerischer Genuss, der für Adam und Eva letztendlich nicht ohne Folgen blieb. Wir sind vorsichtiger geworden. Wir schauen vorher nach, ob im Apfel „der Wurm“ drin ist. Schon bei der Apfelernte werden heruntergefallene und angeschlagene Äpfel gleich aussortiert. Von ihnen droht Ansteckungsgefahr, denn sie faulen schnell – für eine Lagerung mitten unter „gesunden“ Äpfeln ist da kein Platz. Und doch sagt so ein makellos schön anzusehender Apfel noch nichts über seine inneren Werte, über seinen Geschmack, die Konsistenz des Fruchtkörpers oder über seinen Vitamingehalt. Wir sehen einem Apfel nicht an, was in ihm steckt. Ob er teigig, mehlig oder saftig ist, das merken wir erst beim Essen. Und häufig schneiden wir dabei noch das Wertvollste weg, die Vitamine, von denen die meisten direkt unter der Schale sitzen. Sie sitzen dort, wo wir sie am wenigsten vermuten: ganz außen, in der Grenzregion des Apfels, abgegrenzt vom Kerngehäuse.
In der Grenzregion zwischen Galiläa und Samarien hält sich Jesus auf (vgl. Lk 17,11): Er ist als Grenzgänger unterwegs, weitab vom galiläischen Kernland. Im Grenzgebiet grenzen sich Menschen voneinander ab und werden ausgegrenzt: in den Augen der Juden, die im Zentrum, in Galiläa leben, sind Samariter keine Kinder Israels. In ihren Augen sind sie schlechte Menschen, die Gott falsch anbeten und falsche Meinungen vertreten. Grenzwertige Feindbilder werden stilisiert und über Generationen vererbt: statt Einheit und Integration, ablehnende Abgrenzung und Isolation.
Jesus geht an diese Grenze und trifft zehn Aussätzige. Sie sind durch Lepra und andere Hautkrankheiten entstellt und daher von der Gesellschaft und vom Gottesdienst ausgegrenzt. Ein Leben lang isoliert ohne mitmenschlichen Kontakt halten die Ausgegrenzten Abstand – mehr als 1,5 Meter. Aus sicherer Entfernung betteln sie Vorbeikommende an: Habt Erbarmen mit uns! (vgl. Lk 17,13) Vorbeikommende haben sicher schnell ein Geldstück hingeworfen und das Weite gesucht: Nur schnell weg von ihnen, um eine Ansteckung um jeden Preis zu verhindern. Das wollte keiner: Aussätzig sein, lebenslang ausgegrenzt, ohne Zugehörigkeit zur guten Gesellschaft.
Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns! (Lk 17,13) Als Jesus sie sieht, sucht er nicht das Weite, er ruft sie vielmehr zur Umkehr auf: Geht, zeigt euch den Priestern! (Lk 17,14) Im Vertrauen auf Jesus gehen die Bittsteller – und im Umkehren werden sie rein, werden sie von ihrer oberflächlichen Hautkrankheit geheilt. Die Priester als Gesundheitskontrolleure, als Wächter der kultischen Reinheit und über den Tempelkult, können dies nur bestätigen.
Nur einer der Geheilten kehrt zu Jesus um, um Gott zu danken. Bitten und betteln konnten sie alle, aber danken? Danken ist keine Selbstverständlichkeit. Danken ist ein Zeichen menschlicher Reife. Wer „Danke“ sagt, bekennt, dass es einen gibt, dem er etwas verdankt – letztlich ist es Gott, der in und durch Jesus wirkt. „Gott sei Dank“ sagt ausgerechnet ein (in den Augen der Juden) Andersgläubiger, ein Samariter; er ist der dankbare Samariter. Er ist nicht nur oberflächlich wieder gesellschaftsfähig geworden, sondern auch innerlich geheilt, versöhnt mit Gott, den er dafür lobt und dankt.
Gut aussehen und gut dastehen. Darauf kommt es vielen an in einer Gesellschaft, die aufs Äußere und Oberflächliche bedacht ist. Nörgeln und kritisieren, andere ausgrenzen und schlechtreden, gehört heutzutage (auch in der Kirche) für viele Menschen zum scheinbar guten Ton, nur um selbst gut dazustehen. Bitten und betteln kann jede(r) von uns, aber danken?
Wir feiern heute erneut Erntedank – als Dank für menschliche Reife. Angesichts der Vielfalt an Menschen, kann jede(r) dankbar sein für alle Mitmenschen, statt vorschnell auszusortieren und auszugrenzen – eine Gemeinde die offen ist, für alle, die da sind, das ist Kirche im Sinne Jesu. Er war da für alle Menschen. Jesus lädt mich ein zur Umkehr: zur Abkehr von aller Oberflächlichkeit und zur Hinwendung zu den Mitmenschen und zu Gott. So können wir menschlich reifen und „Danke“ sagen. Und vielleicht entdecken wir bei der Suche nach Dankenswertem wertvolle Menschen und Begegnungen gerade dort, wo wir es nie vermutet hätten – wie beim Apfel, bei dem die wertvollen Vitamine direkt unter der Schale sitzen. AMEN.

