03/15/22

PREDIGT 2. FASTENSONNTAG IM JAHRESKREIS (C)

Gen 15,5-12.17-18 + Lk 9,28b-36

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Gefühlte und reale Nacht – Zukunft zerstört, zerbombt – Familien auseinandergerissen, aus den Augen verloren auf der Flucht, oder weil sie auf diesem Weg gestorben oder im Krieg gefallen sind. Erfahrungen, die derzeit bei vielen hochkommen, die in jungen Jahren selbst Krieg, Flucht und Vertreibung erlebt haben; Erfahrungen, die in diesen Tagen in der Ukraine viele machen; auch manche russische Soldaten, die eigentlich mit einer militärischen Übung, nicht aber mit dem Krieg gegen die Ukraine gerechnet haben.
Die Nacht von Hebron (vgl. Gen 15): die reale und gefühlte Nacht des Abram. Es ist wohl dunkel und kalt – Abram ist orientierungs- und hoffnungslos. In ihm ist es Nacht, zappenduster. Damit wir seine Nacht ansatzweise nachfühlen und verstehen können, sind einige Hintergrundinformationen notwendig: Abraham heißt noch „Abram“, „Vater der Anhöhe“ und noch nicht „Abraham“, „Vater der Menge“. Abram und seine Frau Sara sind alt und kinderlos, ein Paar scheinbar ohne Zukunft. Dabei hatte Gott ihnen schon mehrfach – erstmals in Gen 12,1-3 – Nachkommen und eigenes Land verheißen, aber bisher hat sich dahingehend nichts getan. Gottverlassene Nacht. Ich stelle mir vor, dass Abram mit gesenktem Kopf dasteht, enttäuscht, weil Gott nicht eingegriffen und seine Verheißung nicht erfüllt hat.
In zartem Gelb erhellen Sterne die Nacht von Hebron und Abrams Nacht – ein Lichtermeer am Himmel. Die unzählbare Zahl und das leuchtende Gelb der Sterne zaubert vielleicht ein Lächeln auf Abrams Gesicht und stimmt ihn optimistisch – Hoffnungslicht mitten in der Nacht. Sehen kann es Abram nur, wenn er den Kopf nicht hängen lässt, sondern mit wachem und aufmerksamem Blick zum Himmel, zu Gott und seinen Verheißungen und zu den Sternen aufblickt. Die funkelnden Sterne in leuchtendem Gelb verkörpern Gottes Gegenwart. Gott durchbricht Abrams Nacht und macht sie hell, verheißt erneut Nachkommen, Land und eine gute Zukunft. Die Unzahl der Sterne strahlt Gottes unerschöpfliche Menschenfreundlichkeit aus und kündet von einer guten Zukunft, von Leben in Fülle, durch den Leben verheißenden Gott mitten in der gefühlten und erlebten Nacht.
Abram glaubt und vertraut Gott und seinen Verheißungen und Gott schließt einen Bund mit ihm. Die Verpflichtung Gottes gegenüber Abram und seinen Nachkommen ist ein archaisch anmutendes Geschehen (vgl. Gen 15,9-12.17); sichtbare Zeichen der Gottespräsenz sind das hell und gelblich leuchtende Fackelfeuer und der rauchende Ofen (vgl. Gen 15,17).
Noch mehr und strahlkräftiger wie das zarte Licht der Sterne ist das Licht, das Christus ist und ausstrahlt: Christus, dein Licht, verklärt unsre Schatten, lasse nicht zu, dass das Dunkel zu uns spricht. Christus, dein Licht, erstrahlt auf der Erde und du sagst uns, auch ihr seid das Licht (GL 815). Ein Lichtblick für die drei Jünger, die Jesus mit auf den Berg der Verklärung nimmt (vgl. Lk 9,28b-36): Jesus in strahlend goldgelbem Licht, umgeben von zwei Lichtgestalten, Mose und Eija. Sie reden viel, vor allem über das Ende, das Jesus bevorsteht. Die drei Jünger schlafen überfordert und erschöpft ein – Leiden, Kreuz und Tod sind zu viel – nicht zu (er)fassen. Als sie aufwachen sehen sie Jesus durch und durch strahlend – österlich. Diesen wunderbaren Lichtblick, die Verklärung von Kreuz und Leiden, diesen Durchblick auf Ostern wollen sie fassen und festhalten. Drei Hütten will Petrus bauen: „Es ist gut, dass wir hier sind“ (Lk 9,33), sagt er – und wir können ergänzen: es ist gut, dass du Jesus Christus da bist, dass du Licht für uns bist und uns die Ängste nimmst. Dieses Licht schenkt Hoffnung, die bleibt, auch wenn das Licht nicht mehr sichtbar ist. Genau das erleben die drei Jünger, als sie in eine Wolke geraten: Die Angst überfällt sie. Der Schatten der Wolke verdunkelt ihr Dasein – erlebte und gefühlte Nacht. Gott schenkt den Ängstlichen Hoffnung: Er bekennt Jesus als seinen Sohn, den Christus. Und er fordert die Jünger auf, auf an seinen Sohn zu hören, an ihn zu glauben, daran zu glauben, dass Jesus Christus Licht ist. Die Jünger könnten singen: Christus, dein Licht, verklärt unsre Schatten, lasse nicht zu, dass das Dunkel zu uns spricht. Christus, dein Licht, erstrahlt auf der Erde und du sagst uns, auch ihr seid das Licht (GL 815).
Die drei Jünger, die diesen Lichtblick und die Angst auf dem Berg erleben, sind dieselben, die wenige Wochen später mit Jesus an den Ölberg gehen, hinein in die Nacht, in der Jesus gefangen und gefoltert wird, die Nacht vor seiner Kreuzigung auf dem Berg Golgota. In diesen Stunden gibt der Lichtblick der Verklärung Hoffnung – Hoffnung auch für die Golgota-Orte unserer Tage – Hoffnung auf Leben – Hoffnung auf eine gute Zukunft. Jesus Christus nimmt uns und die Leiden unserer Tage mit auf den Hoffnungsweg zu diesem Leben in Frieden, Freiheit und Freude. Es ist der Weg auf Ostern zu, auf dem uns das Licht vom Ende der Nacht entgegenstrahlt. AMEN.

03/4/22

PREDIGT ASCHERMITTWOCH

2 Kor 5,20-6,2 + Mt 6,1-6.16-18

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!

