09/19/21

PREDIGT 23. So. i. JK (B)

Jes 35,4-7a + Mk 7,31-37

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Klick – Klick – Klick – ganz ohne Fotoapparat und ohne Handy fotografiere ich im Urlaub – Klick – Klick – Klick.
Und diese Bilder bleiben. Sie sind in mir gespeichert.
Es sind Bilder im Kopf und Bilder im Herzen – Bilder von einer Berg-wanderung mit traumhaften Ausblicken – Bilder von klaren, erfrischenden Berg- oder Badeseen – Bilder von einem Olivenhain, der nach dem Regen nach frisch gepresstes Olivenöl duftete – Bilder von Sonnenlicht, das ein Strahlen auf graue Altstadtmauern oder aufs Meer zaubert – Bilder von einem Regentag mit einem schönen, entspannenden Buch – Bilder um Kopf und Bilder im Herzen – Urlaubsbilder. Jede und jeder hat eigene Bilder um Kopf und Bilder im Herzen: schöne Bilder und wertvolle Begegnungen, wo alles gut war und ist. Es ist wichtig, solche Bilder zu haben – und es ist auch gut, wenn sie nach dem Urlaub und nach der Entspannung nicht sofort verblassen; es ist wie Leben in einer anderen Welt, die oft so verschieden ist, von unserem hektischen Alltag.
Es ist gut und tut gut, wenn wir diese Bilder im Kopf haben und sie im Herzen tragen und bewahren, wenn wir wieder in den Alltag zurückgehen – denn dort bleiben sie gespeichert als farbenfrohe und hoffnungsvolle Bilder einer „heilen Welt“ und rufen Erinnerungen und Gefühle wach – Erinnerungen und Gefühle, die mir und meinen Mitmenschen gut tun und die heilsam sind, wenn ich sie mit anderen teile und ihnen mitteile. Gesammelte und gespeicherte Bilder im Kopf, Herzensbilder, Farben, Gefühle, Erinnerungen, die mir und meinen Mitmenschen etwas eröffnen können: Hoffnung auf Leben und Lebendigkeit, auf Lebensfreude und Freude am Leben und Leben in Fülle.
Der Prophet Jesaja malt solche Hoffnungsbilder, für die Verzagten und Ängstlichen – farbenfrohe Bilder, die im Kopf bleiben und zu Herzen gehen sollen, für die, die nur noch schwarzsehen, die immer nur das Negative hören und sich davon anstecken lassen – fröhliche und ermutigende Bilder für alle, die vor Resignation und Selbstmitleid allmählich verstummt sind und denen das Gespür und das Reden über die schönen Seiten des Lebens auf den Lippen und im Herzen längst erstorben sind: Leben in Fülle mitten in der Wüste und den Wüstenzeiten des Lebens – neue Lebendigkeit und Lebensmut, um das Leben wieder mit allen Sinnen genießen zu können – trotz mancher Einschränkungen, trotz mancher Beeinträchtigung, trotz mancher Krankheit oder Behinderung. „Habt Mut, fürchtet Euch nicht!“ (Jes 35,4), ruft uns der Prophet Jesaja zu. Vertraut darauf und glaubt daran, dass diese Bilder Wirklichkeit werden können, weil Gott nahe ist – in Eurer erlebten und erlittenen Wirklichkeit und in den Hoffnungsbildern, die er Euch schenkt.
Dafür sollen wir offen sein und uns dafür öffnen. Der Ruf „Effata!“ (Mk 7,34), den Jesus im Evangelium einem Taubstummen zuspricht, gilt und: „Öffne dich!“ (Mk 7,34) – dort, wo du in deinem Leben blind und unachtsam geworden bist für die Schönheit der Natur, für Menschen, die dich brauchen und die Hoffnung, die dir blüht – dort wo ein gutes, wohltuendes Wort oder auch ein Hilfeschrei von dir überhört wird, oder berechtigte Kritik, die etwas auf eine gute Bahn lenken will, bei dir auf taube Ohren stößt. Öffne dich, dann macht es vielleicht auch „Klick“ in deinem Leben. AMEN.

08/2/21

PREDIGT 18. So. i. JK (B)

Ex 16,2-4.12-15 + Joh 6,24-35

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Vielen von uns ist das fremd – wir haben keine Erfahrung damit:
– auf endlosen Wegen unterwegs, geflohen – ungewisses Ziel; wo da bleiben und Heimat finden und ein Auskommen haben?
– gequält von Hunger und Durst mit knurrendem Magen und trockener Kehle inmitten der Wüste und den Wüsten des Lebens
– eine Sehnsucht nach Leben, die Beine macht, Jesus nachzulaufen, bei ihm nach Speise und Trank zu suchen, die Leib und Seele nähren
Uns geht es gut – wir sind satt und haben ein Dach über dem Kopf. Die heutigen Lesungstexte sind uns fremd und scheinen fern unserer Lebenswelt, oder doch nicht?
– Die vor den Kriegsverbrechen Geflohenen, die Heimatvertriebe-nen damals, die Spätaussiedler und die Fliehenden und Geflüchteten unserer Tage.
– Die vielen Hungernden weltweit – obwohl doch die Nahrungsmit-tel bei gerechter Verteilung für alle ausreichen würden.
– Meine Sehnsucht nach Leben und Lebendigkeit, nach Achtung und Wertschätzung meiner Person, nach Erfüllung und Lebensfülle.
Gar nicht fremd und weit weg, sondern mittendrin im Leben – in mei-nem Leben, in unserer Lebenswelt, in dieser, unser Zeit.
Und vielleicht ist das auch meine Erfahrung:
– dass ich mit meiner Lebenssituation hadere, dass ich murre und unzufrieden bin: Wäre ich doch… Hätte oder könnte ich…
– dass Gott mein Leben will – nicht das es zugrunde geht; nicht dass ich am Boden zerstört bin, sondern dass ich lebe
– dass Gott auf wundersame Weise für mich sorgt; dass ich nichts tun kann und muss und mir das notwendige geschenkt wird, das was mich an Körper und Seele nährt: Himmelsbrot – Brot, in dem Liebe steckt und heilsame und kraftvolle Beziehung
Vielleicht ist das auch meine Sehnsucht, mein Gebet: „Herr, gib uns immer dieses Brot“ (Joh 6,34):
– damit mich daran sattessen und mich laben kann
– damit es mich nährt an Leib und Seele
– und meinen Hunger und Durst nach Leben stillt
– Brot, das sich brechen und teilen lässt
– Brot, das Beziehung stiftet mit Gott und untereinander
– Brot, das hält, was es verspricht: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben“(Joh 6,35)
Jesus Christus ist dieses Lebensbrot – gegenwärtig in Brot und Wein – gebrochen und geteilt für dich und für mich – Stärkung für mich in den Brüchen und Wüsten meines Lebens – Auftrag, mein Leben und was ich zum Leben habe, zu teilen und so zu leben – heute, morgen, immer. AMEN.

