PREDIGT 2. FASTENSONNTAG (A)

Gen 12,1-4a + Mt 17,1-9

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Sich auf den Weg machen, beginnt mit dem ersten Schritt, ja, früher noch, mit dem Abwägen, ob es sich lohnt aufzubrechen: Wie ist das Wetter? Habe ich die richtige Ausrüstung und ausreichend Kraft? Lohnt das Ziel die Mühe?
Abram wird von Gott aufgefordert aufzubrechen (vgl. Gen 12,1-4a). Die Heimat Ur in Chaldäa soll er verlassen; ebenso seine Verwandten und Freunde. Das Ziel, die neue Heimat, ist ein unbekanntes Land; der Weg dorthin ist unklar; ebenso wie lange die Reise dauert. Gott will den Weg dahin zeigen. Ob ich da freiwillig aufgebrochen wäre? Ob ich Gott vertraut hätte?
Das einzige, was Gott mitgibt, ist sein Segen und die Zusage, dass alles gut werden wird. Abram, der im hohen Alter noch keine Kinder hat, soll Stammvater eines großen Volkes werden. Eigentlich unwahrscheinlich, ja unglaublich. Lass Gott nur reden… Kann ich Gott glauben und ihm und seiner Verheißung trauen? Ob ich mit dieser wagen Verheißung aufgebrochen wäre?
Unter der Führung Jesu erklimmen Petrus, Jakobus und Johannes einen „hohen Berg“ (Mt 17,1). Sicher ein anstrengender Weg und kein Spaziergang – nicht nur körperlich, sondern auch psychisch: Jesus hatte den Jüngern angekündigt, dass er nach Jerusalem gehen und dort leiden, sterben und auferweckt werde – Petrus will das das nicht geschieht (vgl. Mt 16,21-23); Petrus will Jesus nicht verlieren; er will nicht, dass Jesus stirb. Diese düsteren Gedanken gehen mit, als sie mit Jesus auf den Berg gehen – ähnlich wie wir unsere Gedanken nicht abstellen können, wenn wir zum Gottesdienst kommen. „Sechs Tage“ nach dieser Leidensankündigung (Mt 17,1), am siebten Tag (!) – die zurechtgeschnittene Lesung verschweigt dieses wichtige Detail – der Lichtblick: Die Jünger sehen nicht mehr Schwarz, sondern Jesus in einem anderen, in strahlendem Licht: Jesus leuchtet „wie die Sonne“ (Mt 17,2) – eine österliche Zukunftsvision auf die Zeit nach Leiden, Kreuz und Tod. Trotzdem ist da zunächst Furcht, weil durch die Wolke wieder ein Schatten auf die Jünger fällt und auch Ehrfurcht vor Gottes Stimme. Die Jünger werfen sich mit dem Gesicht zu Boden und fürchten sich sehr (vgl. Mt 17,6).
Was bringen wir mit an „seelischem Gepäck“? Was versetzt uns in Angst uns Schrecken? Der Krieg vor Europas Haustür, der über ein Jahr lang andauert und dessen Ausgang ungewiss ist? Ein drohender Atomkrieg? Immer mehr Geflüchtete, die aufbrechen, um bei uns eine neue Heimat zu finden? Die zerrissene Welt, auf die das MISEREOR-Fastentuch hinweist?
Der Künstler Emeka Udemba, gebürtig aus Nigeria, zeigt diese zerrissene Welt – und auch, dass verschiedene Krisen miteinander verklebt sind: Der Künstler hat aus Zeitungen herausgerissene Schnipsel zu einer Collage verarbeitet und mit Farbe übermalt. Es bleiben Fragen: Wieviel Platz hat die Erde? Wieviel Platz braucht der Mensch? Wo ist Leben lebenswert? Warum gibt es so viele, die ihre Heimat verlassen (müssen)? Was ist ihr Lichtblick?
Der Hintergrund des Fastentuches ist in ROT gehalten – eine gefährliche Atmosphäre für die Erde: Es ist das Blut-Rot der Kriege, das auch auf der Erdkugel zu sehen ist. Es ist das Feuer-Rot von Rodung und Abbrennen des Regenwaldes, der „grünen Lunge“ der Erde. Ein alarmrotes Warnsignal für uns: Es ist nicht fünf, sondern schon zwei vor Zwölf, wenn wir die Erde noch retten wollen… Wo ist der Lichtblick, der Silberstreif am Horizont?
Was tun? Wir könnten ähnlich wie Petrus es wollte, „drei Hütten bauen“ (Mt 17,4), um an den „guten alten Zeiten“ festzuhalten oder eingehaust in den Hütten auf einen Lichtblick „eine gute, helle und freundliche, ja lebenswerte Zukunft“ zu warten. Wir könnten auch wie die Jünger den Kopf angstvoll in den Sand stecken, um das alles nicht sehen zu müssen oder wahrhaben zu wollen; oder den Blick resigniert und kopfschüttelnd zu Boden richten: Da ist nichts mehr zu machen, nichts mehr zu retten.
Hören wir das Wort Gottes an die drei Jünger, denn es gilt auch uns: „Dieser [im Licht Verklärte] ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören“ (Mt 17,5). Jesus Christus, der hineinstrahlt in die Sorgen und Nöte unseres Alltags und unserer Welt, ja der „das Licht der Welt“ (Joh 8,12) ist, ER sagt uns heute den entscheidenden Satz: „Steht auf und fürchtet euch nicht!“ (Mt 17,7).
Nicht hoffnungslos sitzenbleiben und verzagt abwarten, sondern beherzt aufstehen, aufbrechen und furchtlos handeln und mutig glauben – mitten im Alltag, dazu ermutigt Jesus: „Steht auf und fürchtet euch nicht!“ (Mt 17,7). Handeln im Hier und Jetzt, sich gegen die Klimakrise stemmen, um zu retten, was noch zu retten ist – und glauben im Hier und Jetzt, an Jesus Christus, den leidenden und gekreuzigten Auferstandenen, und an die Auferstehung, die auch uns als gute Zukunft verheißen ist. Auf diesem, unseren Lebens- und Glaubensweg sind wir nicht allein – wir gehen gemeinsam. Wie Abram, der mit Gottes Segen ging und mit Lot, auch wenn die Leseordnung Abrams Begleiter und dessen Familie weggeschnitten hat (vgl. Gen 12,4a). Jesus Christus geht mit den Jüngern und mit uns ins „Tal der Alltagssorgen“; ER ist uns „Weg und Wanderstab durchs Kreuz zum Ostermorgen“ (GL 363/3). „Steht auf und fürchtet euch nicht!“ (Mt 17,7): Glaubt und handelt!

Das Misereor-Hungertuch 2023 „Was ist uns heilig?“ von Emeka Udemba © Misereor
Das Misereor-Hungertuch 2023 „Was ist uns heilig?“ von Emeka Udemba © Misereor