Gestern stand ein kleiner frühlingshafter Blumengruß vor meiner Tür – einen Tag zu früh – aber passend in der Farbe Lila. Die heute beginnende Vorbereitungszeit auf Ostern zeigt sich auch in dieser liturgischen Farbe –violett. Mit dieser Farbe violett, der Farbe der Fastenzeit und der österlichen Bußzeit möchte ich eine Predigtreihe beginnen: Violett – eine der sechs Farben, aus denen ein Regenbogen besteht – eine Farbe aus der Fülle der Farben, der Fülle des Lebens und des erfüllten Lebens. Violett, gilt als Farbe des Geistes und der Spiritualität. Sie soll das seelische Gleichgewicht und die Entschlusskraft fördern und hat eine stark meditative Wirkung. Sie beeinflusst das Unterbewusste und dient zur therapeutischen Unterstützung bei tiefenpsychologischen Problemen. Violett ist die Farbe, die zur Ruhe kommen lässt. Die Fastenzeit ist eine stille Zeit nach dem lärmend lauten Fasching und eine Zeit, in der wir uns in diesen unruhigen Kriegszeiten Waffenruhe und Frieden wünschen und dafür beten. Dieser Wunsch nach äußerer Ruhe und Frieden korrespondiert mit dem Wunsch nach innerer Ruhe, nach Entschleunigung, nach innerem Frieden und Zufriedenheit.

Die drei Grundhaltungen gelebter Glaubenspraxis, Fasten, Beten und der Dienst am Nächsten, wie sie Jesus im Evangelium am Aschermittwoch (vgl. Mt 6,1-6.16-18) empfiehlt, können zu dieser inneren Ruhe beitragen:

Das Fasten betrifft mein Ich – es ist keine Einladung zur Diät oder zum Abnehmen. Darum geht’s wirklich: Ich soll mir selbst und meiner Bedürfnisse bewusst werden. Was brauche ich wirklich zum Leben? Worauf kann ich verzichten? Durch Verzicht soll ich erkennen, was alles nicht lebensnotwendig ist und mich und mein Leben oft unnötig belastet.

Durch den Verzicht werde ich offen – offen für Gott. Ich nehme mir bewusst Zeit fürs Gebet und pflege, ja erneuere so meine Gottesbeziehung. Ich darf mich wieder neu auf Gott einlassen, ihn als menschenfreundlichen und liebenden Gott erkennen, als einen, der mich annimmt mit meinen Ecken und Kanten, mit meinen Fehlern und Schwächen. Violett steht für die spirituelle Vertiefung – also genau passend zu diesem Anliegen der Fastenzeit.

Durch den Verzicht werde ich offen – offen auch für meine Mitmenschen. Das Almosengeben drückt meine sorgende Beziehung zu meinen Nächsten aus, zu den Menschen, die mich und meine Hilfe in Wort und Tat nötig haben – jetzt gerade die Menschen in der Ukraine. Mit Almosen ist nicht nur meine finanzielle Hilfe und Spendenbereitschaft gemeint, sondern auch meine tätige und zupackende Hilfe, eben dort, wo ich gebraucht werde.

Das Doppelgebot der Liebe fasst diese dreifache Bezogenheit jedes Menschen auf das eigene Ich, auf das göttliche Du und auf das mitmenschliche Du in folgende Worte: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (Mt 22, 37-39). Die Worte Jesu zeigen mir, dass Gottes-, Selbst und Nächstenliebe gleichrangig sind. Ich kann nicht das eine durch das andere ersetzen, denn sonst gerät mein Leben in Schieflage. Wenn ich nur an die anderen denke und nie an mich selbst, dann reibe ich mich letzten Endes auf. Wenn ich nur Gebet und Gottesdienst für wichtig halte, verstoße ich gegen das Gebot der tätigen Nächstenliebe, die Jesus den Jüngern mit der Fußwaschung aufgetragen hat. Wenn ich nur an mich denke, fehlt mir der Halt im Leben, den Gott und der Glaube mir geben können. Es gilt, in den kommenden Tagen alle drei Beziehungen neu zu überdenken.

Es gilt, umzukehren und sich neu auszurichten, um wieder die Balance der Beziehungen zu finden und so die Wandlung zu einem österlichen Menschen zu vollziehen. Da violett die Farbe ist, die mit Reinigungs- und Umkehrprozessen verbunden ist – ist sie auch da die passende Farbe: für die Umkehr im privaten Bereich wie auch für die die Umkehr, Reinigung und Neuausrichtung im kirchlichen Bereich und überall dort, wo Menschen versagt haben, wo auch Reue und Buße notwendig ist. „Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20).

Mit der Farbe violett und der „Asche auf dem Haupt“ wollen wir als Christen unserem Leben eine Wende geben – dazu werden wir auch aufgefordert: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15b) – glaubt an das Gute und ändert euer Leben zum Guten. Fangen wir heute damit an ermutigt durch die Farbe violett – die uns durch diese Zeit auf Ostern hin begleitet.

03/1/22

PREDIGT 8. SO IM JAHRESKREIS (C)

