11/9/23

PREDIGT ALLERHEILIGEN (A)

Offb 7,2-4.9-14 + Mt 5,1-12a

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche! All Hallows‘ Eve, der Abend vor Allerheiligen, von dieser Bezeichnung ist Halloween abgeleitet, gehört untrennbar zum heutigen Hochfest dazu – wie der Heiligabend zu Weihnachten. Das Fest Allerheiligen gibt es in der katholischen Kirche seit dem 8. Jahrhundert. Christinnen und Christen gedenken der vielen bekannten heiligen Frauen und Männer und auch der vielen namenlosen Heiligen, die nur Gott kennt – Menschen, die ganz unauffällig mitten unter uns gelebt haben. Viele denken bei Halloween an gruselige, furchteinflößende verkleideten Gestalten und sind solchen vielleicht auch gestern begegnet. Allerheiligen und Halloween – wie geht das zusammen?
Die Wurzeln von Halloween liegen im Unklaren, im Dunkeln; allen Hypothesen gemeinsam sind Verbindungen zu außerchristlichen Totenfesten – es geht um die Sterblichkeit und Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. Alle Religionen suchen Antworten auf diese existentiellen Fragen – auch das Christentum. Halloween, der Vorabend von Allerheiligen, wurde besonders in katholisch gebliebenen Gebieten in Großbritannien und in Irland gefeiert. Einer Sage gemäß lebte dort der Bösewicht Jack Oldfield. Er überlistete den Teufel und kam nicht in den Himmel, aber auch nicht in die Hölle, sondern lebte weiter auf Erden – erinnert mich an den Brandner Kaspar. Für seinen Weg durch die Dunkelheit auf Erden und zur Abwehr der bösen Geister bekam Jack Oldfield ein Licht in einer Rübe, einer Art Kürbis ….
Und was hat das jetzt mit dem katholischen Hochfest Allerheiligen und dem darauffolgenden Allerseelentag zu tun? Ich finde sehr viel!
Mit irischen Auswanderern kam Halloween in die USA und von dort als zum Gruselfest mutierter Re-Import zurück. Ob man an böse Geister glaubt oder nicht, eines ist klar: Das Böse in der Welt ist nicht wegzuleugnen – es ist existent! Wenn Menschen ihre Häuser gruselig schmücken, machen sie das sichtbar, und wenn sie verkleidet umherziehen, bekennen sie letztendlich: Das Böse spukt mitten unter uns – Unrecht und Unfriede, Armut und Hunger, die nicht sein müssten, Lieblosigkeit, Hass, Neid und Streit, Terror, Gewalt und Trauer (vgl. Mt 5,3-10) – wirklich zum Fürchten. Unsere Welt und auch wir sind erlösungsbedürftig. Wir brauchen „Licht“ für unse-ren Weg durch diese als düster und beängstigend wahrgenommene Zeit – viele Jugendliche haben Zukunftsängste, ergab kürzlich eine Umfrage.
Wir brauchen „Licht“ für unseren Weg – „Licht“, welches uns vom heutigen Hochfest Allerheiligen leuchtet: Es ist das Licht der Hoffnung, Licht, das vom auferstandenen Christus kommt. ER scheint hinein in die Erlösungsbedürftigkeit unseres Lebens und unserer Zeit. Auch die Lich-ter auf den Gräbern unserer Verstorbenen, derer wir beim Besuch der Friedhöfe gedenken, sind Lichter dieser österlichen Hoffnung.
Die Heiligen sind schon im Licht bei Jesus Christus. Sie haben durch ihr vorbildliches Leben aus dem Glauben wegweisendes Licht für andere Menschen verbreitet. Jesus Christus war ihr Licht auch im Leben. Sie selbst waren wie eine Glasscheibe, durch die Jesus Christus, die Mensch gewordene Liebe Gottes, hineinleuchtetet in diese Welt – durchsichtig auf Gott hin. Das Leben der Heiligen war „besiegelt“ (vgl. Offb 7,2-4) – sie gehörten zu Jesus Christus. Sie waren besiegelt durch die Taufe – hineingetauft in Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi. Berufen zu einem Leben aus dem Glauben, zu einem Leben, das mit dem Tod nicht endet, sondern hinüberführt zum ewigen Leben – zum Licht und zur Freude in Jesus Christus.
Die Heiligen waren Sünder, nicht alles war makellos – wie auch bei uns und unseren Verstorbenen. Sie waren und wir sind erlösungsbedürftig. Wir brauchen keine Angst zu haben – die hat uns leider über Jahrhunderte die Kirche mit dem Fegefeuer gemacht. Auch hier will ich „Licht“ ins Dunkel bringen: Das Fegefeuer ist kein Ort der Strafe, sondern ein Ort der Hoffnung; ein Ort, der in der Begegnung mit Christus himmelfähig macht, wo das Schlechte, Sündhafte und Böse weggebrannt wird wie mit einem Desinfektionsmittel bei einer Wunde/Verletzung: Es brennt zwar, aber es dient der Heilwerdung und Heil(ig)ung – oder mit den Worten der Lesung: „sie haben ihre [düsteren und gruseligen] Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht“ (Offb 7,14). Das Strahlen des Allerheiligenfestes, die Leuchtkraft der Heiligen und das österliche Licht des Auferstandenen weisen uns und den Weg zum Ziel: zum Leben in Jesus Christus. AMEN.

