PREDIGT 26. So. i. JK (B)

Num 11,25-29 + Mk 9,38-43.45.47-48

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Was bedeutet Heimat für Sie? Wie ist der Begriff „Heimat“ bei Ihnen gefüllt? Wann kommen bei Ihnen Heimatgefühle hoch?
Heimat ist für mich, wenn ich schon von weitem den Ebensfelder Kirchturm sehe … wenn ich meine Familie, alte Bekannte und gute Freunde treffe und dabei die Zeit vergesse – da ist meine Heimat, da bin ich zuhaus. Heimat ist für mich ein Ort, der mir lieb und teuer ist – ein Ort, an dem ich mich wohl fühle und geborgen bin, wo meine familiären Wurzeln und meine Freunde sind. Heimat ist also Beziehung – Leben in guten Beziehungen. Nach vier Jahren hier in Hochfranken kann ich – auch wenn mir als derzeit leitender und dienender Pfarrer im SSB Hofer Land manches neu ist – sagen: da ist meine Heimat, da bin ich zuhaus.
Die heutige Lesung hat auf den ersten Blick nichts mit „Heimat“ zu tun – es geht um charismatische, geistbegabte Menschen, die Mose, dem Anführer der Israeliten, von Gott zur Seite gestellt werden. Aber betrachtet man die Umstände, unter denen das geschieht, dann wird schnell klar: Es geht um Heimat und Beheimatung. Nur gemeinsam ist die „Heimat“ zu erreichen.
Das Volk Gottes ist unterwegs. Anfangs hatten viele Israeliten, Männer und Frauen, junge Erwachsene, ihre Familien verlassen, um in Ägypten bessere Arbeitsbedingungen und eine neue Heimat zu finden – so der Wunschtraum. Die Realität sah schnell anders aus: sie waren und blieben Fremde in ihrer Wahlheimat – das ist heute oft nicht viel anders. Mose führte die Israeliten in die Freiheit, aber die Leitung auf dem Weg durch die Wüste in die neue „alte Heimat“ schafft Mose nicht allein – das macht Mose zu schaffen: Er braucht gute Mitarbeiter. 70 Älteste werden ausgewählt. Sie erhalten – so erzählt es die Lesung (Num 11,25-29) – den Geist Gottes und werden zu Propheten. Menschen, die Perspektiven entwickeln und andere Menschen führen sollen, brauchen Geist – Geist, der weit mehr ist als Menschenvernunft oder Altersweisheit – sie brauchen Gottes Geist. Prophetischen Frauen und Männer sind weit mehr als Mahner und Künder von Ereignissen oder drohendem Unheil; es sind Menschen, die genau auf die Realität und die Ursachen menschlichen Handelns schauen; die Umstände, Zustände und Missstände und ihre Zusammenhänge aufdecken und die den Mitmenschen bei einem entsprechenden Lebenswandel eine gesegnete Zukunft verheißen.
In diesem Sinn ist Jesus ein prophetischer Mahner, der Partei für die Kleinen und Unterdrückten ergreift: „Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde“ (Mt 9,41). Mit Entschiedenheit tritt Jesus für die Kleinen und Wehrlosen ein – eine klare Absage an jede Form von Machtmissbrauch und Grenzüberschreitungen aller Art und auch an die Vertuschung solcher Machenschaften. Jesus geht es „Heimat“,
um Orte, wo Menschen sich wohlfühlen, gut miteinander auskommen und leben können, um gelingende Beziehungen, um den Schutz der Wehrlosen, um Hilfe für und Solidarität mit den Bedürftigen, um gelebte Nächstenliebe, um Caritas. Deshalb passt das heutige Evangelium so sperrig es auch klingen mag, sehr gut zum Sonntag, mit dem die Caritas-Sammlungen und damit die Spendenaktion für die pfarrliche, diözesane und institutionalisierte Caritas mit ihren vielen Beratungsstellen und Angeboten für Bedürftige beginnt. Wes Geistes Kind seid ihr? Die Frage des Eingangsliedes klingt im Evangelium (Mk 9,38-43.45.47-48) erneut an und fordert von mir eine Antwort: Lebe ich aus Gottes Geist den Weg in der Nachfolge Jesu, oder mache ich anderen durch mein Tun das Leben zur Hölle?
Jesus versteht unter „Hölle“ die größtmögliche Gottferne und damit das Gegenteil von Heimat. Hölle, ein Ort nicht erst am Ende der Zeit, sondern ganz nah, hier bei uns: Es sind Orte, an denen Gott mit seiner Botschaft der Caritas, der gelebten Nächstenliebe keine Chance hat, wo ein liebevolles Miteinander und Füreinander nicht (mehr) möglich ist.
Kirche will Heimat sein – nicht „heile Welt“, sondern Wirklichkeit, in der man(n) und frau gerne zuhause sind. Gemeinden sollen und müssen Orte bleiben, wo auch junge Menschen zuhause sind, wo sie Gleichgesinnte treffen, Projekte organisieren, diskutieren und den Glauben leben können. Jeder Mensch braucht ein Zuhause, erfahrbare Caritas und Nächstenliebe sowie gute Beziehungen, die Heimat geben. Alleine ist das nicht zu schaffen, auch für einen leitenden Pfarrer mit einem guten pastoralen Team und Ehrenamtlichen nicht. Helfen wir alle mit – auch durch nötige Veränderungen in der Kirche –, dass wir als Pfarrgemeinde ein solches Zuhause sind und bleiben: Propheten sind wir alle, du und ich – gesalbt mit Gottes Geist in Taufe und Firmung – Propheten sind wir alle, du und ich. AMEN.