 

Ein Lied zur Einstimmung und zum Mitsingen (Gotteslob Nr.: 843 – Bamberger Anhang) als LINK: https://www.youtube.com/watch?v=SRyud7ePKdModer https://www.youtube.com/watch?v=VJ9u0JLPaDk

Noch ein Lied-LINK zur Vertiefung und zum Mitsingen (Gotteslob Nr.: 484) : https://www.youtube.com/watch?v=av02cGAdI70

07/12/21

PREDIGT 15. So. i. JK (B)

Am 7,12-15 + Mk 6,7-13

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Ich packe meinen Koffer und nehme mit …: eine lange Hose, meinen Lieblingspulli, Sonnencreme und ein gutes Buch. Ich packe meinen Kof-fer und nehme mit …: eine lange Hose, meinen Lieblingspulli, Sonnencreme, ein gutes Buch und … – ich kenne dieses Spiel zum Gedächtnistraining aus Zeiten, in denen es noch kein Sudoku gab. Ich packe meinen Koffer und nehme mit – bei jeder Runde wird ein neuer Gegenstand gedanklich in einen Reisekoffer gelegt. Bei jeder Wiederholung gilt es, keinen Gegenstand für diese Fantasiereise zu vergessen.
Ich packe meinen Koffer und nehme mit – bald beginnen die Ferien. Viele haben aufgrund niedriger Inzidenzwerte Reisepläne geschmiedet. Überlegungen, was in den Urlaub mitgenommen werden soll, laufen: Checklisten werden erstellt, damit nichts vergessen wird; Besorgungen werden gemacht.
Ich packe meinen Koffer und nehme mit …: in diesem Jahr ist „mein Koffer“ wieder mein Rucksack: im August mache ich Urlaub in den Bergen, da brauche ich nicht viel mitzunehmen – außer mein Stundenbuch, die kleine Taschenbibel und ein zwei Bücher, wenn das Wetter doch nicht so schön ist wie erhofft. Mein Rucksack hat nur begrenzt Platz. Ich muss sorgfältig überlegen, was ich wirklich brauche: zwei Wanderhosen, zwei Hemden, zwei T-Shirts, eine Regenjacke und ein wärmendes Flies; einen Sonnenhut, zwei paar Wandersocken, Unterwäsche, eingelaufene Wanderschuhe, Wanderstöcke… – … und dann das heutige Evangelium von der Aussendung der Jünger. Es macht mich nachdenklich: „Jesus gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen“ (Mk 6,8-9).
In den parallelen Überlieferungen bei den Evangelisten Matthäus und Lukas ist die Gepäckliste sogar noch spartanischer: barfuß sollen sich die Jünger auf den Weg machen. Auch der Wanderstab als hilfreiche Stütze und zur Verteidigung gegen wilde Tiere soll daheim bleiben.
Ich frage mich: wie kann man so ausgerüstet von Ort zu Ort unterwegs sein, um das Wort Gottes zu verkünden, Kranke zu salben und zu heilen? Ist Jesus da nicht naiv und realitätsfremd? Braucht es nicht gerade deshalb eine gute und qualitativ hochwertige Ausrüstung, damit sich die Jünger unbesorgt ihren eigentlichen Aufgaben widmen können?
Aber gerade darum geht es Jesus: Die Jünger sind von ihm mit dem Nötigsten ausgerüstet; sie haben von Jesus das Wesentliche gelernt – und dieses Wesentliche ist eben nicht das Materielle. So ausgestattet sollen sie sich paarweise auf den Weg machen, um sich zu stützen und zu unterstützen – der Sorge Gottes und dem Wohlwollen der Menschen ausgesetzt. Die Offenheit und Empfänglichkeit der Menschen sind Voraussetzung, damit die Jünger ankommen und damit die Menschen von Gott heilend berührt werden können: Gastfreundschaft für Gott, offene Türen und Herzen für ihn.
Nur im Raum gelebter Gastfreundschaft und bedingungsloser Offenheit kann das durch die Jünger vermittelte Heilswirken Gottes geschehen – körperlich und seelisch. Diese heilsame Gastfreundschaft lässt sich nicht erzwingen: Dort wo die Jünger nicht willkommen sind, sollen sie weggehen und den Staub von ihren Füßen schütteln (vgl. Mk 6,11) – „macht doch euern Dreck doch alleine“, so könnte man diese Geste ins Heute übersetzen. Die Jünger sind Gast auf Zeit. Sie nisten sich nicht dauerhaft ein. Es sind Menschen, die im Aufbruch leben. So bleiben sie offen für neue Begegnungen, flexibel in ihrem Tun und dynamisch auf dem Weg.
Ich packe meinen Rucksack und nehme mit …: meine Wanderausrüstung, das Nötigste fürs Bergwandern und Lektüre für mein geistig-geistliches Unterwegssein. Ich packe meinen Rucksack und nehme mit …: dieses Evangelium für mein Leben. Von der Gepäckliste der Jünger kann ich lernen, dass weniger oft mehr ist. Weniger ist mehr: Wenn ich mich in meinem Leben nur mit den wirklich wichtigen Dingen belaste, dann behalte ich mir eine gewisse Unbeschwertheit im Leben, dann bleibe ich offen für neue Begegnungen und für Unerwartetes im Leben. Ich kann – wenn nötig – neue Wege einschlagen und Aufbrüche wagen, ohne allzu schweren Ballast. Ich kann lernen und einüben, dass Gastfreundschaft wichtig und heilsam ist – Gastfreundschaft, die offen ist für meine Mitmenschen und Gast-freundschaft, die offen ist für Gott, wie wir es vor dem Kommunionempfang aussprechen: Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. AMEN.