10/30/23

PREDIGT 30. SO IM JK (A)

Ex 22,20-26 + Mt 22,34-40

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Wann waren Sie das letzte Mal so richtig verliebt? Keine Angst, Sie müssen das jetzt nicht vor allen aussprechen – aber Sie dürfen die Frage für sich beantworten: Wann waren Sie das letzte Mal so richtig verliebt?
Diesem Verliebt-Sein und dieser Liebe nachzuspüren war Ziel meiner Exerzitien: die Liebe zu Gott, zu Jesus Christus wiederzuentdecken, neu zu entfachen, zu vertiefen, wieder dieses Verliebt-Sein spüren. Liebe verändert mich, macht mich stärker, froher und glücklicher, weil ich mich angenommen und geliebt weiß, so wie ich bin – und die Liebe verändert mich, macht mich stärker, froher und glücklicher, weil ich liebe, diese Liebe erwidere und weiterschenke aus ganzem Herzen.
Kann ich mich in Gott verlieben, kann ich Gott lieben, geht das überhaupt? Gott lieben, ist wie einen anderen Menschen zu lieben: Ich will den geliebten Menschen treffen, suche immer wieder Gelegenheiten, mit ihr/ihr zusammen zu sein, will mit ihr/ihm reden, will Nähe spüren. Gott lieben und meine Beziehung mit ihm zu pflegen, IHN suchen, finden und erleben kann ich im Gottesdienst, im privaten Gebet und auch in der Natur, in der Meditation des Wortes Gottes, wenn ich mein Herz seiner Stimme öffne – dann höre ich in der Stille Gottes Melodie, die in mir anklingt: sanfte Orgelmelodie Diese Melodie Gottes in meinem Leben erklingt in Moll oder Dur – und hat auch mit meiner Stimmung und Gestimmtheit zu tun. Oftmals sind es Dreiklänge – Harmonien und Disharmonien – die diese Melodien ausmachen. harmonischen und disharmonischen Dreiklängen der Orgel zuhören. Diese verschiedenen Dreiklänge – die Musik spricht von Harmonielehre – sind auch Ausdruck meiner Beziehungen, in denen ich lebe und liebe: Da gibt es Harmonien und Dissonanzen. Jesus lässt diesen Dreiklang der Liebe heute im Evangelium anklingen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. [… Und:] Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mt 22,37-39). Der Dreiklang, den Jesus mir ans Herz legt, damit er dort Anklang findet, besteht aus den Tönen: Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe. Auf den richtigen Ton kommt es an, den Ton, den ich im Leben und in der Liebe anschlage: Ist ein Ton zu laut, dann übertönet er die anderen beiden – ist ein Ton zu leise, gerät der Dreiklang der Liebe in Schieflage oder klingt unvollkommen, weil ein Ton zu fehlen scheint: Liebe ich meinen Nächsten, meinen Mitmenschen, mehr als mich selbst, kann es sein, dass ich selbst zu kurz komme – ich gönne mir nicht ausreichend Zeit für mich und meine Bedürfnisse oder zur Entfaltung meiner Fähigkeiten und Talente. Liebe ich den anderen weniger als mich selbst, laufe ich Gefahr, egoistisch zu werden und selbstverliebt nur noch an mich zu denken. Wenn die Liebe zu Gott in meinen Leben fehlt, wenn ich das Gespür verliere oder verloren habe, dass
ich von Gott angenommen und geliebt bin, wenn ich immer weniger mit Gott rede, oder nur dann, wenn ich IHN dringend brauche und ER mir helfen soll, dann klingt und geht das schief – oder: Reden Sie mit dem geliebten Menschen, dem Partner/der Partnerin nur, wenn Sie etwas brauchen? Wenn die Liebe zu Gott in meinem Leben immer weniger Anklang findet oder ganz verstummt, verzerrt es in der Konsequenz auch den Klang meiner Nächsten- und Selbstliebe. Umgekehrt klingt meine Liebe zu Gott schräg und dissonant, wenn ich mich selbst (mit meinen guten Seiten, aber auch mit meinen Fehlern und Schwächen) nicht annehmen und lieben kann, oder aber meine Mitmenschen vergesse. Der Dreiklang von Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe klingt dann harmonisch, wenn ich alle drei Töne gleichzeitig und gleich laut erklingen lasse; und wenn Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe nicht in Konkurrenz zueinanderstehen, sondern sich ergänzen, einander fördern und unterstützen – ja, wie eine Symphonie, gut zusammenklingen. Ich weiß, nicht immer gelingt mir das – täglich muss ich mich um einen harmonischen Zusammenklang der Töne in meinem Leben bemühen, damit eine Melodie der Liebe daraus wird: der Liebe zu Gott, der Liebe zu den Mitmenschen und der Liebe zu mir selbst. Auch wenn es scheinbar „nur“ das Zusammenspiel dreier Töne ist, gibt es verschiedene Spielarten, Tonlagen, Rhythmen, Melodien. Als liebender Mensch habe ich eine unendliche Vielfalt diese Liebe – und die ist viel mehr als „nur“ Verliebt-Sein – in mir und durch mich zum Klingen zu bringen. AMEN.

10/9/23

PREDIGT 25. SO IM JK (A)

