PREDIGT 23. SO IM JK (A)

Röm 13,8-10 + Mt 18,15-20

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Wenn nach dem Essen die Teller in einem Lokal abgeräumt werden, fragt die Bedienung oder der Ober in der Regel: „Hat’s gepasst?“ „War’s recht so?“ oder „Hat es Ihnen geschmeckt?“ – Kürzlich stellte mir ein Kellner keine dieser Fragen, sondern sagte Folgendes: „Wenn es Ihnen geschmeckt hat, sagen Sie es gerne Ihren Freunden und Bekannten weiter! Wenn es Ihnen nicht geschmeckt hat, sagen Sie es mir!“
„Wenn es Ihnen geschmeckt hat, sagen Sie es gerne Ihren Freunden und Bekannten weiter! Wenn es Ihnen nicht geschmeckt hat, sagen Sie es mir!“ Eine gute und sinnvolle Verhaltensregel: das Gute und Positive weitersagen als Werbung für die Gastwirtschaft und das Negative unter vier Augen mit der Bedienung und ggf. dem Koch oder dem Wirt zu besprechen, damit die/der eine Chance hat, es beim nächsten Mal besser zu machen.
„Wenn es Ihnen geschmeckt hat, sagen Sie es gerne Ihren Freunden und Bekannten weiter! Wenn es Ihnen nicht geschmeckt hat, sagen Sie es mir!“ Hand aufs Herz: Oft machen wir alle es doch umgekehrt. Das Positive nehme ich oft ganz selbstverständlich hin ohne einen Dank, ohne ein Lob oder ein gutes Wort, aber das Schlechte erzähle ich nur allzu gern und genüsslich überall herum. Wie gern schimpfe ich über andere, über die scheinbar missratenen Kinder, die nervigen Nachbarn, den uneinsichtigen Chef, die unfähigen Kollegen… oder auch über Gastwirte. Es ist eben viel leichter über jemanden zu lästern als mit jemandem zu reden.
Auch wenn es den Jüngern und auch uns schwer fällt, empfiehlt uns Jesus ein anderes Vorgehen: Miteinander reden, statt hinter dem Rücken übereinander: „Wenn dein Bruder [bzw. deine Schwester] gegen dich sündig, dann geh und weise ihn [bzw. sie] unter vier Augen zurecht“ (Mt 18,15). Auf den anderen zugehen, ihn/sie beiseite nehmen, ihn/sie nicht vor anderen bloßstellen und abkanzeln, sondern miteinander auf Augenhöhe über die Sache reden, und sie, wenn möglich, im wertschätzenden Zwiegespräch aus der Welt zu schaffen. Diese correctio fraterna, die mitbrüderliche bzw. geschwisterliche Zurechtweisung, ist ein guter Weg, mit dem Fehlverhalten Mitmenschen umzugehen. Es ist kein Vertuschen, sondern ein liebevoll Ermahnen in vertrauensvoller Privatatmosphäre, die dem, der falsch gehandelt hat, die Möglichkeit lässt, das Fehlverhalten auf Zukunft hin zu korrigieren und – wenn möglich – den entstandenen Schaden wieder gut zu machen. Gegebenenfalls soll ich in einem zweiten Gespräch weitere vertrauensvolle Gesprächspartner hinzuziehen, um dieses Ziel zu erreichen – ein Gesprächsprozess, oftmals ein Ringen, der mir auch einiges abverlangt und sicher schwerer ist, als über andere zu lästern. Wenn ich nicht mit meinen Mitmenschen rede, sondern über sie, dann lasse ich sie außen vor, dann gebe ich ihnen keine Chance auf meine Worte und Vorwürfe zu antworten. Auch auf die Art meiner Rede und meines
Tuns kommt es an, darauf weist Paulus im Brief an die Gemeinde in Rom hin (vgl. Röm 13,8-10): Liebe sind wir einander schuldig und – bei aller Kritik – auch einen liebe- und respektvollen Umgang miteinander. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Statt vorschnell und lieblos zu verurteilen und von der Gemeinschaft auszuschließen und exkommunizieren rät Jesus, immer wieder das Gespräch zu suchen. Jedes Fehlverhalten eines/einer Einzeln schädigt zunächst das/die Opfer, aber auch die Gemeinschaft, die christliche Gemeinde als Ganze – miteinander reden ist der Weg, um zueinander zu finden und Fehler zur korrigieren. Erst, wenn alles Reden nichts nützt, soll ich in die Öffentlichkeit gehen und Fehler publik machen und aufdecken. Dieses Ringen um eine gute Lösung, das Ringen im Gespräch, die mitmenschliche Ermahnung, soll nicht zur Spaltung der Gemeinde/Gemeinschaft führen, sondern die Einheit erhalten. Ringen um die richtigen Worte, Worte, die den Menschen dienen – das ist Seelsorge von Mensch zu Mensch. Der/die Einzelne und die Gemeinde – und nicht Petrus allein wie vor zwei Wochen im Sonntagsevangelium (vgl. Mt 16,19) – binden und lösen: „Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ (Mt 18,18). Es geht um Gemeinschaft beim Lösen von Problemen, beim Lösen von Schuld und auch beim Gebet: Gemeinschaft „in Gottes Namen“ (Mt 18,19), mit Jesus und untereinander, die einander annimmt trotz Sünde und Schuld, miteinander darüber redet und verzeiht – wie Gott uns verzeiht und vergibt. Wenn ihnen diese Worte Jesu und meine Auslegung dazu „geschmeckt hat, sagen Sie es gerne Ihren Freunden und Bekannten weiter! Wenn nicht, sagen Sie es mir!“ AMEN.