Sir 27,4-7 + Lk 6,39-45

Letzten Freitag gab es Zeugnisse, die Beurteilung von Leistungen in der Schule. Jede und jeder einzelne ist aber mehr als eine Note, mehr als eine Zahl auf dem Papier. Bei Bewerbungsverfahren wird daher oft Augenmerk auf das Bewerbungsgespräch gelegt, auch eine Art Prüfung, aber umfassender, weil es den ganzen Menschen in den Blick nimmt: sein Auftreten, seine Interessen, seine fachliche Qualifikation und Eignung für einen bestimmten Arbeitsbereich und seine Integrationsfähigkeit in ein Team. … Dann wird beraten und beratschlagt. … und dann auch ausgewählt und ausgesiebt.
Die Lesung mahnt zur sorgfältigen Prüfung, zur Menschenkenntnis, um nicht „blind“ zu vertrauen oder „betriebsblind“ auf die falsche Führungskraft zu setzen (Lk 6,39): „Lobe keinen Menschen, ehe du nachgedacht hast; denn das ist die Prüfung für jeden“ (Sir 27,7). Jesus Sirach erklärt die Prüfung anhand von drei Bildworten (Sir 27,4-6): Sieb – Brennofen – Baum.
Auch wenn Sir 27,4 nur ein Sieb nennt, kommen in Realität zwei Siebe zum Einsatz, um nach dem Dreschen und Worfeln des Getreides Körner ohne Verunreinigungen zu erhalten: Im Sieb fürs Grobe bleiben Unrat, Stroh und Häcksel hängen – die Körner fallen durch die Sieböffnungen. Das feinmaschige Sieb dagegen hält die Körner zurück – Sand und Staub fallen durch. So könnten auch Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt „gesiebt“ werden.
Der Brennofen, der in Sir 27,5 genannt ist, ist ein Bild für die Qualitätsprüfung nicht nur von Töpferware. Beim Brennen zeigt sich nämlich, ob sorgfältig gearbeitet oder nur auf den schönen Schein geachtet wurde: Kleinste Lufteinschlüsse bringen ein Gefäß beim Brennen zum Bersten. So zeigt sich im „Brennofen“ eines Gesprächs, ob einer auch unter Belastungsanforderungen hält, was er äußerlich verspricht und vorgibt.
In der Landwirtschaft achtet man nicht nur auf die Größe eines Ackers, sondern auch auf den Bodenertragswert, also darauf, ob es ein „guter“ oder „schlechter“ Boden bzw. welcher Ernteertrag zu erwarten ist. Heutzutage kann man das anhand von verschiedenen Bodenparametern bestimmen – früher hat man von der Quantität des Ertrags und der Güte der Früchte auf die Qualität des Bodens geschlossen. Ebenso sind die Worte eines Menschen Frucht dessen, was er im Herzen trägt (vgl. Sir 27,6; Lk 6,43-45).
Menschenerkenntnis – mit Jesus Sirach haben wir Kriterien bei der Hand für die äußerliche und innerliche Qualitätsprüfung sowie um Rückschlüsse auf das „Ackerfeld“ und Abgründe menschlichen Lebens zu ziehen: In den vergangenen Tagen trennte sich auf dramatische Weise die Spreu vom Weizen – es ist Krieg. Wir wurden eiskalt belogen; alles Reden war Täuschung und Blendwerk, alle Friedensbemühungen Putins waren heuchlerisch – es ist Krieg. Am verbrecherischen Vorgehen Putins zeigte und zeigt sich, was wirklich in seinem Herzen ist: Krieg, um die Gier nach Macht, Einfluss und alter Größe der Sowjetunion zu befriedigen – Menschen und Menschenleben sind Putin egal; er geht über Leichen – es ist Krieg. Dieser Krieg ist zu verurteilen und muss aufhören! Frieden kann man nicht erzwingen; Frieden muss man wollen – von beiden Seiten! Und das scheint derzeit aussichtslos. Wir können nur für den Frieden beten – und das tun wir nicht nur heute!
Wir kennen das von „Kleinkriegen“ in Familie und Beruf: Wenn eine oder einer nicht auf meine Position einlenken will, wenn er oder sie sich nicht helfen lassen will, dann wird es schwer mit einer friedlichen Lö-sung. Jeden winzigen Fehler beim anderen suchen, das mache ich gern – dem anderen helfen zu wollen, das gelingt bei weitem nicht immer; das kostet Überwindung. Es ist aber auch deshalb schwer, weil ich mir selbst oft eingestehen muss, dass auch ich – um mit den Worten des Evangeliums zu sprechen (Lk 6,41-42) – etwas im Auge habe und nicht klar sehe. Den winzigen Splitter im Auge meines Gegenübers zu entfernen, würde so nicht gelingen, sondern ich würde ihn durch meine eingeschränkte Sicht nur noch mehr verletzen.
Ganz ehrlich soll ich sein und bei mir anfangen – auch eine Art Prüfung. Sieh auf dich selbst! Sei kein Heuchler! Sieh auf den Balken in deinem Auge und das Brett vorm Kopf – sie sind mindestens genauso groß, wenn nicht sogar größer als bei deinem Gegenüber! Fang bei dir an und beseitige, was dich einschränkt und dir die Sicht nimmt. Ändere zuerst dein Verhalten, bevor du anderen helfen willst – und suche nicht, dein Gegenüber zu verändern, sondern so zu akzeptieren, wie er oder sie ist. AMEN.

02/21/22

PREDIGT 7. SO IM JAHRESKREIS (C)

1 Sam 26,2.7-9.12-13.22-231 + Lk 6,27-38

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Bei jeder Serie, die im Fernsehen läuft oder die man streamen kann, kommt zu Beginn ein kurzer Rückblick, damit man den Anschluss nicht verliert. Erinnern Sie sich? Das war letzten Sonntag dran: Wenn wir das Leben und das Lebensnotwendige teilen und die Mitmenschen daran teilhaben lassen, kann das Leben gelingen und alle haben gewonnen. Dann gilt: Mensch, freu dich! – und nicht mehr: Leider verloren! Mensch, ärger dich nicht!
Aber so einfach ist das nicht: Es bleiben Verlustängste und -realitäten:
Die meisten von uns haben etwas zu verlieren: den Arbeitsplatz, den eigenen Wohlstand, die Gesundheit, das Leben, ihre Würde, ihren guten Ruf.
Die meisten von uns haben etwas zu verlieren – und versuchen sich abzusichern: Vorsorge und Versicherungen für alle Eventualitäten des Lebens.
Die meisten von uns haben etwas zu verlieren – und versuchen sich abzusichern. Wenn es sein muss mit Gewalt.
Die Lesung aus dem Buch Samuel erzählt von Verlustängsten, vom Versuch sich abzusichern, von handgreiflicher Gewalt gegenüber Kleinen.
Der Konkurrenzkampf zwischen Saul und David: König Saul, der das Vertrauen Gottes verspielt hatte – gegen den von Gott zum neuen König gesalbten jugendlichen David. Saul sucht David in seine Gewalt zu bringen, ihn umzubringen, um so seine Position und seine Macht als König zu sichern. An dieser Stelle setzt die Lesung ein: 1 Sam 26,2.7-9.12-13.22-23 dreht sich um die Auseinandersetzung und den Umgang mit Macht. Alles dreht sich um die Frage, was es wirklich braucht, um ein guter König zu sein – und was in dessen Macht steht: David lässt Saul am Leben, obwohl David die Macht gehabt hätte, Saul zu töten. Er handelt damit anders, als Saul an Davids Stelle gehandelt hätte.
Und genau da ist der Unterschied zwischen Gewalt und Aggression. Das lateinische Verb aggredere bedeutet wörtlich nahe herangehen. David ist in diesem Sinn aggressiv: er geht bis an die Grenze, aber übertritt sie nicht. Er wahrt die Grenze, die Sauls Lebens und körperliche Unversehrtheit schützt – er krümmt ihm kein Haar. Genau das ist der gravierende Unterschied zu einem Gewalttäter, der die Grenzen anderer überschreitet.
Es ist kein Zufall, dass viele Gewalttäter, vor allem in Formen von häuslicher Gewalt, aggressions-gehemmte Typen sind – Menschen, die mit mitmenschlicher und zwischenmenschlicher Nähe ihre Schwierigkeiten haben. Bei Priestern und Ordensleuten, die es nicht gelernt haben, verbal und im Umgang liebevoll und wertschätzend miteinander umzugehen, Nähe zuzulassen und die Grenzen zu kennen und zu akzeptieren, liegt genau dort –
und nicht primär im Zölibat oder einer bestimmten sexuellen Orientierung – das Gefahrenpotential: Sie überschreiten Grenzen, missbrauchen ihre Macht und die Abhängigkeit und die Ohnmacht anderer; sie missachten die Würde des anderen und zerstören Menschenleben und Kinderseelen.
Die katholische Kirche hat Schuld auf sich geladen, weil sie ungute Machtstrukturen gefördert und durch diese auch Missbrauch und Misshandlungen gedeckt und vertuscht hat. Kirche versucht diese Fälle aufzuarbeiten – wie das im Erzbistum Bamberg geschehen ist und geschieht, dazu finden Sie demnächst eine Stellungnahme von Erzbischof Dr. Ludwig Schick auf der Homepage unserer Pfarrei. Für andere gesellschaftliche Organisationen wie Schulen, Vereine etc. würde ich mir eine derartige Aufarbeitung der Vergangenheit wünschen – oft ist da aber ein Deckmantel des Schweigens.
Ja, wir brauchen Reformen, die die „Macht über Mitmenschen“ abschaffen, die Ohnmachtsstrukturen unterbinden und Machtmissbrauch verhindern. Und ja, wir brauchen Reformen, die die „Macht für und im Einsatz für die Mitmenschen“ fördert und damit die lebensdienliche Dimension der Macht und deren Möglichkeiten, Dinge zum Guten zu wenden. Diejenigen, die ein Amt oder eine Machtposition in der Kirche, in Politik und Gesellschaft innehaben, sollen alles in ihrer Macht Stehende tun zum Wohlergehen der Menschen: helfend und mahnend, kritisierend und ermutigend. Letztlich kann das jede und jeder. Austreten – auch das steht in meiner Macht; aber durch einen Austritt entmachte ich mich selbst und beraube mich der Möglichkeit zur Mit- und Umgestaltung von Kirche und Gesellschaft.
Ich nutze jetzt meine „Macht“ als Prediger: Jesus zeigt im heutigen Evangelium Lk 6,27-38 viele gute Wege zu gelingendem Leben auf, aber ein Wort Jesu stört mich: „Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin“ (Lk 6,29). Dieser gewaltfreie Widerstand funktioniert nämlich nur, wenn er öffentlich ist, wenn alle den Machtmissbrauch und die übergriffige Gewalt sehen. Dort aber wo derartige Machenschaften im Verborgenen und unter dem Deckmantel von Machtstrukturen geschehen, ist den Opfern mit dieser Aussage Jesu nicht geholfen – im Gegenteil, sie verlängert das Leid und die Gewalt; das gilt für den häuslichen Bereich gleichermaßen wie für die Kirche. Jeder Missbrauch ist ein Missbrauch zu viel, ganz egal ob er auf körperlich-sexueller, verbaler oder auf geistlicher Ebene geschieht.
Wir brauchen mehr Achtsamkeit im Umgang miteinander: Ein Verhalten, das in der Wertschätzung jedes menschlichen Lebens gründet. Es geht um eine Ethik, die von Liebe und nicht von Gewalt geprägt ist: Es zählt nicht die Liebe zur Macht, sondern die Macht der Liebe – die Liebe, die wir anderen erweisen. „Wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihr ihnen“ (Lk 6,31), so bringt es Jesus im Lukasevangelium auf den Punkt. Es ist die goldene Regel, die so heißt, weil sie wertvoll und wichtig ist für ein gutes und gelingendes Zusammenleben und Wirken in Kirche und Gesellschaft: Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen. AMEN.