Phil 1,20a.d-24.27a + Mt 20,1-16a

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Letzten Samstag bei der Wallfahrt nach Marienweiher hatte nach dem gemeinsam gebeteten Kreuzweg der Klosterladen geöffnet. Ich bekam eine Papiertüte mit, deren Aufschrift ich erst daheim bemerkte und die mich zum Nachdenken brachte: „Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug.“ Es ist ein verkürztes Zitat von Epikur von Samos: „Wer genug hat, der hat niemals zu wenig. Wem aber genug zu wenig ist, der hat niemals genug.“
Im Gleichnis des heutigen Sonntagsevangeliums ist diese Unzufriedenheit, diese Gier nach „mehr“ deutlich zu spüren: Die Arbeiter, mit denen der Weinbergbesitzer einen Denar als Tageslohn ausgemacht hatte, sind unzufrieden – den ganzen Tag hatten sie gearbeitet und unter der Sonnenhitze geschuftet; diejenigen, die zuletzt angeworben wurden und nur eine Stunde gearbeitet hatten, erhielten einen Denar – und die anderen, die mehr geleistet hatten, erwarten entsprechend mehr. Aber auch sie bekamen nur einen Denar – völlig zu Recht, denn das war ja auch so vereinbart. Und doch macht sich bei ihnen Unzufriedenheit breit: die anderen haben einen viel höheren Stundenlohn für die gleiche Arbeit – und das ist in ihren Augen ungerecht – völlig zu Recht. Und dieses scheinbar ungerechte Verhalten des Weinbergsbesitzers soll jetzt ein Bild für das Verhalten im Reich Gottes sein – ein Reich wo Unrecht und scheinbare Willkür herrschen?
Schauen wir genau hin: Kommen die „Langarbeiter“ wirklich zu kurz? „Wer genug hat, der hat niemals zu wenig. Wem aber genug zu wenig ist, der hat niemals genug.“ Ein Denar sichert in der damaligen Zeit das Überleben einer Familie: Ein Denar ist in etwa der Lohn, der eine Familie für einen Tag ernähren konnte. Diesen Mindestlohn zum Leben brauchen auch die, die nur eine Stunde gearbeitet haben – sonst haben sie und ihre Familien keine Chance zum Leben und zum Überleben.
Im Reich Gottes soll jede und jeder leben können – mindestens überleben können. Keine und keiner soll im Reich Gottes zu kurz kommen, jede und jeder soll genug zum Leben haben. Großzügig geht Gott mit diesem Leben um – jeder und jedem ist es gegeben. Wir dürfen uns an der Großzügigkeit Gottes ein Beispiel nehmen: Wir brauchen nicht zu murren, sondern dürfen uns freuen, dass Gott sich nach unseren menschlichen Maßstäben und zu unseren Gunsten verrechnet. Gott kann nicht rechnen, sagte die Heilige Therese von Lisieux – oder: Gott rechnet an-ders – Gott sei Dank! Er rechnet mit jeder und jedem von uns! Die Münze, mit der Gott zahlt, ist an keiner Börse notiert und unterliegt keinen Kursschwankungen, denn ihr Wert ist unschätzbar und ihr Gegenwert ist unberechenbar. Die Münze, die Gott gibt, heißt Liebe, nicht Leistung – geschenkte und miteinander geteilte Liebe, die die eigenen Erwartungen zurückstellt, damit auch der/die andere gut leben kann.
„Wenn jeder gibt, was er zu viel hat…“, lautet das Motto der Caritas-Aktion in diesem Herbst. Wenn jeder gibt, was er zu viel hat, dann werden alle satt – wir haben es in der Hand, heute am Caritas-Sonntag: Ver-gelt’s Gott für Ihre Spende an die „Caritas“, deren Name ja übersetzt „Liebe“ heißt: Ubi caritas et amor, Deus ibi est – wo die Güte und die Liebe, da ist Gott und da bricht das Reich Gottes an. AMEN.

10/9/23

PREDIGT 24. SO IM JK (A)

Sir 27,30-28,7 + Mt 18,21-35

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
„Die Rechnung, bitte!“ Am Ende eines Gasthausbesuches wird mir vom Wirt bzw. von seinen Angestellten „die Rechnung“ präsentiert: Schwarz auf Weiß ist dort aufgelistet, was ich gegessen und getrunken habe und wieviel ich dem Wirt dafür schuldig bin.
„Denk an das Ende!“, mahnt der alttestamentliche Weisheitslehrer Jesus Sirach: Er rechnet mit der Vergeltung guter wie negativer Taten und falls diese im gegenwärtigen Leben nicht eintritt mit der Belohnung bzw. Bestrafung durch Gott als oberste „Gerechtigkeitsinstanz“. Jede (Un-)Tat hat Folgen. Es liegt in der Hand jedes Menschen, wie er/sie mit anderen umgeht und wie es ihm/ihr ergeht: Eine Untat heimzahlen und gnadenlos abrechnen, oder den Tun-Ergehen-Zusammenhang durchbrechen. Was ist angemessen? Wann ist das Maß voll? Vergebungsbereitschaft muss doch Grenzen haben, denn sonst bin ich schnell der/die Dumme, wenn ich immer nachgebe und verzeihe – und mache Taten wie z.B. (Macht-)Missbrauch sind unentschuldbar und unverzeihlich.
Petrus zieht die Grenze großzügig, aber auch berechnend: Bis zu siebenmal will er Mitmenschen vergeben, die ihn verletzt, ihm geschadet oder nicht geholfen haben – bis zu siebenmal, dann reicht’s. Petrus will mit dieser Bemessung vor Jesus glänzen und Vorbild in Sachen Vergebung sein. Petrus aber hat sich verrechnet, denn Jesus setzt ein anderes Maß: „Bis zu siebzigmal siebenmal“, also bis zu 490-mal soll man(n) und frau vergeben und damit eigentlich immer! Kann Jesus mit Petrus und mit mir rechnen, dass wir uns so verhalten?
„Der/die muss mir vergeben“, sagt sich leicht. Wenn ich aber selbst in der Rolle dessen bin, der/die vergeben soll, tue ich mich mit versöhnlichen Worten und Gesten schwer – da messe ich oft (wie der Diener im Evangelium) mit zweierlei Maß: Großzügigkeit, ja unermessliche Nachsicht für mich und mein Verschulden – Unerbittlichkeit und gnadenlose Härte gegenüber anderen. So gerate ich in Schuld oder bleibe meinen Mitmenschen viel schuldig: Wertschätzung und Respekt, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, Mitmenschlichkeit und notwendige Hilfe.
„Die Rechnung, bitte!“ Gottes Güte als Maßstab für unser Leben? Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern, beten wir im Vaterunser. Wenn wir diese Bitte ernst nehmen; wenn sie das Maß unseres Zusammenlebens ist; wenn nicht nur Gott uns gegenüber, sondern auch wir Menschen untereinander, sie in die Tat umsetzen, dann bricht der Himmel schon hier auf Erden an. Dann haben wir die Rechnung nicht ohne „den Wirt“, nicht ohne Gott gemacht, sondern mit IHM und wie ER gerechnet – alles andere wäre vermessen. AMEN.

veröffentlicht von Dr. Dieter G. Jung als Impuls zum Sonntagsevangelium im Heinrichsblatt – Ausgabe vom 17. Sept. 2023

10/9/23

PREDIGT 23. SO IM JK (A)