07/4/21

PREDIGT 14. So. i. JK (B)

Ez 1,28b-2,5 + Mk 6,1b-6

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Den kenne ich – der ist genauso wie sein Vater und Großvater. Was soll ich da anderes erwarten: Stur bleibt stur. Ich kenne solche Einteilungen zu genüge: Menschen werden in Schubladen gesteckt, sie werden nach dem Verhalten ihrer Vorfahren eingeteilt; in unseren Dörfern mit den engen sozialen Gefügen ist das bis heute so… auch in einer kleinen Stadt ist das nicht viel anders. Das Schlimme an diesen Schubladen ist, dass der, der in eine solche eingekastelt wird, meist lebenslang darin gefangen ist. Veränderungen sind von vornherein ausgeschlossen, zumindest bei denen, die in Schubladen denken, da kann der in der Schublade sich noch so anstrengen: „Das kann nicht sein – der war schon immer so!“
Jesus geht es so im kleinen Kaff Nazareth, dem Heimatdorf seines Ziehvaters Josef: Dorthin kehrt er mit den Jüngern zurück. Zunächst gibt es ungläubiges Staunen und große Aufmerksamkeit für Jesus, als er in der Synagoge die Tora, die Heilige Schrift der Juden, erklärte. „Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Machttaten, die durch ihn geschehen?“ (Mk 6,2). Offene Fragen, aber kein Interesse an der Botschaft Jesu – denn die Antworten der Bewohner der kleinen Stadt und der umliegenden Dörfer sind alles andere als offen: Jesus wird in die Schublade seiner scheinbaren Herkunft gepresst: „Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria?“ (Mk 6,3); wie kann der, bei dieser Herkunft, so reden. Jesus erfährt Ablehnung, weil er nicht in die ihm zugedachte Schublade passt, weil er aus dem Rahmen der Erwartungen der Leute herausfällt. Aber: Nicht etwa die Gottessohnschaft oder die Jungfrauengeburt sind für die Leute Stein des Anstoßes – davon erzählt des Evangelium nichts: das Markusevangelium beginnt mit dem „erwachsenen Jesus“. Bei der Taufe im Jordan wird nur Johannes dem Täufer offenbart, dass dieser Mensch Gottes Sohn ist (vgl. Mk 1,9-11). Trotzdem ist für die Leute spürbar, dass Jesus anders ist. Statt dieses Au-ßerordentliche ernst zu nehmen und an die Größe und Unbegreiflichkeit Gottes, der sich in Jesus Christus offenbart, zu glauben, lehnen sie Jesus ab – wie sie glauben aus guten Grund: weil Jesus nicht in ihre gedachte Lebensordnung passt und durch sein Anderssein Unordnung in ihrem Glaubenssystem stiftet. Ihnen fehlt der Glaube, dass Jesus im Auftrag seines himmlischen Vaters lebt, wirkt und heilt. Ohne den Glauben an die Wirkmächtigkeit Gottes in Jesus Christus kann er in seiner Heimat keine Wunder tun – nur wundern kann er sich über den Unglauben der Leute (vgl. Mk 6,5-6): „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land“ (vgl. Mk 6,4).
Was macht unser Menschsein wirklich aus?
Daheim werde ich oft über meinen Vater definiert: „dem Saalers Bernhard sei Sohn, der wo Pfarrer is.“ Was wir können, ist uns vorgegeben –
in unserer Familie gehörte über Generationen neben der Landwirtschaft die Herstellung von Seilen dazu. Heutzutage ist das anders: Wissen und Fertigkeiten werden nicht mehr nur vom Vater auf den Sohn vererbt, sondern auch an Schulen, durch Ausbildung und eigene Aneignung erworben. Heute bestimmen die eigenen Bildungsabschlüsse und geleistete Praktika die Berufsmöglichkeiten und Kariere – es bleibt aber ein Schubladendenken: was einer nicht von seinem Vater daheim oder vom seinem Ziehvater, dem Lehrer bzw. der Lehrerin in der Schule, im Betrieb oder an der Universität gelernt hat, wie und woher soll er das können?
Bei Jesus Christus bin ich mir sicher: aus der radikal verändernden Kraft des Heiligen Geistes, mit dem ihn Gott bei der Taufe ausgestattet hat.
Als Priester habe ich mir einiges angeeignet und von meinen Eltern habe ich viel gelernt. Trotzdem frage ich mich manchmal: „Woher habe ich das alles?“ Ich vertraue darauf, dass Gottes Heiliger Geist auch in mir wirksam und am Werk ist – in jedem Getauften und Gefirmten! Gestern war das eindrucksvoll bei der Firmung von 35 Jugendlichen in Oberkotzau spürbar: Gesendet zum Leben als mündiger Christ/mündige Christin. Dieses Leben aus Gottes Geist ist kein exklusives Geschehen – berufen sind alle Getauften und Gefirmten! Wir sind berufen, unseren Glauben prophetisch zu leben. Ich bin berufen, mein einengendes Schubladendenken aufzugeben und dafür Gottes Wirkmächtigkeit in meinem Leben Raum zu geben. Lassen wir Gottes Geist in uns und durch uns wirken, denn Propheten sind wir alle – auch du und ich. AMEN.

07/4/21

PREDIGT 13. So. i. JK (B)

Weis 1,13-15; 2,23-24 + Mk 5,21-43

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!