PREDIGT 27. SONNTAG Im JK (C)

2 Tim 1,6-8.13-14 + Lk 17,5-10

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Können Sie sehen, was ich in der Hand habe (? Es ist sogar so klein, das ich es zwischen den Fingern halten kann.  Meine Finger sind zu groß und der Gegenstand zu klein. Es ist ein kleines Senfkorn – auch ein Korn, das geerntet wurde wie vieles andere auch, wofür wir heute an Erntedank Gott loben. Wir sind dankbar, dass aus kleinen Samenkörnern – gehegt von Gärtnerinnen und Landwirten – große Pflanzen geworden sind und dass eine gute Ernte gereift ist. Trotz des heißen und trockenen Sommers ist vieles gewachsen – manches verkümmert oder verdorrt. Gott sei Dank – Erntedank!
Im zweiten Brief schreibt Paulus seinem engen Mitarbeiter Timotheus vom „anvertrauten kostbaren Gut“ (2 Tim 1,14), das uns Menschen in die Hand gegeben ist. Bezogen auf das heutige Erntedank-Fest können wir die „Erde und alles, was auf ihr wächst“ als dieses kostbare Gut ansehen, für das der Mensch verantwortlich ist (vgl. Gen 1,28-29 bzw. Gen 2,15): behüten, beschützen und bebauen soll der Mensch die Erde – soll seinen Nutzen daraus ziehen, aber die Erde und ihre Ressourcen nicht ausnutzen, sondern so gebrauchen, das Lebensräume erhalten werden und auch zukünftige Generationen auf der Erde gut leben können. Uns ist die Erde übergeben – Gott sei Dank! Als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Schöpfers haben wir die Verantwortung für das zerbrechliche Ökosystem unserer Erde, für den Pflanzen- und Artenreichtum. Die aktuelle Klimakrise zeigt, dass wir schon Jahrzehnte lang die Erde immer mehr ausbeuten, um auf unsere Kosten zu kommen: immer mehr für einzelne Personen und Firmen, Staaten und Kontinente – und die Bewältigung der Klimakrise wird uns einiges kosten. „Wir müssten bescheidener werden“ – dazu mahnte schon Papst Franziskus in der Enzyklika Laudato si und das „das Notwendige zu teilen, damit Not gewendet wird“ (vgl. u.a. LS 52 und v.a. LS 203-221). Gott sei Dank – Erntedank – damit auch andere etwas davon haben und nicht mehr wie in Deutschland mehr als 65 kg Lebensmittel pro Person jährlich in die Tonne wandern!
Das „anvertraute kostbaren Gut“ (2 Tim 1,14), von dem Paulus schreibt, ist der Glaube, der uns als „kostbare Gut“ wie ein Samenkorn in die Hand gegeben ist. Klein ist er, aber voller Entfaltungskraft. Der Glaube kann wachsen, wenn wir ihn wie ein Samenkorn aufgehen, wachsen und reifen lassen – wir können viel tun, dass der Glaubenssame aufgeht und wächst: Beten, in der Bibel lesen und darüber sprechen, den Gottesdienst besuchen, an deren helfen, in den Familien den Glauben vorleben und als etwas Positives, Halt gebendes, Tragendes und Tröstendes erlebbar werden lassen. Aber es liegt nicht alles liegt in unserer Hand. Es gilt nicht zu verzagen, sondern auf Gottes „Geist der Kraft, der Liebe
und der Besonnenheit“ (2 Tim 1,7) zu bauen. Er ist der Nährstoff, den ich als „Pflänzchen“ brauche, damit mein Glauben gut wachsen kann.
„Alles kann, wer glaubt“ (Mk 9,23) bzw. „Glaube versetzt Berge“, so sagt Jesus – im heutigen Evangelium soll ein winzig kleiner Glaube sogar einen fest verwurzelten „Maulbeerbaum“ (Lk 17,6) versetzen können. Also mir ist das beim Kirschbaum in meinem Garten bisher nicht gelungen. Ob ich zu wenig glaube?
Ich glaube nicht – wenn ich auf das vergangene Jahr zurückblicke, konnte ich auch da Einiges ernten, Früchte des Glaubens nämlich: Liebe und Freude, Geduld – auch wenn mir das oft schwer fällt, Freundlichkeit und Güte, gelingende Beziehung und Partnerschaft, Treue und Wahrhaftigkeit und noch andere mehr. Schauen Sie doch mal in einer ruhigen Minute im Garten ihres Lebens nach, was es bei Ihnen auf dem Feld des Glaubens (neben so manchem Unkraut) vielleicht besser oder ganz anders gewachsen ist, als anfangs gedacht, was es an Gutem und Nützlichem zu ernten gab und seien Sie dankbar dafür. Gott sei Dank – Erntedank!
Ich glaube, Jesus will uns mit dem Senfkorn-kleinen Glauben sagen, dass es gar nicht so viel braucht, damit etwas Wunderbares entstehen kann, dass mit Glauben und Glaubenskraft in der Kraft des Heiligen Geistes Unmögliches möglich werden kann, so wie es der folgende Satz sagt, der Franz von Assisi zugeschrieben wird: „Tue zuerst das Notwendige, dann das Mögliche und plötzlich schaffst du das Unmögliche.“ AMEN.