Röm 13,8-10 + Mt 18,15-20

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Wenn nach dem Essen die Teller in einem Lokal abgeräumt werden, fragt die Bedienung oder der Ober in der Regel: „Hat’s gepasst?“ „War’s recht so?“ oder „Hat es Ihnen geschmeckt?“ – Kürzlich stellte mir ein Kellner keine dieser Fragen, sondern sagte Folgendes: „Wenn es Ihnen geschmeckt hat, sagen Sie es gerne Ihren Freunden und Bekannten weiter! Wenn es Ihnen nicht geschmeckt hat, sagen Sie es mir!“
„Wenn es Ihnen geschmeckt hat, sagen Sie es gerne Ihren Freunden und Bekannten weiter! Wenn es Ihnen nicht geschmeckt hat, sagen Sie es mir!“ Eine gute und sinnvolle Verhaltensregel: das Gute und Positive weitersagen als Werbung für die Gastwirtschaft und das Negative unter vier Augen mit der Bedienung und ggf. dem Koch oder dem Wirt zu besprechen, damit die/der eine Chance hat, es beim nächsten Mal besser zu machen.
„Wenn es Ihnen geschmeckt hat, sagen Sie es gerne Ihren Freunden und Bekannten weiter! Wenn es Ihnen nicht geschmeckt hat, sagen Sie es mir!“ Hand aufs Herz: Oft machen wir alle es doch umgekehrt. Das Positive nehme ich oft ganz selbstverständlich hin ohne einen Dank, ohne ein Lob oder ein gutes Wort, aber das Schlechte erzähle ich nur allzu gern und genüsslich überall herum. Wie gern schimpfe ich über andere, über die scheinbar missratenen Kinder, die nervigen Nachbarn, den uneinsichtigen Chef, die unfähigen Kollegen… oder auch über Gastwirte. Es ist eben viel leichter über jemanden zu lästern als mit jemandem zu reden.
Auch wenn es den Jüngern und auch uns schwer fällt, empfiehlt uns Jesus ein anderes Vorgehen: Miteinander reden, statt hinter dem Rücken übereinander: „Wenn dein Bruder [bzw. deine Schwester] gegen dich sündig, dann geh und weise ihn [bzw. sie] unter vier Augen zurecht“ (Mt 18,15). Auf den anderen zugehen, ihn/sie beiseite nehmen, ihn/sie nicht vor anderen bloßstellen und abkanzeln, sondern miteinander auf Augenhöhe über die Sache reden, und sie, wenn möglich, im wertschätzenden Zwiegespräch aus der Welt zu schaffen. Diese correctio fraterna, die mitbrüderliche bzw. geschwisterliche Zurechtweisung, ist ein guter Weg, mit dem Fehlverhalten Mitmenschen umzugehen. Es ist kein Vertuschen, sondern ein liebevoll Ermahnen in vertrauensvoller Privatatmosphäre, die dem, der falsch gehandelt hat, die Möglichkeit lässt, das Fehlverhalten auf Zukunft hin zu korrigieren und – wenn möglich – den entstandenen Schaden wieder gut zu machen. Gegebenenfalls soll ich in einem zweiten Gespräch weitere vertrauensvolle Gesprächspartner hinzuziehen, um dieses Ziel zu erreichen – ein Gesprächsprozess, oftmals ein Ringen, der mir auch einiges abverlangt und sicher schwerer ist, als über andere zu lästern. Wenn ich nicht mit meinen Mitmenschen rede, sondern über sie, dann lasse ich sie außen vor, dann gebe ich ihnen keine Chance auf meine Worte und Vorwürfe zu antworten. Auch auf die Art meiner Rede und meines
Tuns kommt es an, darauf weist Paulus im Brief an die Gemeinde in Rom hin (vgl. Röm 13,8-10): Liebe sind wir einander schuldig und – bei aller Kritik – auch einen liebe- und respektvollen Umgang miteinander. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Statt vorschnell und lieblos zu verurteilen und von der Gemeinschaft auszuschließen und exkommunizieren rät Jesus, immer wieder das Gespräch zu suchen. Jedes Fehlverhalten eines/einer Einzeln schädigt zunächst das/die Opfer, aber auch die Gemeinschaft, die christliche Gemeinde als Ganze – miteinander reden ist der Weg, um zueinander zu finden und Fehler zur korrigieren. Erst, wenn alles Reden nichts nützt, soll ich in die Öffentlichkeit gehen und Fehler publik machen und aufdecken. Dieses Ringen um eine gute Lösung, das Ringen im Gespräch, die mitmenschliche Ermahnung, soll nicht zur Spaltung der Gemeinde/Gemeinschaft führen, sondern die Einheit erhalten. Ringen um die richtigen Worte, Worte, die den Menschen dienen – das ist Seelsorge von Mensch zu Mensch. Der/die Einzelne und die Gemeinde – und nicht Petrus allein wie vor zwei Wochen im Sonntagsevangelium (vgl. Mt 16,19) – binden und lösen: „Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ (Mt 18,18). Es geht um Gemeinschaft beim Lösen von Problemen, beim Lösen von Schuld und auch beim Gebet: Gemeinschaft „in Gottes Namen“ (Mt 18,19), mit Jesus und untereinander, die einander annimmt trotz Sünde und Schuld, miteinander darüber redet und verzeiht – wie Gott uns verzeiht und vergibt. Wenn ihnen diese Worte Jesu und meine Auslegung dazu „geschmeckt hat, sagen Sie es gerne Ihren Freunden und Bekannten weiter! Wenn nicht, sagen Sie es mir!“ AMEN.

08/1/23

PREDIGT 17. SO IM JK (A)

