PREDIGT 14. So. i. JK (B)

Ez 1,28b-2,5 + Mk 6,1b-6

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Den kenne ich – der ist genauso wie sein Vater und Großvater. Was soll ich da anderes erwarten: Stur bleibt stur. Ich kenne solche Einteilungen zu genüge: Menschen werden in Schubladen gesteckt, sie werden nach dem Verhalten ihrer Vorfahren eingeteilt; in unseren Dörfern mit den engen sozialen Gefügen ist das bis heute so… auch in einer kleinen Stadt ist das nicht viel anders. Das Schlimme an diesen Schubladen ist, dass der, der in eine solche eingekastelt wird, meist lebenslang darin gefangen ist. Veränderungen sind von vornherein ausgeschlossen, zumindest bei denen, die in Schubladen denken, da kann der in der Schublade sich noch so anstrengen: „Das kann nicht sein – der war schon immer so!“
Jesus geht es so im kleinen Kaff Nazareth, dem Heimatdorf seines Ziehvaters Josef: Dorthin kehrt er mit den Jüngern zurück. Zunächst gibt es ungläubiges Staunen und große Aufmerksamkeit für Jesus, als er in der Synagoge die Tora, die Heilige Schrift der Juden, erklärte. „Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Machttaten, die durch ihn geschehen?“ (Mk 6,2). Offene Fragen, aber kein Interesse an der Botschaft Jesu – denn die Antworten der Bewohner der kleinen Stadt und der umliegenden Dörfer sind alles andere als offen: Jesus wird in die Schublade seiner scheinbaren Herkunft gepresst: „Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria?“ (Mk 6,3); wie kann der, bei dieser Herkunft, so reden. Jesus erfährt Ablehnung, weil er nicht in die ihm zugedachte Schublade passt, weil er aus dem Rahmen der Erwartungen der Leute herausfällt. Aber: Nicht etwa die Gottessohnschaft oder die Jungfrauengeburt sind für die Leute Stein des Anstoßes – davon erzählt des Evangelium nichts: das Markusevangelium beginnt mit dem „erwachsenen Jesus“. Bei der Taufe im Jordan wird nur Johannes dem Täufer offenbart, dass dieser Mensch Gottes Sohn ist (vgl. Mk 1,9-11). Trotzdem ist für die Leute spürbar, dass Jesus anders ist. Statt dieses Au-ßerordentliche ernst zu nehmen und an die Größe und Unbegreiflichkeit Gottes, der sich in Jesus Christus offenbart, zu glauben, lehnen sie Jesus ab – wie sie glauben aus guten Grund: weil Jesus nicht in ihre gedachte Lebensordnung passt und durch sein Anderssein Unordnung in ihrem Glaubenssystem stiftet. Ihnen fehlt der Glaube, dass Jesus im Auftrag seines himmlischen Vaters lebt, wirkt und heilt. Ohne den Glauben an die Wirkmächtigkeit Gottes in Jesus Christus kann er in seiner Heimat keine Wunder tun – nur wundern kann er sich über den Unglauben der Leute (vgl. Mk 6,5-6): „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land“ (vgl. Mk 6,4).
Was macht unser Menschsein wirklich aus?
Daheim werde ich oft über meinen Vater definiert: „dem Saalers Bernhard sei Sohn, der wo Pfarrer is.“ Was wir können, ist uns vorgegeben –
in unserer Familie gehörte über Generationen neben der Landwirtschaft die Herstellung von Seilen dazu. Heutzutage ist das anders: Wissen und Fertigkeiten werden nicht mehr nur vom Vater auf den Sohn vererbt, sondern auch an Schulen, durch Ausbildung und eigene Aneignung erworben. Heute bestimmen die eigenen Bildungsabschlüsse und geleistete Praktika die Berufsmöglichkeiten und Kariere – es bleibt aber ein Schubladendenken: was einer nicht von seinem Vater daheim oder vom seinem Ziehvater, dem Lehrer bzw. der Lehrerin in der Schule, im Betrieb oder an der Universität gelernt hat, wie und woher soll er das können?
Bei Jesus Christus bin ich mir sicher: aus der radikal verändernden Kraft des Heiligen Geistes, mit dem ihn Gott bei der Taufe ausgestattet hat.
Als Priester habe ich mir einiges angeeignet und von meinen Eltern habe ich viel gelernt. Trotzdem frage ich mich manchmal: „Woher habe ich das alles?“ Ich vertraue darauf, dass Gottes Heiliger Geist auch in mir wirksam und am Werk ist – in jedem Getauften und Gefirmten! Gestern war das eindrucksvoll bei der Firmung von 35 Jugendlichen in Oberkotzau spürbar: Gesendet zum Leben als mündiger Christ/mündige Christin. Dieses Leben aus Gottes Geist ist kein exklusives Geschehen – berufen sind alle Getauften und Gefirmten! Wir sind berufen, unseren Glauben prophetisch zu leben. Ich bin berufen, mein einengendes Schubladendenken aufzugeben und dafür Gottes Wirkmächtigkeit in meinem Leben Raum zu geben. Lassen wir Gottes Geist in uns und durch uns wirken, denn Propheten sind wir alle – auch du und ich. AMEN.