1 Vgl. hierzu die Auslegung des Kath. Bibelwerkes zum 7. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C (https://www.bibelwerk.de/fileadmin/sonntagslesung/c_jahreskreis.07_l1_1.sam.26.pdf), von der diese Predigt inspiriert ist und die auf die aktuelle Situation in der Kirche übertragen wurde. Ein-zelne Textpassagen sind – wenn auch nicht explizit gekennzeichnet – wörtlich übernommen.

02/13/22

PREDIGT 6. SO IM JAHRESKREIS (C)

Jer 17,5-8 + Lk 6,17-18a.20-26

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, leibe Jugendliche!

Leider verloren! Mensch, ärgere dich nicht! Leider verloren! Schöne Sch….
Mal ehrlich: Möchten Sie zu den Verlierern gehören? Hungern, klagen und weinen – trostlos – gehasst, verrufen, verschmäht und erfolglos sein – „um des Menschensohnes willen“ (Lk 6,22). Wer will das schon, dieses traurige Dasein, auch wenn es selig machen soll? Auf den großen Lohn im Himmel kann ich getrost verzichten, wenn ich dafür in diesem Leben leiden muss: Ich will Freude und die Lust am Leben im Hier und Jetzt spüren!
Keine Frage, warum die Kirche in Deutschland fortlaufenden Erfolg hat – immer mehr Menschen kehren den christlichen Kirchen den Rücken und gehen. Sie gehen, weil es Missbrauch und Skandale gab und gibt. Aber sie gehen auch, weil es ihnen gut geht – zu gut –, weil die Botschaft Jesu sie nicht erreicht, weil es nicht ihre Botschaft ist. Jesu Botschaft gilt primär den Armen; für sie ist sie Zuspruch und Hoffnungswort: „Selig, die ihr jetzt …, denn“ (Lk 6,20-22) – eine wirkliche Frohe Botschaft. Und auch Freude darüber, dass bestehende Missverhältnisse und prekäre Lebenssituationen sich zum Guten ändern werden – auch wenn das bedeutet, dass diejenigen, denen es jetzt gut geht, später leiden werden.
Mich ärgern die Seligpreisungen im Lukasevangelium: Sie klingen wie eine billige Vertröstung auf das Jenseits – dann nach dem Tod, wird alles gut – wer’s glaubt wird selig! Gerechtigkeit sieht für mich anders aus: Schon auf Erden soll es allen Menschen gut gehen – nicht erst im Himmel! Was hilft es der Flüchtlingsfamilie, auf einem sinkenden Boot im Mittelmeer? Welchen Trost bringen diese Aussagen Jesu für hungernde, ausgezehrte und medizinisch nicht versorgte Menschen in Entwicklungsländern? Was hilft es der Alleinerziehenden, die keine Arbeit findet? Was bringt es dem Jugendlichen, der in den sozialen Medien gemobbt wird?
Auf den ersten Blick bringt die Botschaft Jesu nichts: Den Armen und Schwachen macht sie zwar Mut, aber wenn sich nichts an ihrer prekären Lebenssituation verändert, war es das auch. Dann tragen diese ermutigenden Worte irgendwann nicht mehr; dann brechen Menschenleben zusammen; dann bleibt letztendlich nichts als Mutlosigkeit und Resignation zurück.
Das Lukasevangelium will durch zwei – wie mir scheint wichtige Details – eine andere Reaktion hervorrufen. Die Seligpreisungen stehen auch im Matthäusevangelium – dort sind sie Teil der „Bergpredigt“ (Mt 5,1-7,29). Bei Lukas gehören sie zur sogenannten „Feldrede“. Sie beginnt nach der Berufung der Jünger mit den Worten: „Jesus stieg mit ihnen den Berg hinab. In der Ebene […] blieb er stehen“ (Lk 6,17). Jesus redete zu den Menschen nicht „von oben herab“. Er steigt hinunter zu denen, die arm, krank oder hungrig sind. Jesus begegnet ihnen auf Augenhöhe – er sieht ihren Sorgen und Problemen ins Auge; er sieht ihren Alltag und das, was sie beweg, umtreibt und belastet. In diese Situation hinein spricht Jesus seine menschennah zugewandte und aufrichtende Botschaft. Mit Jesus Christus bricht das Reich Gottes an. In ihm steckt die verändernde Kraft hin zu einer besseren Welt, zum Reich Gottes mitten unter den Menschen.
Im Evangelium nach Lukas stehen anders als bei Matthäus nicht nur die Seligpreisungen, sondern als Gegengewicht die Weherufe. Diese Botschaft ist eine Mahnung an die Reichen, Satten, Lachenden und Erfolgreichen, sich durch den eigenen Lebensstil nicht selbst vom Reich Gottes auszuschließen (vgl. Lk 13,24-28) – und sie ist zugleich ein Appell, am Reich Gottes und an einer besseren und gerechteren Welt mitzubauen: Es geht nicht um ein immer mehr für mich. Erfülltes Leben besteht nicht im eigenen Luxus, nicht darin der Beste zu sein, die Angesehenste und nicht darin, immer lachend im Mittelpunkt zu stehen. Es geht nicht nur um mich, sondern um alle – darum, dass auch Arme und am Rand Stehende daran teilhaben können: Ermöglichung von Partizipation an erfülltem, gutem Leben, genau das meint „den Nächsten zu lieben wie sich selbst“ (Lk 10,27) – nicht mehr, aber auch nicht weniger!
Wenn ich so handle, habe ich nicht verloren – wenn jede und jeder so handelt, können wir alle gewinnen und alle selig werden und glücklich sein – wenn wir alle so handeln, sind glaubwürdig Kirche. AMEN.