1 Kön 3,5.7-12 + Mt 13,44-52 (LF)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Wenn der Bräutigam der gestrigen Hochzeit das heutige Evangelium vorab gelesen hätte, hätte er es einfacher gehabt: Er sollte zehn Kosenamen für die Braut finden. „Meine Perle“, „mein Schatz“, Sprachbilder, die auch Jesus in seinen Gleichnissen verwendet. Es geht darum auszusprechen, was und wie Beziehung ist – zwischenmenschlich und zwischen Gott und den Menschen. Kostbar und wertvoll sind diese Beziehungen. Sie sind bewusst gesucht, wie im Gleichnis vom Perlensucher oder eher Zufallsfund, wie beim Schatz im Acker, auf den der Bauer bei der alltäglichen Arbeit, beim Umgraben des Feldes, stößt und die Überraschung seines Lebens erlebt.
Und doch geht es immer um Beziehung – nicht um die Beziehung zu Geld und Gut, nicht um die Liebe zum Reichtum, nicht um die Gier nach „mein Schatz“ – um mit Gollum aus Tolkiens „Herr der Ringe“ zu sprechen. Nein, es geht um „himmlische“ Beziehungen, um das Reich Gottes und um Personen, die von diesem Himmel erfüllt und deshalb wertvoll sind: „Ich habe einen Schatz gefunden, und der trägt deinen Namen, so wunderschön und wertvoll und mit keinem Geld der Welt zu bezahlen. […] Du bist das Beste was mir je passiert ist, es tut so gut, wie du mich liebst. Ich sag’s dir viel zu selten, es ist schön, dass es dich gibt.“ Die Band Silbermond hat dieses Lied vor einigen Jahren gesungen – ein Liebeslied, das dem „Schatz“, dem geliebten Menschen, gewidmet ist, der eben mehr ist als die „Perle“, die kostenlos den Haushalt macht, mehr als ein geköderter Liebhaber, der wie ein Fisch ins Netz gegangen, begutachtet, benutzt und ausgenommen und dann schließlich doch weggeworfen wird – nein, es geht um Liebe, die sich schenkt, um Liebe die einander wertschätzt, um Liebe, die ein Stück vom Himmel auf Erden ist.
Das Gleichnis vom „Schatz im Acker“ und von der „wertvollen Perle“ lassen diese Deutung zu, wenn ich „Schatz“ und „Perle“ im übertragenen Sinn als „wertvolle Person“ verstehe. Vielfach wurden und werden dieses Gleichnisse auf Jesus Christus gedeutet: ER ist der verborgene Schatz und die kostbare Perle, die sehnsuchtsvoll gesucht und gefunden werden wollen. ER, Jesus Christus ist „das Beste“, was mir passieren kann; viele Christuslieder thematisieren diesen Gedanken: „Mein schönste Zier und Kleinod bist auf Erden du, Herr Jesu Christ“ (GOTTESLOB 361 / Str. 1) oder „Du meine Perl, du werte Kron, wahr‘ Gottes und Marien Sohn, ein König hochgeboren“ und auch vom „leuchtend[en] Kleinod“ und vom „edle[n] Stein“ ist Rede (GOTTESLOB 357 / Str. 2+3) – für IHN, Jesus Christus, soll ich alles aufgeben, um IHN zu besitzen. Ich brauche dafür ein weises Herz, um zu unterscheiden und mich für IHN zu entscheiden zu können.
Für viele Menschen ist es heutzutage schwierig, sich auf Jesus Christus einzulassen: Die Suche nach IHM kostet mich einiges an Zeit und Mühe – wenn ich IHM ins Netz gehe, dann ist es aus mit meiner Freiheit…, so denken sie, weil sie das Netz als Einschränkung und damit negativ bewerten. Es ist keine einseitige Suche, Jesus Christus sucht auch mich, und sucht mich für das Himmelreich zu gewinnen – und das ist durchweg etwas Positives. ER „fischt“ nach mir – das zeigt, dass ich IHM wertvoll und wichtig bin. Und das Netz der himmlischen Gemeinschaft trägt mich: durch die Vernetzung bin ich gehalten und falle nicht einfach durch. Eine Prüfung auf Brauchbarkeit – auch davon war im Netz-Gleichnis Jesu die Rede. Aber ich glaube daran, dass es eine Prüfung mit dem Blick der Barmherzigkeit ist, die das Gute in mir sucht, sieht und für gut befindet.
Das Himmelreich ist wertvoll für mich – und ich soll ein Teil davon sein. Beim Evangelisten Matthäus meint Himmelreich nicht den Himmel am Ende der Zeit, sondern das Wirken Gottes im Hier und Jetzt. Dieses Himmelreich, dieses Wirken Gottes in meinem Leben, kann ich mir nicht erwerben oder verdienen – es wird mir geschenkt. Aber mein Handeln und Verhalten ist nicht belanglos – da brauche ich ein weises Herz, um das zu erkennen, dass das Himmelreich in mir anbricht, dass ich ein „wertvoller Schatz“ und nicht nur umgebende Erde bin, dass ich eine besondere „Perle“ oder ein „guter Fisch“ bin. Gott sucht mich und er sucht das Gute und Wertvolle in mir. Für mich gibt er alles, sogar sein Leben – „das ist das Beste, das mir je passiert ist, es tut so gut, wie Gott mich liebt. Ich sag’s ihm viel zu selten, es ist schön, dass es ihn gibt.“

06/18/23

PREDIGT 11. SO IM JK (A)