PREDIGT 26. SONNTAG Im JK (C)

Am 6,1a.4-7 + Lk 16,19-31

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
„Es war einmal“ – diese drei Worte zu Beginn eines Textes machen klar, dass es sich um ein Märchen handelt. Das heutige Evangelium (Lk 16,19-31) beginnt mit diesen Worten Jesu: „Es war einmal“ (Lk 16,19). Es ist alles andere als ein Märchen, erst recht nicht aus „längst vergangenen Tagen“ (vgl. das vorangestellte „In jener Zeit“), sondern bittere Realität auch heute: die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf. Arme werden immer ärmer, Reiche immer reicher – das belegt der aktuelle Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung von 20211, ein Bericht, der alle vier Jahre erhoben wird. Corona hat die soziale Ungleichheit noch verstärkt und die Energie- und Klimakrise werden diesen Trend weiter verstärken. Die Kluft zwischen Armen und Reichen wächst in Deutschland.
Ein namenloser Reicher und ein Armer namens Lazarus stehen einander gegenüber; zwischen ihnen ein scheinbar unüberwindlicher Abgrund:
Zu Lebzeiten wollte sich der Reiche nicht zum Armen herablassen und nichts mit ihm zu tun haben – die Tür seines Hauses und seines Herzens blieb zu und Lazarus damit außen vor – der Hunger wurde nicht gestillt und die Geschwüre nicht medizinisch versorgt – ausgeschlossen und weggesperrt, damit er das Fest und die Sichtweise des Reichen ja nicht störe.
Nach dem Leben wieder ein Abgrund: der einstmals Reiche ist jetzt arm dran und außen vor, während Lazarus in Abrahams Schoß geborgen ist. Ausgleichende Gerechtigkeit – so könnte man sagen, wenn auch reichlich spät, nämlich nach dem Tod – zu Lebzeiten hat Lazarus nichts davon.
Was heißt „arm sein“ in Deutschland – heute? Gelten nur Menschen als arm, die kein Dach über dem Kopf haben, Pfandflaschen sammeln oder von staatlicher Unterstützung leben? Oder sind auch Menschen von Armut betroffen, die zwar einen Vollzeitjob haben, aber wie viele alleinerziehende Frauen vom Lohn oder der niedrigen Rente nicht leben können? In Deutschland ist das genau definiert: Von Armut gefährdet ist, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Nettolohns erhält – 1176 € waren das im Jahr 2021. Reich ist, wer monatlich mehr als 3900 € netto bezieht.
Auf welcher Seite stehe ich? Ich persönlich kann sagen, dass ich mittendrin stehe, zugegeben schon mehr auf Seiten der „Reichen“: Ich habe eine Wohnung und leide keinen Hunger; ich bin gesund und, sollte ich einmal krank werden, bin ich gut versichert sowie ärztlich und medizinisch gut versorgt. Ich habe auch das Lebensende bedacht und fürs Alter vorgesorgt. Die Gegenüberstellung des reichen Prassers und des armen Lazarus im Evangelium erschrecken mich Wohlhabenden, fordern mich und meinen Wohlstand heraus und machen mich nachdenklich: Bedenke das Ende! Ja,