02/6/22

PREDIGT 5. SO IM JAHRESKREIS – LICHTMESS (C)

Mal 3,1-4 + Lk 2,22-40 (Texte von „Lichtmess“)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Alles wird gut – mit diesem Song von „Kummer“ endete der Jugendgottesdienst am 3. Advent, den Schwarzenbacher Jugendliche vorbereitet hatten. Alles wird gut – ein Song, der zwar optimistisch von Hoffnung singt, aber auch pessimistisch davon, wie dieses Hoffnungslicht im Wind der Herausforderung der Zeit flackert und zu erlöschen droht; Hoffnung, die nicht mehr die Strahlkraft hat oder längst schon verloren ist: „Ich würd dir gerne deine Angst nehm’n, alles halb so schlimm. Einfach sagen, diese Dinge haben irgendeinen Sinn […]. Ich wär gerne voller Zuversicht. Jemand, der voll Hoffnung in die Zukunft blickt; der es schafft, all das einfach zu ertragen. Ich würd dir eigentlich gern sagen: Alles wird gut. Die Menschen sind schlecht und die Welt ist am Arsch – aber alles wird gut; das System ist defekt, die Gesellschaft versagt – aber alles wird gut; dein Leben liegt in Scherben und das Haus steht in Flamm’n – aber alles wird gut. Fühlt sich nicht danach an – aber alles wird gut.“
Alles wird gut – das sagt sich so leicht und ist oft oberflächlich. Es prallt an uns ab, weil es die Gegebenheiten und Realitäten des Lebens nicht ernst nimmt: Ich kann einem Schwerkranken, einem Trauernden, einem Missbrauchsopfer nicht sagen „alles wird gut“ – nein es braucht Anteilnahme: Mitleiden, Nähe und Dasein; Zuhören, Reden, oft auch langes Schweigen und Ratlos sein – dann kann es gut werden … mit der Zeit – dann kann da wieder Licht sein: Licht am Ende des Tunnels, Licht, das den Weg weist. Alles wird gut – das feiern wir an Weihnachten: Gott wird Mensch. Er kommt uns ganz nah, ist da für uns, ist Wegweiser und Orientierung. Es ist kein oberflächliches und beschwichtigendes „wird schon alles (wieder) gut“ – sondern ein ernst gemeinter Zuspruch, der nicht nur Wort ist, sondern Mensch gewordenes Wort, das neuen Mut schenkt und Lichtblick ist: den Hirten in ihrer prekären Lebens- und Arbeitssituation damals in der Dunkelheit und Kälte auf den Hirtenfeldern – Hoffnung auf ein besseres Leben. Er, Jesus Christus, ist diese Hoffnung. Er ist das Licht in der Nacht des Lebens. Mit IHM kann alles gut werden … mit der Zeit. Denn mit Jesus Christus beginnt etwas Neues: Hoffnungszeit und die Gewissheit, dass mit IHM alles gut werden kann und werden wird. „Nun kann ich zufrieden und in Frieden aus dem Leben scheiden“ (vgl. Lk 2,29), jubelt Simeon im Lichtmess-Evangelium. Simeon und Hanna erkennen, dass mit dem Jesuskind, das Maria und Josef in den Tempel bringen, eine neue Zeit anbricht: Es ist mehr und umfassend anders als das Eltern erleben, wenn ihr Kind auf der Welt ist und sich alles um das Neugeborene dreht. Es ist anders und das spüren Simeon und Hanna: Mit
Jesus Christus bricht eine Heilszeit an – eine Heilszeit, eine gute Zeit für ihr eigenes Leben und die Lebenszeit, die ihnen noch bleibt – eine Heilszeit, eine gute Zeit für das Volk Israel und für alle Völker. Jesus Christus ist das Licht, das die erlebten Dunkelheiten und gefühlten Nächte erhellen will. ER will Licht und Trost spenden. Jesus Christus ist nicht weit weg, sondern ER kommt zu den Menschen, hinein in ihre konkrete Lebenssituation – er ist bei ihnen und ihren Sorgen, Nöten und Ängsten. An „Lichtmess“ segnen wir Kerzen für den Gottesdienst, zum Aufstellen und Anzünden aus Dankbarkeit oder bei einer Gebetsbitte und für den privaten Gebrauch. Die Kerzen sollen Licht bringen in unsere Kirche(n) und Häuser, in unsere Gemeinde(n), in unsere Familien und in jedes Herz. Die Kerzen sind heute für die Segnung genau dort aufgebaut, wo bis vor wenigen Tagen die Krippe mit dem Jesuskind darin stand – ein sprechendes Zeichen: Jesus Christus ist das Licht. ER leuchtet in diesen und durch diese Kerzen hinein in unser Leben, hinein in meine Lebenwelt. ER macht meine Finsternis hell. Dann geht mir vielleicht wie den Hirten oder wie Simeon und Hanna ein Licht auf – dann leuchtet mir Jesus Christus ein: Jesus Christus das Licht – nicht mit Händen zu greifen, sondern nur im Glauben zu erfassen – dann ist sein Licht in mir – dann ist ER Lichtblick, Hoffnungszeichen und Wegweiser für mein Leben – dann kann alles gut werden … mit der Zeit. Alles wird gut. AMEN.

01/30/22

WOCHENIMPULS

LIEBE darum geht es in unserer Kirche.

LIEBE und woran sie sichtbar wird – und woran eben nicht.

LIEBE ist der Wesenskern Gottes und LIEBE ist der Markenkern der Kirche.

Gott ist LIEBE – in Jesus Christus hat die LIEBE ein menschliches Gesicht.

Wo wir im Privaten, in Kirche und Gemeinde liebevoll miteinander umgehen, da ist LIEBE, da ist Gott.