Ex 19,2-6 + Mt 9,36-10,8

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Gott kann mir gestohlen bleiben: Ich bin dankbar, dass mir mein Glaube abhandengekommen ist; dankbar, dass andere mir eigeredet haben, „ohne Gott lebt sich’s leichter“ und mich meines Glaubens beraubt haben; dankbar, dass ich Gott einfach fallengelassen und längst aufgegeben habe. Ich kann doch gut ohne Gott leben und habe dann auch mehr Zeit für mich. Helfen kann Gott mir sowieso nicht… – Denkweisen unserer Tage.
Ob Gott auch so von uns denkt? Die Menschen können mir gestohlen bleiben; die sind mir alle egal. Sollen sie doch machen, was sie wollen…
Gott denkt und handelt anders, denn er ist ein fürsorglicher Gott. Als einzelner Mensch und als Teil des Volkes Gottes bin ich ihm wichtig. Er sieht die Sorgen und Nöte der Menschen und er greift ein – nicht wie wir es wollen, sondern auf seine Weise: manchmal ganz unscheinbar durch andere Menschen und manchmal wunderbar und staunenswert. Die heutige Lesung drückt das „unsichtbare aber spürbare Eingreifen Gottes“ in einem Bild aus: „wie auf Adlerflügeln habe ich euch getragen“ (vgl. Ex 19,4). Oft spüre ich genau das Gegenteil: da bin ich am Boden, komme scheinbar nicht vorwärts bin verstrickt und gefangen in den Sorgen des Alltags. Erst in der Rückschau im Rückblick auf solche durchlebten und durchlittenen Phasen wird klar, auch da war Gott bei mir, hat mich getragen und geführt – nicht „wie im Flug“ über diese Zeit hinweg, sondern unerkannt mitgehend und begleitend durch diese Zeit und Situation hindurch. Die Lesung benennt einen derartigen Rückblick: „Ihr habt gesehen, [… was damals war]: wie ich euch auf Adlerflügeln getragen [und aus des Sklaverei herausgeführt] habe“ (Ex 19,4). Solche Rückblicke im Leben sind wichtig, um Gottes Spuren in meinem Leben zu entdecken; zu sehen, dass er es gut mit mir meint. Ich nehme mir immer wieder Zeit dafür: am Abend eines langen Tages, nach einer arbeitsintensiven Woche, in Zeiten der Trauer und Trostlosigkeit. Ich spüre dann der Tragkraft meines Glaubens, des christlichen Glaubens, nach und werde einfühlsam und dankbar dafür, wo ich von Gott getragen wurde.
Ebenso wichtig wie der Rückblick ist der Ausblick – getragen wie von Adlerflügeln, schenkt uns Gott immer wieder den Überblick über mein Leben, damit ich den Sinn des Lebens und das Ziel meines Glaubens nicht aus den Augen verlieren: „Ihr [werdet] unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. [… ihr] sollt mir als ein Königreich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören“(Ex 19,5-6). Was für eine Berufung: Gott trennt sich nicht von uns, sondern will eine ganz intensive Beziehung und Bindung mit uns eingehen, einen Bund mit uns. Wir sind etwas Besonderes für ihn: ein Königreich von Priestern – und damit sind wir alle gemeint! Als Christen wurde uns in unserer Taufe diese Würde
zuteil: jeder Mann und jede Frau, jedes Kind ist gesalbt zum Priester, König und Propheten und gehört als Gesalbter, als Christ, so zum Volk Gottes: „Wir sind […] sein Volk und die Herde seiner Weide“ (Ps 100,3), heißt es im Psalm 100. Gott ist unser Hirt: als der gute Hirte sorgt er für uns – auf seine Weise und nicht immer wie wir das gerne hätten.
Als menschgewordener Gottessohn setzt Jesus sich für die Menschen in ihren Nöten ein. Er sagt, er sei aus Gott gekommen um die Berufung Israels zu erfüllen und zu vollenden, ein priesterliches Volk zu sein, damit alle erfahren können, dass Gott den Menschen nahe ist, dass er sie führt und nicht verführt, dass er sie nicht in Irre leitet, weil er der gute Hirt ist. Damit diese Fürsorge Gottes spürbar und sichtbar wird, setzt er Helfer ein, Gesandte, Apostel, einfache Leute wie du und ich und ganz verschieden: Fischer und Zöllner, Leute die ganz in der Tradition der hebräischen Kultur zu Hause sind, und solche, die geprägt sind von der Weite und Offenheit der griechischen Kultur im Römischen Reich. Jesus sendet sie in die Lebenswüste, die Erschöpfung und Müdigkeit der Menschen, zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel; wie Hirten sollen für sie da sein, sie stärken und aufrichten, sie tragen „wie auf Adlerflügeln“. Da gibt es viel zu tun, auch heute: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,37-38). Arbeiter sind nicht nur die Priester – ein priesterliches Volk sind wir alle. Wir alle sind berufen, uns senden zu lassen, als Arbeiterinnen und Arbeiter in seine Ernte, als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des guten Hirten. AMEN.



06/18/23

PREDIGT 10. SO IM JK (A)

1 Kor 10,16-17 (Fronleichnam)/Hos 6,3-6 + Mt 9,9-13

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
In an out: wir feiern heute in Oberkotzau keinen indoor-Gottesdienst, sondern outdoor die Eucharistie: für alle sichtbar, nicht nur für die, die sonntags immer in die Kirche kommen, sondern auch für die, die mit dem Auto vorbeifahren zum Brötchenholen oder zu einem Ausflug. Die Sonntagseucharistie ist rückgebunden an das letzte Abendmahl: Wir feiern sie heute nicht „im Abendmahlsaal“, sondern draußen, inmitten der Alltagswelt. Wie feiern das Fronleichnamsfest (nach) und gehen raus, wir gehen auf die Plätze und Straßen und leben unseren Glauben an Jesus Christus, der in unserer Mitte und die Mitte unseres Glaubens ist. „Fronleichnam“ bedeutet „lebendiger Leib des Herrn“: Jesus Christus lebt seinem Wort und in der Eucharistie, im Brot des Lebens und im Wein der Freude, mitten unter uns – und wir leben aus IHM und seinen Worten – oftmals ist dies eine Herausforderung.
Herausgefordert durch sein Wort: „Folge mir nach!“ (Mt 9,9). Jesus fordert nicht nur den Zöllner Matthäus im heutigen Sonntagsevangelium zur Nachfolge heraus, sondern jede und jeden von uns. Wir sollen nicht blind hinter Jesus Christus hertrotten, sondern seinem Evangelium der Liebe, der Menschenfreundlichkeit und Barmherzigkeit „Beine machen“, mit Jesus gehen und IHN und seine Botschaft in unserem alltäglichen Leben bezeugen.
Wer Jesus Christus nachfolgt, wer an IHN und seine Worte glaubt, ist in und nicht out – viele Menschen sehen das anders und lehnen Kirche, den christlichen Glauben und damit letztlich Jesus Christus ab. In ihren Augen sind wir out, von gestern – und es gehört eine große Portion Mut dazu, zu Jesus Christus zu stehen und sich als gläubigen und praktizierenden Katholiken zu outen: Ja, ich gehöre dazu zur katholischen Kirche und ich lebe meinen Glauben nicht nur sonntags in der Kirche, sondern auch draußen im Alltag.
Wenn wir auf das heutige Sonntagsevangelium schauen, dann is(s)t Jesus nicht nur mit den Jüngern drinnen im Abendmahlsaal, sondern auch bei und mit denen, die out sind. Jesus ruft den, der in den Augen der anderen out und damit außen vor ist, hinein in seine Nachfolge: Matthäus, den Zöllner, den Halsabschneider und Betrüger, mit dem die anderen nichts zu tun haben wollen und aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen ist – ausgerechnet ihn. Jesus is(s)t bei ihm zu Tisch – ausgerechnet bei ihm – und neben den Jüngern sind auch viele Zöllner und Sünder (vgl. Mt 9,10) dabei – ausgerechnet mit ihnen lässt Jesus sich ein, isst und trinkt mit ihnen.
Ein besonderes Abendmahl – nicht mit der „feinen Gesellschaft“, sondern mit Zöllnern und Sündern, über die wir oft die Nase rümpfen: Jesus würde sich auch zu Prostituierten setzen, zu Schwulen und Lesben, die oft ausgegrenzt, angefeindet oder gemieden werden. Jesus säße bei den Außenseitern der Gesellschaft, bei Geflüchteten und Migranten, bei Ausländern und Fremden, bei Einsamen, Taugenichtsen und Tunichtguten, bei Notleidenden und Armen – mit ihnen hätte Jesus Tisch- und Mahlgemeinschaft!
Jesus Christus ist bei denen, denen etwas fehlt; dort, wo es „krankt“ an An-erkennung, Wertschätzung und Respekt vor jedem menschlichen Leben. Jesus Christus ist dort, um Würde zu schenken – Menschenwürde. Er ist der Arzt und Heiland. Er heilt die Verwundungen und teilt das Leben mit ihnen: Mit den Menschen, die durstig sind nach Leben und Liebe, nach Achtung und Vertrauen mit ihnen is(s)t er am Tisch, teilt Brot und Wein – communio.
Wo wäre mein Platz?
Säße ich mit am Tisch oder wäre ich außen vor?
Würde ich mich einladen oder selbst ausschließen?
Was würde Jesus Christus tun? Was würde er mir sagen?
Säße ich gerne am Tisch mit Jesus Christus?
Säße ich als „kleiner Sünder“ gerne bei anderen nicht perfekten Menschen?
Was würde Jesus Christus tun? Was würde er uns sagen? Wo säße er?
Was haben die Worte und das Verhalten Jesu Christi für Konsequenzen für mich privat und für uns als communio, als Gemeinschaft und Pfarrgemeinde?
Halten wir wirklich Mahl miteinander, wie Jesus es uns vorgelebt hat?
Der Blumenteppich vor dem Altar sagt es deutlich: Du bist eingeladen!
Nehme ich die Einladung an?
Bin ich in oder out? Es ist meine Entscheidung: Ich bin eingeladen! AMEN.

