PREDIGT 31. So. i. JK (B)

Dtn 6, 2–6

VvvLiebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Worte auf ein Herz geschrieben: ich liebe dich – einfach geht das in Papier- form als Liebesbrief, oder als Liebeserklärung in Zuckerguss auf einem Lebkuchenherz. Ich liebe dich – liebe Worte und Liebesworte, die von Herzen kommen und zu Herzen gehen sollen – von Herz zu Herz.
Nimm dir das zu Herzen – beherzige dies! Immer wenn meine Eltern, dies zu mir sagten, wusste ich es geht um etwas Wichtiges: wertvolle Ratschläge zu gelingendem Leben. Grüße die Leute, wenn du ihnen be- gegnest, auch wenn du sie nicht kennst! Sei hilfsbereit und freundlich! Sag Danke und Bitte! Als Kind und Jugendlicher habe ich solche Rat- schläge oft nicht verstanden. Ich sah darin mich einschränkende Regeln oder nervige, maßregelnde Gebote. Die Fürsorge meiner Eltern um mich und ihre Liebe zu mir, die sah ich oft nicht. Heute sieht das anders aus. Heute bin ich froh, dass ich damals auf meine Eltern gehört und mir ihre Worte zu Herzen genommen habe. Ich habe ihre Worte verinnerlicht, sie auf mein Herz geschrieben, learned by heart wie der Engländer sagt.
Learn it by heart – lerne es mit dem Herzen, nimm es dir zu Herzen: Die- se Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen ge- schrieben stehen. (Dtn 6,6) Dazu fordert Mose als Sprachrohr Gottes die
Israeliten auf. Deshalb sollst du hören, Israel, und sollst darauf achten, [alles, was der HERR, unser Gott, mir gesagt hat,] zu halten, damit es dir gut geht (Dtn 6,3*). Die Worte, die sich das Volk Gottes zu Herzen neh- men soll, gehören zum Wichtigsten, was das Judentum besitzt. Es ist das wichtigste Gebet, das sie haben. Es ist das jüdische Glaubensbekenntnis, das in keinem ihrer Gottesdienste fehlen darf, das Schema Israel:
Höre, Israel! Der HERR, unser Gott, der HERR ist einzig. Darum, weil Gott so einzigartig ist, sollt du den HERRN, deinen Gott, lieben mit gan- zem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. (Dtn 6,4-5) Für gläu- bige Juden ist dieses Gebet die Herzmitte ihres Glaubens. Schon Kinder lernen diese Worte auswendig – also by heart, mit dem Herzen.
Zum Gebet binden sich die Männer die Worte des Schema Israel vor die Stirn und an ihren Unterarm; so sind sie dem Verstand und dem Herzen ganz nah. Diese Worte sollen bedacht und im Leben beherzigt werden; sie sollen Denken und Tun durch und durch prägen: Liebesbeziehung zu Gott – Hingabe im Gebet und im gelebten Alltag – Liebe mit ganzem, ungeteiltem Herzen. Diese Worte sind auch in kleinen Kapseln an den Türen bzw. an den Türpfosten jüdischer Häuser angebracht, werden beim Verlassen des Hauses und beim Heimkommen durch einen Kuss verehrt. Ein Kuss sagt mehr als tausend Worte, er zeigt an, für wen mein Herz schlägt. Beim Gottesdienst küsst der Priester den Altar und das
Lektionar/Evangeliar – nicht weil er in den Altar oder das Buch verliebt ist – sondern, weil er das Wort Gottes herzt, weil er Jesus Christus, den der Alter symbolisiert, liebt und wertschätzt. Das Wort Gottes und Jesus Christus wollen unser Leben als Christinnen und Christen mit Liebe immer wieder neu prägen, reformieren (= wieder in Form bringen).
Jesus richtet im heutigen Evangelium den Blick des Schriftgelehrten und meinen Blick auf das wichtige Gebet und Gebot, das Schema Israel. Jesus Christus, hineingeboren in eine jüdische Familie, war gläubiger Jude ein Leben lang. Auch für ihn war das Schema Israel ein Herzensanliegen. Er schenkt es auch uns Christen als erstes und wichtigstes Gebot: Höre Isra- el, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem gan- zen Denken und mit deiner ganzen Kraft. (Mk 12,29-30) Aber das ist nicht alles. Für Jesus ist wichtig, dass alle meine Beziehungen von Liebe ge- prägt sind: meine Beziehung zu Gott – meine Beziehung zu den Nächs- ten, den Mitmenschen und Mitgeschöpfen – und meine Beziehung zu mir selbst, dass ich mich annehmen und lieben kann mit meinen Fehlern, Ecken und Kanten. Wenn alle drei Beziehungen in Balance sind, wenn sie mir am Herzen liegen, dann gibt es keine Einseitigkeiten und Schieflagen. Dann kreise ich nicht um sich selbst. Sondern: Mein Herz öffnet sich für meine Mitmenschen, für ihre Sorgen, Anliegen und Nöte, die ich in Liebe mittragen kann, und die ich manchmal auch in Liebe ertragen muss – und
mein Herz öffnet sich für den mich liebenden Gott, den ich im Nächsten entdecken und lieben kann. Wenn ich das beherzige, dann gilt mir das
Wort Jesu: Du bist nicht fern vom Reich Gottes (Mk 12,34).
AMEN.

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