Zwölf Jahre
Zwölf Jahre – lange her, dass ich so alt war. Ich denke nach, wie das damals war, als ich zwölf war… Zeit zum Nachdenken
Ich war damals in der sechsten Klasse – war auf dem Gymnasium und tat mich unendlich schwer, v.a. mit den Fremdsprachen. Zeit zum Spie-len am Bach blieb kaum noch, der Ernst des Lebens hatte begonnen. Mein Bruder war in diesem Jahr in die Schule gekommen ein zweiter Schreibtisch musste her, damit jeder in Ruhe arbeiten konnte.
Zwölf Jahre
Zwölf Jahre – eine lange Zeit. Ich denke nach, was in den letzten zwölf Jahren … und darüber hinaus … alles passiert ist … Zeit zum Nachdenken
Bis 2003 hatte ich drei Jahre als Brückenbauingenieur gearbeitet und mein erstes Geld verdient. Im Jahr 2003 habe ich mich durchgerungen, Theologie zu studieren – ich habe es nie bereut. In den letzten 12 Jahren war ich mehrere Monate in Afrika im Senegal und für zwei Jahre im Pas-toralpraktikum im Frankenwald – Zeiten, die mich und meinen Glauben geprägt haben. Ich bin fast auf den Tag genau seit zehn Jahren Priester; war zwei Jahre Kaplan in Ebermannstadt und vier Jahre persönlicher Re-ferent des Erzbischofs und habe rund um Scheßlitz in Seelsorge und mit-geholfen und Gottesdienste gefeiert – seit fast vier Jahren bin ich hier in Hochfranken. Es ist viel passiert in den letzten 12 Jahren meines Lebens.
Zwölf Jahre – ein Detail, das zwei Personen des heutigen Evangeliums verbindet, das todkranke Mädchen und die langzeitkranke Frau.
Zwölf Jahre ist sie alt, die Tochter des Jaïrus. Sie steht an der Schwelle des Erwachsenwerdens – voller Hoffnungen und voller Träume. Sie hat mit ihren zwölf Jahren nach den Vorstellungen der damaligen Gesell-schaft das heiratsfähige Alter erreicht. Das Leben liegt eigentlich noch vor ihr: ein Mann, Familie, eigenen Kinder, doch sie ringt mit dem Tod.
Zwölf Jahre lang Krankheit – eine lange Zeit, in der die Hoffnung auf Heilung Tag für Tag ein wenig mehr stirbt. Zwölf lange Jahre von Arzt zu Arzt gerannt. Das ganze Ersparte dafür ausgegeben – in der Hoffnung doch endlich wieder gesund zu werden. Keiner konnte ihr helfen. Alles vergebens, ohne Lebenskraft, völlig ausgeblutet, den Tod vor Augen.
Beide, Jung und Alt, erhoffen sich durch die Berührung Heilung. Das Le-bensschicksal des Mädchens berührt Jesus. Er geht mit dem bittenden Jaïrus zu dessen Haus. Sie müssen sich durch die Menschenmenge hin-durchkämpfen – Berührungen bleiben da nicht aus. Die kranke Frau nutzt die Verborgenheit in diesem Gedränge und greift nach dem Gewand Jesu wie nach einem rettenden Strohhalm, weil sie sich davon Heilung erhofft. Doch nicht ihr zupackendes Wesen rettet sie, sondern die persönliche Be-gegnung mit Jesus, der sich ihr zuwendet und ihren tiefen Glauben erkennt.
Mitten in dieses Heilwerden bricht die Nachricht vom Tod der Tochter des Jaïrus. Was mag Jaïrus wohl gedacht haben, als Jesus sich von der kranken Frau berühren und hat aufhalten lassen? Schließlich ging es doch um Leben und Tod seiner Tochter – die Zeit drängte, jetzt ist es zu spät.
Jesus ist angesichts der Todesnachricht völlig unbeeindruckt und fordert heraus: Er verlangt von Jaïrus angesichts seiner toten Tochter einen Glau-ben, der den Tod überwindet: „Fürchte dich nicht! Glaube nur!“ (Mk 5,36). Ob ich das könnte: Angesichts des Todes an das Leben glauben? „Talíta kum! – Mädchen steh auf! Steh auf zum Leben“ (vgl. Mk 5,41).
Gottesbegegnung macht heil – Gott begegnet mir. Er macht sich auf den Weg zur mir, wie zur Tochter des Jaïrus. Manchmal braucht Gott länger, weil sich eben nicht alles um mich dreht; weil es noch zig andere Men-schen gibt, die auf eine heilsame Begegnung warten. Aber das ist meine Hoffnung, mein Glaube: Er kommt mir entgegen und will, dass ich lebe.
Gottesbegegnung macht heil – nur in den seltensten Fällen geschieht da-bei ein Wunder. Ich kann Gott nicht zum Eingreifen zwingen. Aber ich kann ihm begegnen; ich kann ihm entgegengehen; ich kann ihm mein Leid klagen wie Jaïrus. Die Begegnung mit Jesus berührt. Die Begeg-nung verändert mich. Sie lässt mich durchhalten auch in Jahren des am eigenen Körper erlebten Leids oder des Leids, das ich in meiner Familie oder im Bekanntenkreis erfahre. Ich kann aus der Begegnung mit Jesus gestärkt hervorgehen, neue Lebenskraft erhalten: das ist das Wunder.
Gottesbegegnung macht heil – oft begegnet mir Gott im Mitmenschen, der mir unerkannt zur Seite steht. Es mir tut gut, dass mir einer zuhört, dass eine mit mir geht ins Haus meiner Sorge, dass mich einer unter-stützt – oft ist schon das ein Wunder in unserer Gesellschaft. AMEN.

07/4/21

PREDIGT 12. So. i. JK (B)