06/18/23

PREDIGT DREIFALTIGKEIT (A)

Ex 34,4b.5-6.8-9 + Joh 3,16-18

Liebe Wallfahrer, liebe Schwestern und Brüder!
Die jährliche Wallfahrt nach Gößweinstein ist für mich immer eine Herausforderung – nicht nur körperlich: Wechselnde Pfade: Schatten und Licht, alles ist Gnade fürchte dich nicht. Zu Fuß unterwegs durch die blühende Natur – die Kühles des Morgens – die Sonnenhitze des Tages – der kühlende Wind – schmerzende Füße und mache haben auch Blasen.
Eine Herausforderung, auf die sich viele freuen: die Begegnungen mit Wallfahrern, die man das Jahr über nicht sieht (nicht nur auf der „eigenen“ Wallfahrt): gemeinsames Gebet und Gespräche – gemeinsame Wegstrecken und Pausen – mit einander gehen – das Leben und den Glauben teilen; das gilt nicht nur für Wallfahrer, sondern für uns alle, die wir gemeinsam im Leben und Glauben unterwegs sind, und die wir uns zum Gottesdienst treffen.
Eine Herausforderung für mich diesmal, die sich beim abendlichen Bier ergab: Deine Predigt muss auf einen Bierdeckel passen und soll – wie im letzten Jahr – ein „Hit“ sein, damit sie auch im Alltag hängenbleibt.
Ich habe mich an den umstrittenen Wiesenhit „Layla“ gewagt – und ich habe bewusst einen anderen Text über die eingängige Melodie gelegt, weil ich mich als Katholik, Priester und Kirchenmann klar von dem sexistischen Inhalt von „Layla“ distanziere. Bleibt meine Hoffnung, dass der neue Text von den Menschen angenommen und verinnerlicht, mitgesungen und damit das Geheimnis unseres Gottes verkündet wird:

Ich hab ’nen Gott
und der ist dreifaltig einer
wunderbar ist er wie keiner
barmherzig, gnädig ist mein Gott:
Gott Vater – da für mich in jeder Not.
Ich glaub an Gott
und der ist dreifaltig einer
wunderbar ist er wie keiner:
Er ist die Liebe in Person,
Jesus Christus, Mensch und Gottes Sohn.
Ich liebe Gott
und der ist dreifaltig einer
wunderbar ist er wie keiner:
Der Geist in mir, er treibt mich an,
damit ich Gutes wirken kann.

Ja, ich glaube an den dreifaltig-einen Gott, der eben nicht einfältig ist, sondern vielfältig ist, dessen liebevolles Wirken sich immer wieder neu zeigt:
Ich glaube an den dreifaltig-einen Gott, den guten Vater über mir:
Kein Übervater, sondern Gott der schützend für uns da ist. Gott, zu dem wir als Wallfahrer wie Mose auf den Berg als Ort der Gottesbegegnung hinaufsteigen (vgl. Ex 34,4) – zu Gott, zu dem unser Gebet aufsteigt – zu Gott, der uns entgegenkommt und sich auf Mose und auf uns einlässt (vgl. Ex 34,5). Gott, der einen Namen hat, der Programm ist: Jahwe – die Einheitsübersetzung schreibt „HERR“ – der „ich bin der, ich bin“: Ich bin für euch da, für
eure Sorgen und Nöte; ich habe ein Ohr für Euch. Mein Wesen ist Barmherzigkeit und Güte. Ich bin kein strafender, sondern der liebende Gott.
Diesen Gott lädt Mose ein: „ziehe doch mit uns“ (vgl. Ex 34,9). Das pilgernde Volk mit Gott in der Mitte – ein Bild, das auf dem II. Vatikanischen Konzil auch für uns als Gemeinde und für uns als Kirche wiederentdeckt wurde.
Ich glaube an den dreifaltigeinen Gott, den Sohn Gottes neben mir:
Gott sendet seinen Sohn, Jesus Christus, in die Welt, nicht um sie zu überwachen oder zur richten, sondern um sie zu retten (vgl. Joh 3,17). Der Mensch richtet sich durch sein Tun selbst (vgl. Joh 3,18). Jesus steht als mitmenschlicher Bruder an unserer Seite: Er begleitet auf Augenhöhe unseren Lebens- und Glaubensweg; er gibt Halt und Orientierung. Jesus ermutigt mich, für meine Mitmenschen Wegbegleiter im Leben und Wegbereiter zum Glauben zu sein: ich kann andere mit Jesus Christus in Kontakt bringen.
Ich glaube an den dreifaltig-einen Gott, den Heiligen Geist in mir:
Gott ist durch seinen Geist wirkmächtig in mir und durch mich. Die Geistesgaben, die Gott in mich hineingelegt hat, sind Gaben und Aufgaben: Ich habe die Verantwortung meine Begabungen einzusetzen in Kirche und Welt. Ich soll mich einsetzen für den Erhalt der Schöpfung, für den Frieden, für ein Klima der Nächstenliebe und Toleranz. Der Heilige Geist ermutigt mich dazu, mit vielen anderen Menschen, an vielen verschiedenen Orten, viele kleine Schritte zu tun, um das Gesicht der Welt zu verändern.
Ich glaube an den dreifaltig-einen Gott, den Gott meines Lebens. AMEN.