ich lebe hier in in Deutschland; habe ein gutes Ein- und Auskommen – aber ich kann auch als „Reicher“ arm sein: arm an sozialen Kontakten und echten Freunden, die nicht nur wegen meines Geldes da sind. Ich könnte vieles anders machen als der reiche Prasser im Evangelium: Ich könnte mein Herz für Notleidende und in Armut Lebende öffnen und barmherzig sein. Ob ich es schaffe, mich zu überwinden, um den breiten Abgrund zu überwinden?
Es gab und gibt viele Menschen, Verbände und Organisationen, die Not nicht ausblenden, sondern hinsehen und handeln, um diese Kluft kleiner zu machen oder im Idealfall den Abgrund ganz zu überwinden – die Caritas gehört seit 125 Jahren unbestritten dazu; auch die vielen Frauen und Männer, die sich haupt- und ehrenamtlich caritativ engagieren und mit Armen, Alten, Kranken und Bedürftigen ein Stück ihres Lebens teilen. Das machen wir gemeinsam – Leben nämlich: zusammen leben, so bringt es das Leitwort der Caritas-Woche auf den Punkt. Das machen wir gemeinsam – in gegenseitiger Wertschätzung, gelebter Solidarität und ausgleichender Gerechtigkeit, statt neue Abgründe aufzutun und bestehende Gräben in der Gesellschaft zu vertiefen. Das ist kein Märchen, sondern kann Wirklichkeit werden: Wenn wir gemeinsam mit Herz und Hand und durch Engagement, Hilfe und Spenden die Abgründe unserer Zeit zu überwinden suchen, die Armut vor unser Haustür und den Hunger weltweit, dann geht es vielen Menschen besser – schon in diesem Leben. „Das machen wir gemeinsam“: Not sehen und hoffentlich handeln – nicht nur am Caritas-Sonntag. AMEN.

  1. Die folgenden Aussagen und Analysen sind einem Kommentar zu diesem Armuts- und Reich-tumsbericht entnommen vgl. https://www.dw.com/de/wachsende-kluft-zwischen-arm-und-reich-in-deutschland/a-57506792 | DW | 13.05.2021. Zitate sind nicht explizit markiert.

PREDIGT 25. SONNTAG Im JK (C)

Am 8,4-7 + Lk 16,1-13

Jedermann!

Bekleidet mit einem Netz, in dem funkelnde Goldstücke hängen betritt er die Bühne der Salzburger Festspiele und umgarnt die Hauptperson, den Jedermann. Die Glitzergestalt des Mammons ist verlockend – sie wirft ihr Netz der Habgier nach Jedermann aus. Jedermann geht ihr ins Netz und vergisst dabei seine wahren Freunde und seine Verantwortung.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!