 

Ein Gesang aus Taizé sagt das mit einfachen Worten (GL 445) – hier der LINK: https://www.youtube.com/watch?v=eF8AW6JzWpE

 

Der Impuls für die Woche bezieht sich auf die heutige Sonntagslesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde von Korinth (1 Kor 12,31-13,13).

Hier der Schrifttext zum Nachlesen.

Schwestern und Brüder!
Strebt nach den höheren Gnadengaben!
Dazu zeige ich euch einen überragenden Weg:
Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete,

hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.
Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte;
wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte,

hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.
Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib opferte, um mich zu rühmen,
hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts.

Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig.
Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf.
Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil,
lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach.
Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit.
Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand.
Die Liebe hört niemals auf.
Prophetisches Reden hat ein Ende, Zungenrede verstummt, Erkenntnis vergeht.
Denn Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden;
wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk.
Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind.
Als ich ein Mann wurde, legte ich ab, was Kind an mir war.
Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse,

dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.
Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk,
dann aber werde ich durch und durch erkennen,

so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.
Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;
doch am größten unter ihnen ist die Liebe.

Noch ein Lied zum Abschluss (GL 451) – hier der LINK: https://www.youtube.com/watch?v=HEKr-dzBRz4

Gott, Schöpfer des Lebens und der Liebe,

zärtlich und liebevoll ermutigst du die Menschen, an deine Liebe und Menschenfreundlichkeit zu glauben.

Du schenkst Hoffnung, Trost und Kraft zum Neuanfang, wenn Liebe enttäuscht wurde und Partnerschaften zerbrochen sind.

Bestärke du alle Menschen, die partnerschaftlich und liebend unterwegs sind, verheiratet oder unverheiratet, jung oder alt

und befähige uns alle, unsere Mitmenschen zu lieben und so in deiner Liebe zu bleiben.

Darum bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und uns liebt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

 

Uns allen eine gute und gesegnete Woche, in der Gottes Liebe wirkt und auch durch uns Hand und Fuß bekommt, Wort und Tat wird.

01/30/22

PREDIGT 4. SO IM JAHRESKREIS (C)

1 Kor 12,31-13,13 + Lk 4,21-30

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Out in church – ja ich habe den Mut und oute mich: Ich bin einer von ihnen – aber immer nur montags, an meinem freien Tag – immer um 14.10 Uhr bin ich dabei: da läuft Rote Rosen. Ja, ich gestehe, ich bin ein Roter Rosen-Fan; nicht täglich, da ich keinen Fernseher besitze, aber montags mit meinen Eltern, die diese Seifenoper gerne schauen – und wie viele von Ihnen auch. Es geht in Rote Rosen – wie schon zu vermu-ten – um Liebe, um hin und her und wer mit wem, um auf und ab.
Love in church – ja, es geht um Liebe – auch in der Kirche. Liebe ist ein Segen für den, der geliebt wird und für die, die Liebe empfängt. Paulus schreibt von der Liebe im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth (1 Kor 12,31-13,13). Es ist der Text, den wir oft bei kirchlichen Trauungen hören: Und doch sagen mir viele Paare bei der Ehevorbereitung: wir wählen lieber einen anderen Text, denn das „Lob auf die Liebe“ überfordert uns – ist ein unerreichbares Ideal – blendet Schwierigkeiten aus – ist zu realitätsfern: „Die Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf“ (1 Kor 13,7-8a). Viele Paare machen andere Erfahrungen: Zeiten des Ungeliebtseins, des Brüchigwerdens und des Zerbrechens der Liebe und der Ehe – Scheitern und Scheidung.
Und doch kann das „Hohelied der Liebe“ Wegweiser sein, ein SOLL, für mit- und zwischenmenschliche Liebe in Ehe und (Lebens-)Partnerschaft – egal wer da wen und wie liebt und sich in Liebe verbunden fühlt. Paulus bewertet nicht die Liebenden als Person, sondern er charakterisiert die Liebe – in der Tat. Liebe zeigt und realisiert sich im Tun und Handeln, nicht in einem romantischen Gefühl oder der sexuellen Orientierung.
Es ist eine Liebe, die Mut braucht, sich zueinander zu bekennen – angstfrei – auch in der Kirche. Liebe, die Mut braucht, sich zu trauen, das Leben und die Liebe miteinander zu wagen. Liebe, die langen Mut braucht (vgl. 1 Kor 13,4-7): Mut, miteinander in eine gemeinsame und doch ungewisse Zukunft zu gehen; Mut, in guten wie in schlechten Tagen füreinander zu sorgen, zu sehen was der/die andere braucht, wie man ihr/ihm helfen und sie/ihn unterstützen kann. Mut zur Liebe, die das Gute will und nicht den eigenen Vorteil sucht. Mut zur Liebe, in der Partner treu, offen und ehrlich zu einander sind. Mut zur Liebe, die so groß ist, dass sie auch verzeihen kann.
Diese Liebe kann überfordern. Sie fordert uns noch mehr, da Paulus nicht von einem SOLL, sondern von einem IST spricht: „Die Liebe ist langmütig. Die Liebe ist gütig. […] Die Liebe hört niemals auf“ (1 Kor 13,4-7).
Im Deutschen ist sprachlich nicht sofort klar, was oder wer mit dieser Liebe gemeint ist – wir haben eben nur dieses eine Wort: Liebe. Es ist nicht erotische Liebe und Sexualität gemeint, auch nicht freundschaftli-che Verbundenheit, sondern wie es im griechischen Text steht: Agape – göttliche Liebe. Auf diese von Gott geschenkte Liebe kommt es an, sonst wäre alles menschliche Tun vergebliche Liebesmüh (vgl. 1 Kor 13,1-3). Diese göttliche Liebe ist mehr als Akzeptanz, Sympathie, Zuneigung oder Nähe: „Gottes Liebe ist gütig. [… Sie] trägt das Böse nicht nach. [Gottes Liebe] freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. [… Gottes Liebe] hört niemals auf“ (1 Kor 13,4-8a). Wir können nicht aus dieser Liebe Gottes fallen: Gott nimmt uns an und liebt uns, trotz unserer Schuld, trotz unseres Versagens; Gott nimmt uns an und liebt uns, noch bevor wir etwas geleistet oder ihn gnädig gestimmt hätten.
God in church – ja, diese göttliche und Gott geschenkte Liebe soll uns als Gemeinde und als Kirche prägen. Paulus bettet das „Hohelied der Liebe“ textlich ein zwischen dem Verständnis der „Gemeinde als Leib“ (vgl. 1 Kor 12) und der Mahnung zum „friedlichen Miteinander im Dienst vor Gott“ (vgl. 1 Kor 14). Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth, in der es Geltungssucht, Parteiungen und Spaltungstendenzen gibt – und er schreibt uns als Kirche von heute, die auch diese Probleme hat und noch weit gravierenderer kennt, Liebe ins Stammbuch: Ohne Gottes Liebe und die göttliche Liebe in uns, die durch uns wirken möchte, ist jedes Tun in Gemeinde und Kirche nutz- und wirkungslos. Mit 15 Tätigkeitswörtern beschreibt Paulus, was Liebe tut, was ihr fernsteht und was aus Liebe gar nicht geht. Paulus beschreibt Gemeinde und Kirche als Handlungstraum der Liebe – als einen Ort, an dem viel Gutes geschieht, über das aber viel zu wenig gesprochen oder berichtet wird: Als Kirche und Pfarrgemeinde geben wir der Liebe ein Gesicht in Kindergärten und Altenheimen, in Beratungsstellen und bei der Klinikseelsorge, bei Geburtstags- und Krankenbesuchen, bei der Trauerbegleitung und in der Seelsorge. Paulus beschreibt Kirche als Handlungstraum der Liebe – als einen Ort, an dem Missbrauch tabu sein sollte – als einen Ort, an dem liebevoll sachlich diskutiert und transparent gearbeitet werden sollte zum Wohle der Menschen – als einen Ort, an dem die Wahrheit und Wahrheitsliebe oberste Maxime und Liebe angstfrei möglich sein sollte. Ich bleibe mutig dabei und arbeite weiter daran, dass dieses SOLL immer mehr Wirklichkeit wird – aus Liebe. Bleiben Sie dabei, bei der Kirche, in unserer Pfarrgemeinde, bringen Sie sich ein und arbeiten Sie mutig mit, damit Gutes erhalten bleibt, Ungenügendes besser gemacht werden kann und Untragbares abgeschafft wird. Bleiben Sie dabei – aus Liebe. AMEN.