05/29/23

PREDIGT 7. SO OSTERZEIT (A)

1 Petr 4,13-16 + Joh 17,1-11a

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Aus der Zeit gefallen – altmodisch – nicht mehr up to date – von gestern – das verbinden wir mit dieser Redewendung aus der Zeit gefallen. Aus der Zeit gefallen, der erste Petrusbrief und die heutige Lesung daraus, weil er auf die Situation christlicher Gemeinden zu Beginn des 2. Jahrhunderts n.Chr. eingeht: Es ist eine Gemeinde in der Diaspora in „heidnischer Umwelt“, die einen Weg zwischen Anpassung und Absonderung; geht. Die Christen damals waren anders; die „Heiden“ nahmen Anstoß an ihnen und ihrem gelebten Glauben. Beschimpfungen und (in 1 Petr 4,13-16 nicht näher definierte) „Leiden“ wegen ihres Christseins waren an der Tagesordnung – auch gewalttägige Reaktionen darauf, die der Autor des Petrusbriefes klar ablehnt, weil sie nicht mit der Botschaft Jesu zu rechtfertigen waren.
Aus der Zeit gefallen – und doch aktuell, der erste Petrusbrief: Ermutigung in der damaligen Zeit der Verfolgung – Ermutigung für uns heute, die wir uns oftmals rechtfertigen müssen, warum wir Christen sind, warum wir unseren Glauben leben, warum wir zum Gottesdienst gehen.
Aus der Zeit gefallen – bei uns, aber Realität in anderen Ländern: Der erste Petrusbrief eine Erinnerung daran, dass es heute noch Christenverfolgung gibt und Christen die weltweit am meisten verfolgte Religionsgruppe sind.
Aus der Zeit gefallen – auch das heutige Evangelium. Am Donnerstag haben wir Christi Himmelfahrt gefeiert: Jesus Christus ist zu Gott, seinem Vater, heimgekehrt, in seine Geborgenheit, in seine Liebe – das ist Himmel. Heute nun ein Text aus den Abschiedsreden Jesu, die er nach der Chronologie des Johannesevangeliums nach dem Abendmahl und vor dem Gang zum Ölberg gehalten haben soll. Sie passen chronologisch nicht in die Zeit im Kirchenjahr nach Leiden und Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu – und wirken wie aus der Zeit gefallen, weil im Jesu „Heimgang zum Vater“ im Johannesevangelium noch bevorsteht (vgl. Joh 17,11a).
Aus der Zeit gefallen – und doch passt Joh 17,1-11a in die Zwischen-Zeit zwischen Himmelfahrt und Pfingsten, weil Jesus für die Seinen, die Gott ihm anvertraut hat, betet – und ihnen ewiges Leben schenkt. Die Jünger und auch wir dürfen teilhaben an dem, was Jesus im Johannesevangelium noch bevorsteht: von den Toten auferstehen. Wir im Heute tun uns leichter, als die Jünger damals, weil wir von der Auferstehung wissen und einfacher glauben könnten, dass der Tod nicht das Ende ist und erlebtes oder gefühltes Leid ein Ende haben wird: Auferstehung zum Leben – und doch tun wir heutige Menschen uns schwerer denn je mit dem Glauben daran.
Aus der Zeit gefallen – entscheidend ist die ewige Verbindung zwischen Christus und dem Vater und der die Zeit überdauernden Verbundenheit von Jesus und den Jüngern und uns. Durch ihn, Jesus Christus, sind wir mit dem Vater verbunden und haben (durch die Taufe) Anteil an der Auferstehung.
Aus der Zeit gefallen – Worte nicht aus unserer Zeit und doch sind Jesu Worte Worte für alle Zeiten: Worte, welche die Jünger beherzigen sollen:
Jesus sagt den Jüngern in der Abschiedsrede, Gott solle ihn verherrlichen, ihm also die Ehre geben – die von Gott geschenkte Würde und Liebe soll an Jesus offenbar werden – und dadurch auch Gott verherrlicht werden.
Diese Würde ist allen geschenkt, die an Jesus Christus als den Sohn des lebendigen und lebendig machenden Gottes glauben: Verherrlichung und damit Teilhabe am ewigen Leben bei Gott unserem Vater. So wie Jesus nach seiner Himmelfahrt beim Vater ist, werden auch wir dort sein.
Die Liebe, die Jesus den Menschen und den Jüngerinnen und Jüngern erwies ist nicht aus der Zeit gefallen, sondern bleibt prägend für alle Zeiten und charakteristisch für das Christentum: eine dienende sich zuwendende Liebe, die in der Fußwaschung, die Jesus an den Jüngern vollzieht, ein Vorbild hat und zur Nachahmung und gelebter Nachfolge einlädt.
Und schließlich das Gebet: Im Johannesevangelium ist das Vaterunser nicht überliefert, dafür aber die Abschiedsreden Jesu, die zugleich ein Gebet an Gott, seinen Vater sind. Sie sind eine Einladung zum Gebet – jetzt in dieser Zwischen-Zeit besonders um Gottes Heiligen Geist, der neu belebt und lebendig macht. Beten wir um Gottes Geist für das eigene Leben und den eigenen, oftmals erstarrten Glauben; beten wir um Gottes Geist für unsere Kirche um neue Lebendigkeit; beten wir um Gottes Geist für die Welt – das ist nicht aus der Zeit gefallen, sondern nötiger denn je. AMEN.