Das Mysterienspiel, aus dem diese Szene stammt, trägt den Namen Jedermann. Jeder Mann und jede Frau kann den Fängen der Habgier erliegen:
– Menschen und Konzerne, die immer mehr haben wollen, die raffen und sich die Taschen vollmachen – Übergewinnsteuer zahlen wollen sie nicht.
– Menschen, die über ihre Verhältnisse leben, die bei rasant steigenden Preisen mehr ausgeben als sie haben und so in die Schuldenfalle geraten.
– Menschen, die sich in ihrer Gier durch Geldgeschenke oder anderen Luxus bestechen lassen und anderen dafür einen „kleinen Gefallen“ tun.
– Menschen, die riskante Geldgeschäfte betreiben oder in die eigene Tasche wirtschaften, ohne Rücksicht auf Verluste – es zählt allein das ICH.
Wo bleibt da die Solidarität von jedermann mit den Armen, Schwachen und Menschen ohne Ausbildung, mit denen die sich nicht wehren können, deren Lage durch Ausbeutung und Unrechtsstrukturen immer prekärer wird?
Jedermann, so könnte auch der namenlose Verwalter im heutigen Evangelium (Lk 16,1-13) heißen. Er veruntreut fremdes Geld; denkt nur an sich: an sein Auskommen, an sein prall gefülltes Konto – mitnehmen, was geht, solange es keiner merkt. Doch er und seine Machenschaften fliegen auf: Leg Rechenschaft ab über deine Verwaltung (Lk 16,2). Um sich zu retten, verschenkt er Geld, Geld, das ihm nicht gehört. Bei den Schuldnern will er sich für den Fall seines Rauswurfs beliebt machen – wieder geht es ihm nur um seinen Vorteil: Nimm den Schuldschein und schreib (vgl. Lk 16,6) – einen geringeren Betrag darauf, sagt er den Schuldnern. Eigentlich müsste der Geldeigentümer noch wütender auf seinen Verwalter sein, weil dieser noch mehr finanziellen Schaden anrichtet. Doch er lobt den Verwalter – nicht wegen der Veruntreuung des Geldes, sondern weil dieser mit dem Geld etwas Sinnvolles gemacht hat: Teilweiser Schuldenerlass, damit Menschen in existentieller Not leben, ja überleben können. Teilen mit Gewinn, damit jeder etwas davon hat. Der Eigentümer hat so die Entwicklung der Mitmenschen ermöglicht und die Chance, einen Teil des Geldes wieder zu sehen.
Nimm und schreib – fordert der Verwalter. Noch deutlicher: Nimm, lies und schreib! Für uns eine einfache Aufforderung, denn Lesen und Schreiben hat in Deutschland jedermann gelernt. Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung, diese Forderung der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ist in Westeuropa nahezu umgesetzt. Weltweit kann aber nur schätzungsweise ein Drittel der 10-Jährigen eine einfache geschriebene Geschichte lesen und verstehen – vor der Pandemie war das „nur“ 50% der 10-Jährigen – so das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF im September 2022.
Blicken wir heute am Partnerschaftssonntag bewusst in unsere Partnerdiözese nach Thiès im afrikanischen Senegal: Auch dort ist der Schulbesuch nicht selbstverständlich wie bei uns. Viele Kinder können weder lesen noch schreiben. Mädchen sind häufig vom Zugang zu Bildung ausgeschlossen. Oft fehlt auch Geld, um sich einen Schulbesuch leisten zu können – und wenn, dann dürfen nur die erstgeborenen Kinder oder die Jungen die Schule besuchen. Dabei ist Bildung der Schlüssel zu guter Entwicklung, zur Eindämmung von Krankheiten und zur Überwindung von Hunger und Armut. Durch eine gute Ausbildung könnten die vielen Kinder und Jugendlichen im Senegal gut leben und ihr Land innovativ voranbringen.
Die Partnerschaft zwischen den Diözesen Thiès und Bamberg fördert diese Entwicklung: Katholische Schulen im Senegal werden unterstützt und der Zugang zu Bildung erleichtert – die Aktion Schulgeld ist ein Beitrag dazu. Schüler*innen werden durch Patenschaften gefördert. So heißt es in Anlehnung an das Evangelium: Ich helfe dir, nimm dein Schulheft und schreib!
Schülerpatenschaften sind niemals einseitig: Durch die Aktion Schulgeld wird ein gegenseitiger Lernprozess angestoßen. Der Austausch durch Briefe ermöglicht Beziehung: Nimm, lies und schreib zurück! Gegenseitiges Kennenlernen erweitert den eigenen Lebenshorizont, nicht zuletzt durch gegenseitige Besuche – ich habe das während meiner viereinhalb Monate in Thiès erlebt. Die Aktion Schulgeld ist daher kein rausgeschmissenes Geld, sondern eine sinnvolle Investition in eine gute Zukunft für beide Seiten: Freundschaft, Herzensbildung und ein mehr an Gerechtigkeit. Die Bistumspartnerschaft – eine Herausforderung für jedermann. AMEN.