Ijob 38,1.8-11 + Mk 4,35-41

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Ein Blick zurück: Ausgangssperre – erlebte oder gefühlte Quarantäne – verordnete Kontaktbeschränkungen. Da konnte man nicht viel machen; viele nutzten die Zeit zum „Runterkommen“, um einen oder mehrere Gän-ge zurückzuschalten und zur Ruhe zu kommen. Eine derart „verordnete Ruhe“ zwingt dazu, das Alltagsgetriebe zurückzulassen, doch wirklich still ist es nicht. Wenn äußerer Lärm und Trubel sich gelegt haben und die Stil-le beginnt, bricht oft ein innerer Sturm los: Vergessenes, Verdrängtes und Verschüttetes kommt hoch, wühlt mich auf, tobt und tost in mir – unverar-beitete Begegnungen; Worte, die verletzt haben oder die positiv in Erinne-rung sind. Viele Menschen haben Angst vor diesem Gedankensturm, wenn die Vergangenheit in die Gegenwart einbricht und manchmal eine Unter-gangsstimmung heraufbeschwört. Mit allen Mitteln versuchen sie diesen Sturm in ihrem Innern Herr zu werden oder durch Aktionismus zu ver-drängen. Oft wird das Wüten des Sturmes durch dieses „Dagegen-Ankämpfen“ noch stärker oder bringt nach einer trügerischen Ruhe umso heftiger die Gedanken und das Leben durcheinander.
Die Jünger im heutigen Evangelium machen diese Erfahrung: in der Ruhe der Nacht, nachdem alle Leute gegangen und waren und endlich Ruhe war, bricht ein heftiger Sturm los und bringt ihr Leben durcheinander. Hohe Wel-len schlagen ins Boot. Panische Reaktionen: die Jünger haben Angst – wir können uns die dramatischen Bilder vorstellen, die angsterfüllten Schreie der Jünger; das panische Herausschöpfen des ins Boot geschwappten Was-sers; die Resignation, dass alle Mühe doch keinen Sinn hat – der in diesen Tagen viel zitierte „tote Punkt“ – dem Sturm ist nicht Herr zu werden.
Wie paradox ist da die Haltung und das Verhalten Jesu – er schläft tief und fest auf dem vom wütenden Sturm hin- und hergeworfenen Boot – er schläft tief und fest trotz der Wassermassen im Boot – er schläft tief und fest inmit-ten der lärmenden Panik der Jünger. Jesus schläft nicht aus Müdigkeit oder Erschöpfung; er bewahrt innere Ruhe, nicht indem er den aufkommenden Sturm verdrängt, sondern indem er ihn zulässt und sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen lässt. Jesus kann ruhig schlafen, denn er schläft in Gelas-senheit und Gewissheit, dass der Sturm nicht zum Untergang führen wird. Jesus ruht in sich; er ist der Ruhepunkt in all der Panik um ihn herum. In dieser inneren Ruhe liegt seine Kraft, den Sturm zu stillen.
Ob ich diese Haltung Jesu in meinem Leben hinbekäme?
Ich verfalle oft genug blindem Aktionismus und lasse mich leicht aus der Ruhe bringen. Angesichts der Wellen und Wogen, die ins Boot meines Lebens schwappen, es hin und her werfen und es zum Kentern bringen wollen, habe ich oft Angst. Mir fehlt diese Gelassenheit und auch die Gewissheit Jesu. Ich habe Angst, weil die Abgründe meines Lebens un-
endlich tief, das Meer um mich herum stürmend und meine Angst und mein Kleinglaube riesengroß sind. Oft merke ich nicht einmal, dass Jesus auch im Boot meines Lebens da ist und seelenruhig schläft: Er sitzt mit mir in meinem Boot – und er schläft. Ich kann ihn wecken und wie die Jünger anrufen, in einem Hilfeschrei oder in einem anklagenden Gebet: „Kümmert es dich nicht, dass ich zugrunde gehe?“ (vgl. Mk 4,38).
Ich kann meine Sorgen und Ängste Jesus überlassen, weil sie bei ihm in guten Händen sind. So schlagartig wie im Evangelium wird sich der Sturm in mir nicht legen – die Sorgen meines Lebens um Familienange-hörige und Freude, um Arbeitsplatz oder Krankheit werden bleiben, aber ich kann im Vertrauen auf Jesus gelassener werden. Diese Gelassenheit und innere Ruhe kann ich lernen: „Warum hat ihr solche Angst?“ (Mk 4,40), fragt Jesus die Jünger und auch mich: „Warum hast du solche Angst? Ich bin doch bei dir in den Stürmen des Lebens.“ Dieses Gespür für die Anwesenheit Jesu im Boot meines Lebens und das Vertrauen auf ihn, der den Sturm stillen kann, darauf kommt es an; daran soll ich glau-ben und daran mein Leben ausrichten – nicht nur wenn es stürmisch ist, sondern immer. Täglich kann ich diese Gelassenheit und dieses Gottver-trauen einüben, z.B. mit einem Gebet der heiligen Teresa von Avila:

Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken, alles vergeht.
Gott allein bleibt derselbe. Geduld erreicht alles.
Wer Gott besitzt, dem kann nichts fehlen. Gott allein genügt.

06/13/21

PREDIGT 11. So. i. JK (B)

Ez 17,22-24 + Mk 4,26-34

Samenkorn (hochhalten, anschauen…)

… wenn ich dieses, mein Samenkorn so anschaue freue ich mich. Ich sehe es vor meinem inneren Auge schon keimen; ich sehe wie der Halm dem Licht entgegenwächst; ich sehe die Ähre voll mit Körnern und ich denke an das leckere Brot, das aus dem Mehl der Körner gebacken wird.
… jetzt muss ich nur noch einen geeigneten Ort zur Aussaat finden – sucht – der Boden hier in der Kirche ist viel zu hart. Auf diesem steinharten Boden kann mein Samenkorn nicht keimen und Wurzeln schlagen, da kann es nicht wachsen und reifen; aus der Traum vom leckeren Brot.

Standortwechsel – Schale mit trockener Erde (hochhalten, anschauen…)

Ich besitze ein großes Stück Land: alles fruchtbarer Ackerboden und gute Gartenerde. Was darauf alles wachsen könnte … Gurken, Tomaten und Paprika; Zwiebeln und Kartoffeln; Weizen, Gerste und Mais…
… jetzt brauche ich nur noch Samenkörner, dann wird mein Feld bald grünen, blühen und reifen; dann kann ich bald Feldfrüchte und leckere Gemüsesorten ernten – sucht, fragt – haben sie Samenkörner dabei? Nein?

