Predigt 5. Fastensonntag LJ A

Ez 37,12b-14 + Joh 11,3-7.17.20-27.33b-45 (KF)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!

Angst vor der Ansteckung mit dem Corona-Virus – über 1000 Corona-Tote in Spanien an einem Tag – überfüllte Kliniken in Italien; nicht alle akut an Corona Erkrankten können beatmet werden – Angst, ob es auch in Deutschland so weit kommt; hoffentlich nicht – Todesangst.

Wie in den heutigen biblischen Texten liegt der Tod in der Luft:

Die „Grabesstimmung“ (vgl. Ez 37,12b-13) ist Ausdruck der Hoffnungslosigkeit der Israeliten. Sie hatten ihre Lebenskraft verloren, waren des Lebens müde und wie tot. Der Prophet Ezechiel, ein Realist und Visionär, sieht diese Lebenswirklichkeit der Israeliten – er beschönigt nichts. Aber zugleich blickt er weiter. Durch seine Zusage neuen Lebens und neuer Lebendigkeit, durch Gottes wirkmächtigen Geist schenkt er den Totgeglaubten eine neue Perspektive: Hoffnung in todbringender Zeit.

Es ist die Hoffnung auf Heilung ihres kranken Bruders Lazarus, die auch Marta hat, weil sie an Gottes Wirkmacht in Jesus Christus glaubt – aber die Hoffnung ist in ihr gestorben: Ihr Bruder Lazarus ist tot.

Marta spricht ihre Enttäuschung aus, als Jesus doch noch kommt – in ihren Augen zu spät: „Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben“ (Joh 11,21). Sie hätte sich den Beistand Jesu gewünscht, als alles um Leben und Tod ging. Aus Marta spricht das Gefühl der Ohnmacht, der Hilflosigkeit angesichts des Todes – Erfahrungen von Schicksalsschlägen von Leid und Sterben in der eigenen Familie – Nachrichten von mit dem Tode Ringenden Corona-Erkrankten im Bekanntenkreis.

Jesus schlagen der Geruch des Todes, Vorwürfe und Tränen entgegen. Gegenseitiger Trost und ausgesprochene Bekenntnisse prägen die Begegnung von Marta und Jesus. Der Tod bringt in Bewegung: alle Personen und Menschengruppen, die im Evangelium genannt sind, stehen auf; sie stehen auf für das Leben und gehen zum Grab. Jesus weint – trauert – blickt ins Grab – es geht um Tod und Leben. Jesus ruft Lazarus am Ort des Todes zurück ins Leben: „Lazarus, komm heraus!“ (Joh 11,43).

Wir möchten am liebsten Weglaufen vor dem Tod, aber das geht nicht: Denn nichts im Leben ist so sicher wie der Tod. Wir müssen lernen, mit dem Tod zu leben, wie auch mit dem Corona-Virus. Da kommt viel in Bewegung – innerlich; äußerlich sind Begegnungen und unser Bewegungsradius momentan stark eingeschränkt; das ist gut so, schmerzt aber auch: Shut down, Plexiglasscheiben, Mundschutz und Handschuhe – Danke allen die in Läden, Praxen, Kliniken und anderen systemrelevanten Berufen für andere da sind – anderen nur nicht zu nahe kommen, mitmenschliche Nähe in der Trauer fast unmöglich, Gemeinschaft von Angesicht zu Angesicht nur zu zweit und mit dem gebotenen Abstand.

„Diese Krankheit führt nicht zum Tod, sondern dient der Verherrlichung Gottes. Durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden“ (Joh 11,4) und „Lazarus, komm heraus!“ (Joh 11,43) – wie paradox und irreal klingen diese Worte Jesu angesichts der vielen Todesopfer, die Corona schon gefordert hat, derzeit fordert und noch fordern wird. Die Toten werden nicht wieder lebendig; sie kehren nicht wieder ins irdische Leben in den Kreis ihrer Familien zurück wie Lazarus. Das schmerzt. Die Bilder von den vielen Särgen in den Medien rühren uns zu Tränen, machen uns betroffen – wie Jesus angesichts des Todes seines Freundes Lazarus.

Obwohl Jesus Lazarus vom Tod erweckt, muss Lazarus einmal sterben: Er lebt nicht ewig auf Erden. Aber er kann anders sterben: „Lazarus, komm heraus!“ (Joh 11,43). Er weiß: Jesus hat mich herausgerufen aus dem Grab, hat mir die Fesseln gelöst, die mich im Tod gefangen und am Leben gehindert haben. Er, Jesus Christus, will, dass ich lebe – im Leben und im Tod. „Komm heraus!“ – das ist die tröstliche, Hoffnung spendende und Mut machende, ja frohe Botschaft gerade in dieser Zeit der Krise für mich: Jesus ruft auch mich beim Namen: „Komm heraus!“ Komm heraus aus dem Schneckenhaus und dem Gefängnis deiner Angst; komm heraus aus deinen begrabenen Hoffnungen – und lebe.

Es geht um dieses Leben vor dem Tod, um mein Leben aus in Zuversicht und Gottvertrauen, um mein Leben frei von Fesseln und Ängsten, die mich schnüren, einengen und „Leben in Fülle“ (vgl. Joh 10,10) verhindern.

Jesus Christus will, dass ich lebe – im Leben und im Tod. Das soll nicht nur Lazarus, sondern auch Marta und die Marta in mir erfahren – auch sie soll ihr Leben ändern – und ich meines: Nicht das ins Grab hinein schauen, sondern das aus dem Grab herauskommen; nicht in Resignation gefangen sein, sondern die Fesseln lösen; nicht in Tod und Trauer verhaftet bleiben, sondern dem Leben und seinen Möglichkeiten trauen.

Jesus geht sogar noch einen Schritt weiter, wenn er Marta und mir sagt, dass Er selbst dieses Leben, dieses „Leben in Fülle“ (vgl. Joh 10,10) ist: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (vgl. Joh 11,25-26).

Vielfach wurde diese tröstliche Zusage Jesu auf Sterbebildchen gedruckt – und das ist gut so. Leider sind dabei meist die drei Worte weggelassen, die Jesus direkt an Marta und direkt an mich richtet, die mich mit hineinnehmen und mich herausfordern: „Glaubst du das?“ (Joh 11,26).

Es geht um Leben und Tod; es geht um mein Leben vor dem Tod und um das ewige Leben nach dem Tod, das Jesus Christus allen verspricht, die an Ihn, „die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25), glauben:

Glaubst du das?   â€“   Glaubst Du das?   –   Glaubst du genau das?

In der Taufe wurden wir beim Namen gerufen, auf den Namen des dreifaltig-einen Gottes getauft und hineingenommen in Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi – wenn wir im Glauben an Ihn leben und in der Hoffnung auf Ihn sterben, werden wir auch mit Ihm auferstehen.   Amen.

Links:
–        Bonum est confidere: https://www.youtube.com/watch?v=euatrO_3tDM
–        Behüte mich Gott: https://www.youtube.com/watch?v=S6-UneKFn2I