PREDIGT 24. SONNTAG Im JK (C)

Ex 32,7-11.13-14 + Lk 15,1-10 (Kurzfassung)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
40 Tage und Nächte ist Mose auf dem auf dem Berg Sinai (vgl. Ex 24,18) – eine idealisierte Zeitspanne mit einer tieferen Aussage: Die „40“ symbolisiert in der Bibel oft einen Neuanfang, einen Durchbruch zur Fülle des Lebens – einen Aufbruch, den Gott schenkt. Jahwe, der „ich bin der, ich bin da“, hatte das Leid seines Volks in der Sklaverei in Ägypten gesehen und es gerettet – der Zug in die Freiheit durchs gespaltene Meer. Jahwe, der „ich bin der, ich bin da“, führt sein Volk durch die Wüste – 40 Jahre lang: eine idealisierte Zeit des Durchbruchs zum Leben in Fülle im „gelobten Land“, wo „Milch und Honig“ fließen sollen (vgl. Ex 3,8.17). Während dieser Wüstenzeit ist Mose 40 Tage und Nächte auf dem Berg Sinai und damit Gott näher. Er empfängt u.a. die 10 Gebote (vgl. Ex 20,2-17; 34,28). Gott sorgt sich um die Beziehung des Volkes zum ihm, seinem Gott, und um das Zusammenleben untereinander – deshalb die Gebote zu gelingendem Leben.
40 Tage und Nächte – eine lange Zeit. Weil Mose, der die Israeliten im Namen Gottes in die Freiheit geführt hatte, so lange wegbleibt, wird das Volk unruhig und fordert von Aaron: „Jetzt mache du uns ein Gottesbild, das uns vorangeht; wer weiß, was mit diesem Mose, der uns aus Ägypten herausgeholt hat, passiert ist“ (Ex 32,1). Die Israeliten brauchen ein Götterbild, ein Gegenüber, das sie sehen, begreifen und anbeten können. Aaron, der Bruder des Mose, gießt aus dem Goldschmuck der Israeliten das „goldene Kalb“ – und die Israeliten beten es „als ihren Gott“ an.
Der rettende Gott, Jahwe, der „ich bin der, ich bin da“, ist erzürnt, dass die Israeliten sich von ihm, dem Retter, abgewandt haben und ein „goldenes Kalb“ anbeten und diesem mehr vertrauen als ihm. Wie schnell haben die Israeliten das rettende Eingreifen Jahwes vergessen…
Ich schaue auf mein Leben – ich blicke zurück und gehe in mich:
Wo und wie habe ich Gottes rettendes Eingreifen erfahren?
War und bin ich dankbar dafür? Habe ich mich von Gott abgewandt?
Wer sind meine Götter?
Das Geld, das immer weniger wert ist? Der Wohlstand, der bröckelt? Ruhm und Erfolg, die vergänglich sind? Woran hänge ich mein Herz?
Woran mein Herz hängt, das ist mein Gott. Wer ist mein Gott?
In der Lesung erleben wir Jahwe, den „ich bin der, ich bin da“, als zornigen Gott. Dieser Zorn Gottes will die Israeliten nicht vernichten, sondern erneut in die Freiheit führen. Sie sollen nicht scheinbaren Rettern nachlaufen, sondern Gott vertrauen und sich auf ihn verlassen. Die Israeliten sollen erkennen, dass sie Jahwe nicht egal sind, sondern dass Gott etwas an ihnen liegt, dass sie ihr Leben durch seine Gebote in Frieden und Freiheit gestalten können; sie sollen spüren, dass Gott es gut mit ihnen meint.
Der Evangelist Lukas zeigt uns im Sonntagsevangelium (Lk 15,1-10) in großartigen Gleichnissen, wie Gott ist. Jesus gibt darin eine bildhafte
Antwort, warum besonders Zöllnern und Sündern seine Zuhörer sind, warum er sie nicht abweist, ja sogar mit ihnen isst (vgl. Lk 15,1-2). Jesus will wie Gott „den Verlorenen“ nahe sein, ihnen so eine neue Lebens-perspektive schenken. Nicht nur Menschen, denen es gut geht, zählen – bei Gott zählen auch die Verlorenen, die am Rand sind, die sonst niemand sieht. Diese „Verlorenen“ verdienen Wertschätzung. Jesus sucht und findet sie, ja spricht sie an durch seine aufrichtenden Worte und durch sein wohlwollendes und fürsorgliches Handeln.
Gott, Jesus und Menschen, die ihm folgen, sind wie ein guter Hirt und wie eine fegende Frau. Der gute Hirt lässt 99 Schafe zurück – sie brauchen seine Hilfe und sein zupackendes Dasein jetzt nicht. Er geht dorthin, wo er jetzt nötig ist. Er ist nah dran an den Sorgen und Nöten der Menschen. Die fegende Frau sucht ihr verlorenes Geldstück. Sie scheut keine Mühe und lässt nichts unversucht: Licht anzünden, um besser zu sehen; ausfegen, um wieder freie Sicht zu haben; suchen in den hintersten Ecken – Papst Fran-ziskus würde sagen: hingehen an die Ränder der Gesellschaft – das Wert-volle dort suchen und finden: „Verlorene“ Menschen, die sich aus welchen Gründen auch immer von anderen abgewandt haben, verloren gingen oder aus der „guten Gesellschaft“ ausgeschlossen wurden. Die „Verlorenen“ su-chen, weil auch sie zählen, weil auch sie wertvoll und wichtig sind, weil auch sie eine Würde haben, weil auch sie zur Gemeinschaft gehören, weil ohne sie etwas fehlt: Freude nämlich – nicht nur im Himmel, sondern auch hier auf Erden – und Leben in seiner ganzen Vielfalt und Fülle. AMEN.

