PREDIGT 25. So. i. JK (B)

Jak 3,16-4,3 + Mk 9,30-37

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Wer wird’s? – In diesen Tagen dreht sich alles um die Frage: Wer setzt sich durch? Wer schafft es an die Spitze? Wer macht den ersten Platz? Wer ist der oder die Größte? Auftritte in ganz Deutschland – meist mehrere am Tag heute hier, morgen dort – Interview- und Fototermine, Fernseh-Trielle. Ein unheimlicher Leistungsdruck und Leidensdruck, der auf Politikerinnen, Politiker und Parteien lastet – aber auch in unserem alltäglichen Leben nehmen wir einiges in Kauf: in der Schule, in Ausbildung und Studium, im Beruf, im Sport und beim Freizeitverhalten: Oft zählt nur der oder die Erste, der Größte und die Beste.
Wer ist der Größte – die Jünger Jesu streiten und wetteifern unterwegs leidenschaftlich darüber. Voller Ehrgeiz setzen sie sich gegenseitig unter Druck und verfallen letztlich dem Größenwahn: Ich bin der Größte – nein, ich bin viel besser, weil… – du hast nicht – ich aber, ich habe Folgendes geleistet… Von Jesus auf ihr Weg-Gespräch angesprochen, schweigen sie betroffen. Seine Vorstellung vom „Erster-Sein“ sieht ganz anders aus: keine Ellbogengesellschaft, wo jeder zuerst nur an sich denkt, sondern dienende Mitmenschlichkeit und gelebte Partnerschaft: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein (Mk 9,35), sagt Jesus.
Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem, unterwegs zum Dienst der Fußwaschung und zur Selbsthingabe in der Eucharistie, unterwegs zur Auslieferung ans Kreuz und in den Tod. Das Zusammenwirken zwischen Gott und Mensch scheint gescheitert, heillos ausgeliefert und zum Tod verurteilt, weil Menschen die dienende und liebende Größe Jesu Christi nicht anerkennen. Gerade in dieser auf ihn zukommenden Ablehnung, kommt es für Jesus darauf an, Diener zu sein: sich nicht ängstlich oder duckmäuserisch, sondern dienend und aus Liebe klein zu machen für die Menschen, damit diese groß sein und besser leben können. Es geht dabei nicht um die eigene menschliche Größe, sondern um die Würde und das Ansehen des Mitmenschen, sei er rein äußerlich auch noch so klein.
Jesus stellt ein kleines Kind in die Mitte der nach Größe strebenden Jünger (Mk 9,36-37) – ein Kind, das wie alle Kinder zurzeit Jesu in der Gesellschaft nichts galt, keine Rechte hatte, und daher meist von den Erwachsenen übersehen wurde. Ein ungeheuer sprechendes Zeichen: bei Jesus steht das unscheinbare Kind nicht abseits, sondern im Zentrum. Mehr noch: Jesus macht sich klein vor dem Kind und behandelt es nicht von oben herab. Er sieht das Kind auf Augenhöhe an, gibt ihm so Würde und Ansehnen in der Welt der Erwachsenen. Mehr noch: Jesus nimmt das Kind in seine Arme und macht es so zum Partner, zum Partner auf Augenhöhe, zum äußerlich kleinen Partner, in dem die Größe und Liebe Gottes erfahrbar werden.
Wohin bin ich unterwegs? Was sind meine Lebensziele? Was steht bei mir im Zentrum? – Fragen, die das heutige Evangelium aufwirft.
Kreisen in einer Partnerschaft oder einer Familie, in einem Team, einer Klasse, einer Gemeinde oder Gemeinschaft die Gedanken nur ums eigene Ich? Will Ich selber nur „groß rauskommen“ und suche darum den eigenen Vorteil? – Dann wird das Zusammenleben und Zusammenarbeiten schnell ungerecht: Abhängigkeiten zeigen sich; Unterdrückung und Ausbeutung als Folgen von Ich-Zentriertheit sind vorprogrammiert – und dass unabhängig, ein Ehepartner sich und seine Interessen für das Entscheidende, ob Haupt- und Ehrenamtliche ihren Kreis oder ihre Gruppe für die Wichtigste halten, oder ob der Pfarrer sich für unersetzlich hält, oder ob wir andere klein reden, um selbst groß rauszukommen.
Echte Zusammenarbeit und gutes Zusammenleben sieht anders aus: Sie geschehen auf Augenhöhe; sie lassen den anderen gelten und sei er/sie noch so klein, weil auch in ihm/ihr die Größe Gottes steckt; echte Zusammenarbeit und gutes Zusammenleben schätzt den anderen als wertvoll ein und entdeckt in ihm/ihr das Wirken des Geistes Gottes; echte Zusammenarbeit und gutes Zusammenleben sieht, fördert und verteilt die Charismen, damit sie allen in der Gemeinde, in einer Organisation oder in einem Team dienlich sind. Wer sich klein machen kann und anderen dienlich ist, der zeigt wahre Größe in der Nachfolge Jesu Christi. AMEN.