Standortwechsel – Krug mit Wasser (hochhalten, anschauen…)

Wasser – Wasser ist Leben, Leben für Menschen, Tiere und Pflanzen. Was mit diesem Wasser alles leben und wachsen könnte… jetzt muss ich nur noch etwas finden, das ich begießen und pflegen kann – sucht – in den steinharten Kirchenboden sickert mein Wasser nicht ein; vom Leben abgeschnittene Blumen; sie wachsen durch mein Wasser nicht weiter.


muss er abwarten, bis die Zeit und das Korn reif sind. Es braucht Geduld, Gelassenheit und Gottvertrauen, dass aus dem klitzekleinen Samenkorn, eine große, fruchtbare Pflanze wachsen kann.
Ähnlich ist es sich mit dem Reich Gottes in unseren Pfarrgemeinden und im Seelsorgebereich Hofer Land. Wir brauchen Geduld und Achtsamkeit, damit aus den ausgestreuten Samenkörnern Neues wachsen kann; damit aus den zarten Pflänzchen Bäume werden. Wir erleben oft nur Gezerre: Wir, die Stadt, brauchen mehr – wir sind das Zentrum! Ja, wenn die das haben, dann wir auch! Abgeben, wo kämen wir denn da hin? Wir nicht! Sollen doch die anderen! Dass bei diesem Hin- und Her-Gezerre viel kaputt gehen, ja ganze Pflanzen abreisen können, sehen viele erst, wenn es zu spät ist. Das heutige Evangelium mahnt uns daher zu Achtsamkeit und Sorge, damit optimale Wachstumsbedingungen möglich sind und bleiben – das ist Seelsorge. Eine Sorge, die nicht nur uns Hauptamtlichen anvertraut ist, sondern eine Sorge, die uns alle angeht, damit aus den Samenkörnern in unseren Pfarreien wirklich etwas nachwächst: Glaubensnachwuchs. Das bedingt die Aussaat und die Feldarbeit auf der Fläche des gesamten Seelsorgebereichs, nicht nur auf dem eigenen Pfarracker. Da darf kein Neid aufkommen, wenn andernorts etwas besser wächst, sondern Freude, dass es wächst – daran müssen wir arbeiten und deshalb müssen wir zusammenarbeiten: Same, Erde, Wasser müssen wir zusammenbringen, auch von verschiedenen Orten unseres Seelsorgebereichs. Nur wenn wir als Sämänner und Gärtnerinnen dafür sorgen, kann durch uns Neues aufgehen; nur so können wir als Seelsorgebereich weiter zusammenwachsen und zusammen wachsen; und nur so besteht die Möglichkeit auf eine Ernte. Wenn wir so handeln, dann sind wir nicht „an einem toten Punkt“ – auch wenn weniger wächst als in anderen Jahrzehnten, auch wenn manches vielleicht auch gar nicht aufgeht oder verdorrt. Mit Gottvertrauen wird das Reich Gottes bei uns wachsen – es fängt ganz klein an. Das Wachstum liegt nicht in unserer Hand, wohl aber die Samenkörner, die zu bearbeitende Erde und das Gießwasser.

Samen in die Erde stecken und mit Wasser begießen

AMEN.

06/5/21

PREDIGT Frohnleichnam (B)

Ex 24,3-8 + Mk 14,12-16.22-26

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Ein Geschenk sagt oft mehr als tausend Worte – wenn es sorgsam und dem Anlass entsprechend ausgewählt ist. Was würden Sie auswählen und schenken: Geld oder einen Gutschein – oder doch etwas anderes? Worüber wurde sich der Beschenkte wirklich freuen?
Für mich wäre es wichtig, dass ein solches Geschenk Ausdruck der Beziehung ist, in der ich und er zu Beschenkende stehen: Verbundenheit und in manchen Fällen auch Verbindlichkeit (z.B. Ringe eines Ehepaares). Brot und Wein als Zeichen des Bundes – gewandelt und damit mehr: Brot und Wein als Zeichen der Verbundenheit, der Mahlgemein-schaft nicht „bis der Tod Euch scheidet“, sondern über den Tod hinaus. Brot und Wein, in denen Jesus Christus anwesend ist und bleibt und so verbunden ist mit den Jüngerinnen und Jüngern und auch mit uns.
Teuer oder günstig – der Preis ist nicht das Entscheidende; wertvoll soll das Geschenk sein. Das Geschenk muss keinen hohen Preis haben, muss nicht viel kosten, aber es sollte einen Wert haben für den Schenkenden und den Beschenkten und in diesem Sinn wertvoll sein. Brot und Wein – einfache Lebensmittel – jede und jeder kann sie kaufen. Und doch erinnern sie die Jüngerinnen und Jünger an Jesus und an die Zeit mit ihm. Aber die Gedächtnisfeier mit Brot und Wein ist mehr als wenn wir uns beim Trinken des „Urlaubsweines“ an den schönen Urlaub zurückerinnern – es ist kein Zurückerinnern, kein Gefühl, sondern Gegenwart: Jesus Christus ist da – und das macht Brot und Wein als äußere Zeichen für seine Gegenwart für sein Dasein in meinem Leben so wertvoll.
Nicht nur wertvoll, sondern auch kostbar – das wäre mir wichtig: dass das gewählte Geschenk auch verkostet werden kann – dass der Beschenkte Geschmack daran findet und das Geschenk im übertragenen Sinn verkosten und seine Seele daran laben kann; oftmals ist es gar nichts materielles, sondern ein kostbarer Moment, eine kostbare Zeit, eine kostbare Begegnung, von der ich kosten und im Alltag oder auch in Notzeiten zehren kann: ein gutes Wort, eine Geste der Wertschätzung und des Ansehens – Nahrung und Kost für die Seele: „Es gibt Augenblicke in denen eine Rose wichtiger ist als ein Stück Brot“ (Rainer Maria Rilke). Es ist die Wertschätzung jedes Menschen und der Gemeinschaft, die Jesus Christus weitergibt, die Gemeinschaft mit IHM und der Jüngerinnen und Jünger untereinander. Nicht jede und jeder feiert für sich, sondern Brot (und Wein) wird/werden gemeinschaftlich geteilt und Jesus teilt sich mit und teilt sich in Brot und Wein aus und stiftet so wertvolle Gemeinschaft. Entdecken wir das Kostbare, das Jesus Christus uns heute schenkt und in jeder Feier der Eucharistie. AMEN.