PREDIGT 23. SONNTAG Im JK (C)

Phlm 9b-10.12-17 + Lk 14,25-33

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Am 5. September 1997 starb Mutter Teresa, also vor knapp 25 Jahren. Bereits sechs Jahre später, am 19. Oktober 2003 wurde sie selig- und genau heute, am 4. September, vor sechs Jahren heiliggesprochen. Ich erinnere mich noch gut daran, weil ich an der Seligsprechung in Rom teilgenommen habe und mein Theologiestudium in Bamberg mit einem Tag Verspätung anfing – aber rückblickend kann ich sagen, ich habe von Mutter Teresa mehr gelernt als an diesem ersten verpassten Studientag.
Mutter Teresa ist als Mutter der Armen und Friedensnobelpreisträgerin weltweit bekannt. Schon als sie in Skopje/Albanien zur Schule ging, wollte sie Missionsschwester werden. Im Alter von 18 Jahren verließ sie ihre Familie und trat bei den Loretoschwestern ein und wurde als Lehrerin nach Kalkutta in Indien gesandt. Sie unterrichtete dort Töchter aus gutem Haus, reiche Mädchen. Mit 38 verließ sie die Schwesterngemeinschaft, um in ihrem Orden außerhalb der Klausur mitten in der Welt ihrer eigentlichen Berufung nachzugehen, die wesentlich mit dem Kreuz und dem Gekreuzigten zusammenhängt: Jesu Ruf am Kreuz „Mich dürstet!“ (Joh 19,28), ein Ausdruck der Sehnsucht Gottes nach dem Menschen, hat Mutter Teresa bewegt, Jesus Christus in den Ärmsten der Armen zu dienen – aus Liebe und nicht aus Berechnung, auf Augenhöhe und nicht von oben herab. In einen weißen Sari mit blauem Rand gekleidet, wie er für die niedrigste Kaste in Indien üblich ist, lebte sie in einem der schlimmsten Elendsviertel von Kalkutta, um dort das Leben der Armen zu teilen: „Zu sagen ‚ich liebe‘ genügt nicht. Liebe muss lebendige Tat werden.“ Mutter Teresa überzeugt durch ihr glaubhaftes Leben und ihren gelebten Glauben. Schon nach kurzer Zeit schlossen sich ihr Frauen an und bildeten die Gemeinschaft „Missionarinnen der Nächstenliebe“. Papst Johannes Paul II. nannte sie in der Predigt anlässlich ihrer Seligsprechung „Ikone des barmherzigen Samariters“ – Mutter Teresa hat gehandelt wie er: Sie hat in den Ärmsten der Armen den leidenden Christus erkannt, IHM hat sie gedient und IHM hat sie mit ihren Händen geholfen, hat Wunden der Kranken versorgt und Sterbende gepflegt. Sie hat institutionelle Hilfe organisiert, hat Heime für Findelkinder und Sterbehäuser für todgeweihte Obdachlose errichtet, wie der barmherzige Samariter, der den Zerschlagenen in einer Herberge unterbrachte.