01/24/22

PREDIGT 3. SO IM JAHRESKREIS (C)

1 Kor 12,12-31a + Lk 1,1-4; 4,14-21

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
„Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (Lk 4,21), sagt Jesus. Mit diesem „Heute“ leitet Jesus eine neue Zeit ein. Es ist kein „Heute“ „von gestern“, das uns nichts mehr anginge. Es ist ein „Heute“, das wirken will auch in unseren Tagen: frohe Botschaft – Be-freiung – Licht – klarer, ungetrübter Blick – nicht auf einem oder beiden Augen blind, wegschauend oder hinschauend und vertuschend.
Ein Vorwort zu einem Evangelium findet sich nur bei Lukas (vgl. Lk 1,1-4) – ein Vorwort, mit dem er die historische Situation einordnet. Lukas will die Wahrheit ans Licht bringen. Deshalb verlässt er sich auf Augenzeugen und nicht phantasievolle Lügner, die „blind“ erzählen. Lukas schreibt von Beginn an und sorgfältig, denn es geht ihm um Zuverlässigkeit.
Und dann macht das heutige Evangelium einen Zeitsprung: Die Kindheitsgeschichte und Taufe Jesu werden ausgeblendet – davon war an Weihnach-ten und an den vergangenen Sonntagen die Rede – und es kommt zum ers-tem öffentlichen Auftritt von Jesus. Geisterfüllt spricht er vom „Gnadenjahr des Herrn“ (Lk 4,21), das „Heute“ anbricht: Die Menschen befreit von Unterdrückung, mit offenen Sinnen und mit klarem Verstand; die Menschen voll Würde als Ebenbilder Gottes, achtsam im Umgang mit Mitmenschen und mit der Natur. Jesus nimmt die Menschen in Verantwortung dafür. Heute geschieht das. In euch. Durch euch. Wenn ihr das Eure tut.
Am vergangenen Donnerstag, den 20. Januar 2022, wurde das unabhängige Gutachten zum Umgang mit Missbrauch im Erzbistum München und Freising vorgestellt und veröffentlicht – knapp 1900 Seiten, auf denen Missbrauchsfälle von 1945 bis 2019 und das Verhalten der Verantwortlichen sorgfältig, von Anfang an und unter Einbeziehung vieler Zeu-gen aufgearbeitet wurden. Einige dieser Seiten habe ich gelesen. Wahrlich keine frohe Botschaft und Lichtblick für die katholische Kirche – aber wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen: Es gab und gibt sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche und es gab und gibt Verantwortliche, die (zu) wenig zur Aufklärung dieser Fälle beigetragen und auch vertuscht haben: „Ein Abgrund an Klerikalismus, Institutionenschutz und Führungsversagen“, so war in einem Artikel zu lesen.
Obwohl es viele gute Priester und pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, will ich „Missbrauch“ zum Thema dieser Predigt machen, was mir nicht leichtfällt.
Ich will diese Missstände nicht schön oder klein reden – sie sind Realität.
Verantwortliche müssen sich ihrer Verantwortung stellen. Aus heutiger Sicht war das „jeder hat eine zweite Chance verdient“ zwar christlich und gut gemeint – aber in vielen Fällen das Gegenteil von gut: Damals glaubte man Missbrauchstäter therapieren zu können – heute wissen wir, dass sie oft rückfällig geworden sind und rückfällig werden. Wir wissen heute mehr… und ich muss das Verhalten der damals Verantwortlichen aus heutiger Sicht klar und deutlich als unzureichend und falsch einordnen – aber war es das auch nach dem damals wissenschaftlichen Stand? Es war dann falsch, wenn Verantwortliche wider besseren Wissens gehandelt und bewusst vertuscht haben, um scheinbar Schaden von der katholischen Kirche abzuwenden – um den Preis durch dieses Fehlverhalten und diese Fehlentscheidung weitere Missbrauchsfälle in Kauf zu nehmen.
Macht und Vertrauen wurden missbraucht; Schwachheit und Schwächen wurden ausgenutzt – ein System des Schweigens, da Missbrauchsopfer oft erst nach Jahrzehnten über das Leid, das ihnen angetan wurde, reden konnten oder wollten. Wir leiden mit ihnen: „Wenn darum ein Glied [der Gemeinde bzw. der Kirche] leidet, leiden alle Glieder mit“ (1 Kor 12,26), bringt es Paulus in der heutigen Lesung auf den Punkt. Als Getaufte sind wir Kirche, Glieder des einen Leibes (vgl. 1 Kor 12,13). Als Teil der Kirche fühle ich mich beschämt und betroffen. Ich leide mit den Missbrauchsopfern angesichts der aufgedeckten menschenverachtenden und menschenwürdeverletzenden Zustände; zudem auch als katholischer Priester, dem das Etikett „potentieller Täter“ aufgedrückt wurde.
Die Institution „Römisch-katholische Kirche in Deutschland“ kann die Missbrauchsfälle nicht ungeschehen machen – sie sind passiert und haben viel physisches und psychisches Leid über die Missbrauchsopfer und deren Familien gebracht. Ich sage es klar und deutlich: Jeder Missbrauchsfall ist einer zu viel – nicht nur in den Reihen der Katholischen Kirche. Es braucht eine neue Achtsamkeit und Strukturen müssen geändert werden, um sexuellen Missbrauch und körperliche Gewalt zu verhindern. Verpflichtende Präventionsschulungen für Haupt- und Ehrenamtliche gibt es schon seit einigen Jahren in allen deutschen Bistümern; Betroffene und Missbrauchte müssen gehört und angemessen entschädigt werden; Macht- und Ohnmachts-Strukturen müssen abgeschafft werden; Aufklärung und Transparenz statt Vertuschung und Verschleierung müssen zur Normalität werden – da ist die Kirche auf dem Weg; einfach ist dieser Weg nicht.
Heute gilt es in der Kirche und als Kirche zu handeln: gegen Missbrauch und für bessere und beteiligungsgerechtere Strukturen. Es geht ums Ganze – oder, um mit Paulus zu sprechen, – um den Leib Christi, die Kirche als Ganzes, mit all ihren (Mit-)Gliedern, Charismen und Begabungen (vgl. 1 Kor 12,14-18). Jeder und jede ist darin wichtig und wertvoll: „Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Der Kopf wiederum kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. [… Alle Glieder sind wichtig, auch die scheinbar noch so geringsten,] damit im Leib kein Zwiespalt entstehe, sondern alle Glieder einträchtig füreinander sorgen“ (1 Kor 12,21-25). Wenn jede und jeder nur an sich denkt und die eigene Macht missbraucht, dann wird und ist der Leib krank und verletzt. Viele wollen mit dieser krankenden Kirche nichts mehr zu tun haben und treten aus der Kirche aus – zurück bleibt ein geschundener, in seinem Handeln stark eingeschränkter Torso. Ob Kirche so „heil“ und „besser“ wird? Nur wenn wir Teil des Leibes Christi bleiben, können wir durch unser Mitwirken, durch das Einbringen der je eigenen Charismen und Geistesgaben zur Heilung des Leibes Christi und zur guten Besserung in der Kirche beitragen: „Wenn […] ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit. […Als Christen sind wir] der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm.“ (1 Kor 12,26-27). AMEN.