Anbei noch zwei wert-voller und kost-barer Lied-LINKs:
– eine Vertonung des Gebetes im Gotteslob Nr. 6/4: https://www.youtube.com/watch?v=6L6FEk_RM7c
– und die italienische Version von „Gottheit tief verborgen“ (Gotteslob-Nr. 497): https://www.youtube.com/watch?v=BzTaoPzStNI&list=RD6L6FEk_RM7c&index=4

05/24/21

PREDIGT Pfingsten (B)

Apg 2,1-11 + 1 Kor 12,3b-7.12-13 + Joh 15,26-27; 16,12-15

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Pfingsten ist nichts für Stubenhocker und Couch-Potatoes! Pfingsten ist Aufbruch aus der Verschlossenheit, ist Öffnung und Offenheit für die Welt und die Menschen, die in ihr leben. Pfingsten ist neues Leben und Freiheit. Die Auswirkungen von Pfingsten zeigen sich in der Dynamik, die alles andere ist als Stillstand und Festgefahrenheit, und im Mut, neue Wege zu gehen, anstatt immer nur auf ausgelatschten Pfaden zu trotten.
Er, der als Antrieb und Wirkmacht dahinter steckt, ist der Heilige Geist – wir können ihn nicht sehen, aber wir können sein Wirken spüren. Es ist Gottes Geist für die Jüngerinnen und Jünger und für uns. Es ist der Beistand, der mit uns geht, wenn wir den Weg noch nicht kennen. Er ist die Kraft, die uns erfüllt, wenn wir ängstlich und schwach sind. Er ist der Tröster, der uns zärtliche einhüllt in die Liebe Gottes und uns Geborgenheit schenkt. Er ist der Heilige Geist, der die Fähigkeiten und Begabungen, die uns gegeben sind, zur Entfaltung bringen will.
Mit Pfingsten bricht etwas Neues an und nimmt eine neue Gestalt an – die Kirche, die Gemeinschaft gelebten Glaubens von Christinnen und Christen. Die Jüngerinnen und Jünger lassen dieses Neue zu – erstarren nicht in Resignation über die „gute alte Zeit“ als Jesus noch da war. Sie öffnen sich für Gottes Wirken an ihnen, in ihnen und in der Welt. Sie bleiben nicht mehr ängstlich in der Stube hocken, sondern gehen raus, öffnen die Türen, ihre Augen, ihre Ohren und ihre Herzen für die Anliegen der Menschen und für Gottes Wirken. Sie lassen sich ein auf den, der „Leben schafft“ und den Glauben formt, auf den „Schöpfer Geist“. Unter der Führung des Heiligen Geistes gehen sie neue Wege und spre-chen andere an, mit einer Sprache an die von vielen verstanden wird.
Schaffen, schöpfen, formen – im Lateinischen gibt es für dieses Tun ein Verb: formare. Diese Formatio Es ist kein einmaliger Akt – keine für immer feststehende Form im Sinn einer „Backform“, bei der immer das gleiche herauskommt – diese Formatio ist ein kreativer, schöpferischer Akt und damit dynamischer Prozess. Immer wieder ist diese Formatio, diese Neuprägung nötig, damit Kirche und Glauben lebendig bleiben. Unsere Kirche braucht diese Formatio, denn sonst ist sie tot, sonst fehlt ihr das Leben, wenn sie sich nicht wieder und wieder von Gottes lebendig machenden Geist reformieren lässt. Die Kirche braucht die Re-Formation und Reformen, damit sie überleben kann: Ecclesia semper re-formanda – die Kirche ist eine immer sich Erneuernde. Progressiven Reformkatholiken fällt viel ein, was in der Kirche zu erneuern wäre – Konservative Kreise benennen dagegen viele Punkte, die ihnen jetzt schon zu weit gehen und die zurückgeformt werden müssten; sie verstehen Re-Formation als eine Wieder-Herstellung und Fixierung des Al-
ten als Alleingültigen. Ecclesia semper reformanda – die Kirche ist eine immer sich Erneuernde – und doch spüren wir nur selten etwas davon: Weil wir nur auf das Menschliche bauen; weil wir in unserer progressiven oder konservativen Position gefangen und erstarrt sind – wenn wir die Kirche und den Glauben nicht schon längst aufgegeben haben, weil sie von gestern und uralt ist; weil sich eben nichts tut und Stillstand eingekehrt ist; weil sie uns nicht mehr anspricht in Worten, die wir verstehen und die uns begeistern.
Ecclesia semper reformanda – die Kirche ist eine immer sich Erneuernde – aber nur in der Kraft des Heiligen Geistes! Nur wenn wir ihn wirken lassen, geschieht Neuaufbruch und entsteht neues Glaubensleben! „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ (1 Kor 12,4-7). Gottes Heiliger Geist teilt sich mit – jeder und jedem, wie es im ersten Korintherbrief heißt. Ob ich mich diesem Geist verschließe oder aus diesem Geist lebe, liegt an mir: Wenn ich mich dem Geist Gottes öffne, dann bewirkt er Vielfalt im Zusammenleben der Menschen mit all ihren Begabungen und Charismen. Begabung kann ich nicht machen, sie wird mir geschenkt, ist Gottgegeben. Aber meine Aufgabe als Mensch und Christ ist es, die Gaben und Begabungen, die Gott in mich hineingelegt hat, zu entdecken, sie zu leben – sie nicht für mich zu behalten, sondern zum Wohl und Nutzen aller einzusetzen. In dieser Lebendigkeit und in der Vielfalt ist Gottes Geist am Wirken.
Ecclesia semper reformanda – die Kirche ist eine immer sich Erneuernde – und ich als Christin und Christ bin ein Teil von ihr. Es ist spannend, das Wirken des Heiligen Geistes im eigenen Leben und Glauben zu entdecken – gehen Sie doch mal auf Spurensuchen! Leben Sie ihre Begabungen und Geistesgaben aus – bringen Sie sie ein, auch in der Kirche!
Es ist wichtig, auch anzuerkennen und wertzuschätzen, dass Gottes guter Geist nicht nur in mir, sondern auch in anderen Menschen wirkt – und so an und in mir etwas bewirken will – vielleicht auch etwas, das mich beunruhigt oder aufregt, dass wie Feuer in mir brennt, das mir „Feuer unterm Hintern“ macht, mir „Feuerzungen“ in die Sprache legt und mich zum Handeln herausfordert, begeistert und ermutigt.
Lassen wir uns erneuern durch Gottes Geist. Leben wir geistvoll und geistreich unseren christlichen Glauben und sind wir lebendige Gemeinde unter der Führung des Heiligen Geistes. AMEN.