Am Handeln von Mutter Teresa zeigt sich die Radikalität der Nachfolge besonders auch im „Verzicht auf Besitz“ (vgl. Lk 14,33) – das stört uns heute radikal: Wir wollen oft immer mehr haben und werden dadurch doch immer ärmer in unseren Beziehungen und in unserer Zeit füreinander. Wir wollen gern in der Mitte stehen, groß rauskommen, vorne dran sein und sind dabei weit weg von den Menschen, die uns brauchen. An die Ränder gehen – an die Ränder der menschlichen Existenz, wo das Leben an den
Rand gedrängt ist, wo kaum Platz fürs Überleben ist, wo der Schrei „Mich dürstet“ meist ungehört verhallt: in Elendsvierteln und sozialen Brennpunkten, in Hospizen und Altenheimen. Dort bei den Einsamen und Obdachlosen, bei den Verhungernden, unheilbar Kranken, und Sterbenden – dort fand Mutter Teresa den leidenden Christus. Sie sah und verehrte die Gegenwart Jesu Christi in den Ärmsten genauso wie in der Eucharistie.
An die Ränder gehen, dieser Zugang und Weg der Nachfolge Jesu war Mutter Teresa wichtig und ist auch ein Zentralgedanke von Papst Franziskus: „Wo die Ärmsten der Armen sind, dorthin müssen wir als Kir-che!“ Schwester Andrea, die erste ausländische Novizin, die 1959 zu Mutter Teresa nach Kalkutta kam, sagt über Mutter Teresa: „Sie […] hat uns beigebracht, unsere Aufgaben als die letzten Kreuzwegstationen zu sehen: So müsst ihr immer handeln, sagte sie, wenn ihr auch nicht wisst, was ihr tun könnt – Maria wusste es auch nicht, sie war ihrem Sohn begegnet auf dem Kreuzweg und sie war so hilflos, aber sie war dort! Und so müssen wir auch da sein, einfach da sein.“ (Gespräch mit Radio Vatikan). Im Blick auf das heutige Evangelium (Lk 14,25-33) lässt sich dieser Gedanke weiterführen: das Kreuz annehmen – das eigene und vor allem das der anderen. Mit diesen Menschen leiden wie die weinenden Frauen, das Kreuz zupackend tragen helfen wie Simon von Cyrene und liebend-trostvoll da zu sein wie Veronika. Compassion mit diesem Wort lässt sich der Dienst von Mutter Teresa in der Nachfolge Jesu Christi zusam-menfassen: compassion – mitleiden, mitleben, mitlieben. AMEN.
Zum Nachdenken

Ein amerikanischer Journalist sagte einmal zu Mutter Teresa: „Was Sie machen, würde ich nicht für eine Million Dollar machen.“
Ihre Antwort lautete: „Ich auch nicht.“

Ein amerikanischer Journalist fragte einmal Mutter Teresa, was sich in der Kirche ändern müsse.
Ihre Antwort lautete: „Sie und ich.“