01/21/22

PREDIGT 2. SO IM JAHRESKREIS (C)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Stunden, in denen sich Wesentliches verändert, bleiben im Gedächtnis – sie prägen sich ein – sie prägen mein Leben: Der erste Schultag – der erste Ur-laub ohne Eltern – die Hochzeit, oder wie bei mir die Priesterweihe – der Tod des Ehepartners oder eines guten Freundes. Mit diesen Stunden gilt es zu leben. Das ist oft nicht einfach. Es braucht Zeit, um zu realisieren, was die Stunde geschlagen hat und die neue Lebenswirklichkeit zu integrieren:

– dass in der Schule Stillsitzen angesagt ist – zumindest 45 Min. bis zur Pause
– dass Ehepartner nach dem Standesamt mit dem gemeinsamen Nachnamen unterschreiben, auf den sie sich geeinigt haben
– dass ich als Priester Sakramente spenden darf, was mich in den ersten Wochen und manchmal auch heute noch herausfordert und überfordert
– dass ich ohne den verstorbenen Partner, ohne die geliebte Mutter/Vater, ohne das geliebte Kind, den guten Freund leben und diese schmerzliche Lücke aushalten muss – das dauert oft ein Jahr, oder länger…
Was die Stunde geschlagen hat, spüren auch die Brautleute im heutigen Evangelium: der Wein ist alle – kein Wein mehr da, die Krüge leer. Die leeren Krüge stehen dafür, dass auch bei bester Planung im Leben einiges schief gehen kann – diese Realität gilt es wahrzunehmen, selber und auch, wenn man nicht unmittelbar davon betroffen ist: Maria sieht die Not der leeren Krüge. Sie verschweigt sie nicht wie die vielen anderen, die sie sicherlich auch bemerkt hatten. Sie weist ihren Sohn Jesus darauf hin – in der stillen Hoffnung, dass er helfend eingreifen wird. Sie hofft auf die Wandlung, auf die Veränderung der prekären Situation…
… und sie wird bitter enttäuscht: Schroff wird sie von ihrem Sohn angefahren: „Was habe ich mit dir zu tun, Frau? Was geht’s dich an, was ich tue?“ – so die wortwörtliche Antwort Jesu (vgl. Joh 2,4). Die gute Beziehung zwi-schen Mutter und erwachsenem Kind wie gewandelt: In der Pubertät durch-leben viele Eltern derartige Reibereien, schroffe Ablehnungen und Abnabelungsprozesse der Jugendlichen – auch sie gilt es anzunehmen. Jesus weist mit seiner Antwort in die Zukunft: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (Joh 2,4): Er weist hin auf die Stunden des Abendmahls mit Eucharistie und Fußwaschung, auf seine Todesstunde am Kreuz und auf die Stunde seiner Auferstehung, dort und dann wird sich alles wandeln: Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi – der Herr in den Diener, der den Jüngern die Füße wäscht – Tod in neues, ewiges Leben. Diese Wandlung durch die Wirkmacht Gottes deutet Jesus schon bei der Hochzeit zu Kana an, wenn er einfaches Wasser in kostbaren Wein wandelt. Wir können das wissenschaftlich nicht beweisen – wir können nur glauben, wie die Jünger, die dieses erste Zeichen sehen. Sie sind wie verwandelt, ihr Leben ändert sich – ein neuer Lebenswandel: sie folgen Jesus nach.
Wasser ist Leben – es ist lebensnotwendig und stillt meinen Durst nach Leben. Die Wandlung in Wein ist für mich ein Zeichen dafür, dass mein Leben wertvoller und kostbarer wird durch den Glauben, durch Jesus Christus – dafür, dass er die leeren Krüge meiner Seele und meines Lebens neu füllen kann. Aus dem Mangel wird Fülle, ja Überfülle – Überfluss an kostb-rem und köstlichem Wein, Zeichen der Lebensfreude. Mit Jesus Christus und den Glauben an ihn habe ich schon im Hier und Jetzt Anteil daran.
Eine weitere Wandlung ist mir vor Jahren in einer Relistunde aufgegangen, die Wandlung der Diener: Beim Rollspiel der Hochzeit zu Kana im Religionsunterricht wollte niemand die Diener spielen. Somit gab es niemanden, der die Krüge mit Wasser füllte. Und so fehlte die wichtigste Voraussetzung für die Möglichkeit der Wandlung. Im anschließenden Gespräch über die „missglückte“ Szene, wurde meinen Schülern deutlich, dass nur dienende Menschen das Wunderbare erfahren, das Gott wirken kann. Dann strahlt Gott in dieser Welt auf, dann zeigt sich die Ausstrahlung Gottes in Jesus und in den Menschen, die sich verwandeln lassen, die in ihrem Dienst auf Gottes Kraft und Beistand vertrauen.
Das heutige Evangelium von der Hochzeit zu Kana macht mir Mut, mich durch die Zumutungen Gottes nicht entmutigen zu lassen, sondern mich jeder Stunde meines Lebens zu stellen – auch den Dunklen und Bitteren. Wenn ich mich ihnen demütig – d. h. mit Mut zum Dienen – stelle, darf ich auf Gottes verwandelnde Kraft in meinem Leben vertrauen. AMEN.