Ihnen und Euch allen ein gesegnetes Pfingstfest!
„Atme in uns, Heiliger Geist“ – ein pfingstliches Lied zum Anhören, zum Mitsummen, zum Anklingen Lassen von Gottes Wirken in uns – in verschiedenen Variationen:
https://www.youtube.com/watch?v=e4dcJnNYT7Q
https://www.youtube.com/watch?v=j5fUZM__VI4
https://www.youtube.com/watch?v=Ar5fu-IRh-M

04/11/21

PREDIGT 2. Sonntag in der Osterzeit (B)

Apg 4,32-35 + Joh 20,19-31

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Lockdown – wir können es nicht mehr hören und viele können auch nicht mehr: Viele sind mütend – des lockdowns und der ständig neuen Maßnahmen gegen das Virus müde, weil sie nicht greifen und soziale Kontakte auch für die eigene Psyche wichtig sind, und wütend auf die Politik, die scheinbar nichts auf die Reihe bekommt. Viele sagen derzeit: Es ist zu viel, es reicht – die Inzidenzwerte in Stadt und Landkreis Hof steigen rasant; für die Stadt gilt eine verschärfte Ausgangssperre und ein Gottesdienstverbot: Daheimbleiben – nicht rausgehen – Kontakte meiden. Man-che halten sich nicht daran und treffen sich hinter verschlossenen Türen – sieht ja keiner, was da abgeht. Die Zahlen sprechen da eine klare Sprache.
Ähnlich – wenn auch aus anderen Gründen – die Jünger im Evangelium: Sie treffen sich hinter verschlossenen Türen – heimlich. Ein verbotenes Treffen? Johannes nennt in seinem Evangelium als Grund dafür die „Furcht vor den Juden“ (Joh 20,19) – eine Deutung des Evangelisten, die wohl nicht der Realität entsprochen haben dürfte. Warum also die Verschlossenheit? Die Jüngerinnen und Jünger wollen reden – miteinander und ungestört. Sie brauchen einander für die Verarbeitung des Erlebten. Sie wollen alles draußen lassen, was sie in ihrer Traurigkeit und Trauer stören könnte. Verschlossen und eingeigelt in Hoffnungslosigkeit, weil ihre Hoffnung, Jesus Christus, nicht mehr ist, weil er tot und begraben ist. Die Jünger können nicht mehr; sie können nicht mehr so leben wie zuvor. Wie der Leichnam Jesu im Grab eingeschlossen wurde, haben auch sie sich und ihr Leben eingeschlossen – manche haben vielleicht auch schon mit ihrem Leben abgeschlossen und sehen keinen Sinn mehr im Leben.
In diese Verschlossenheit und Todesstarre kommt Bewegung und Leben: Jesus kommt aus dem verschlossenen Grab heraus und steht auf zu neuem Leben – und Jesus kommt in die Verschlossenheit und Traurigkeit der Jüngerinnen und Jünger hinein; mehrmals tritt er in ihre Mitte und durchbricht ihre Isolation und ihre selbst auferlegte Quarantäne. Jesus wünscht ihnen „Frieden“ – das meint im Sinn des hebräischen „Shalom“ auch „Wohlergehen“ und „Rettung“. Der Auferstandene will, dass die Jüngerinnen und Jünger „durch den Glauben [an seine Auferstehung] Leben hab[en] in seinem Namen“ (Joh 20,31). Der Heilige Geist, den er ihnen zuhaucht, soll sie ins Leben führen und alles Sündhafte, was am Leben hindert, überwinden: Neuer Lebensmut statt Lebensmüdigkeit!
Freude bei denen, die das erleben, und Zweifel bei Thomas und bei uns, die nicht dabei waren: Können wir das glauben? Wie können wir begreifen? Die Möglichkeit den Auferstandenen leibhaftig zu berühren fällt ja aus – und ob Thomas es getan hat, darüber schweigt das Evangelium. Fest steht: Thomas hat in der Begegnung mit Jesus seine Fragen und
Zweifel überwunden. Er hat mit Herz und Verstand begriffen, geglaubt und bekannt: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28). Auch hierfür ging die Initiative von Jesus aus: Der Auferstandene ist auf ihn zugegangen, hat alle Barrieren und Hindernisse überwunden, ist in sein Leben gekommen und hat sich den Zweifeln und Fragen des Thomas gestellt.
Jesus kommt auch in mein Leben, in meine Verschlossenheit, in meine Ängste und Zweifel. Er ist da und für mich da – wir alle und unser aller Leben sind ihm wichtig. Der Auferstandene hält diese Beziehung zu mir am Leben. Er schenkt mir Ansehen und will, dass ich lebe und dass es mir gutgeht – sein österliches „Shalom“ gilt auch mir. Ich kann dieses neue Leben spüren, wenn ich mich nicht verschließe für die Zeichen der Hoffnung und des Lebens, die er mir als der auferstandene Gekreuzigte zeigt. Wie Thomas zeigt er (im heutigen Evangelium und in figürlichen Darstellungen in unseren Kirchen) mir seine Wundmale und die Verwundungen durch die Kreuzigung. Jesus will in mir Verwunderung bewirken und meinen Glauben an das Wunder der Auferstehung stärken. Er weckt in mir neuen Glaubens- und Lebensmut und schenkt mir seinen Heiligen Geist. Der Auferstandene gibt mir so Anteil an seinem österlichen Leben, an seiner Auferstehung, gerade in dieser beschwerlichen und zermürbenden Zeit. Dem kann und will ich mich als Christ, als Jünger Jesu, nicht verschließen, sondern leben in seinem Namen und aus seiner Kraft.
AMEN.

Liedlinks zum Mitsingen:
– Jesus lebt, mit ihm auch ich (GL 336 / 1): https://www.youtube.com/watch?v=iz92gw0ANps
– Freu dich, erlöste Christenheit (GL 337): https://www.youtube.com/watch?v=Nk6OXQir-xs

Impuls für die neue Woche