STATIO PALMSONNTAG (B)

Mk 11,1-10 + Mk 14,1-15,47

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
„Du, Gott, stellst meine Füße auf weiten Raum“ – mit diesem Psalmvers ist das MISEREOR-Hungertuch überschrieben. „Du, stellst meine Füße auf weiten Raum“ und gibst mir die Freiheit in meinem Handeln – Handlungsraum.

© MISEREOR – © Härtl/MISEREOR

In den Evangelien des Palmsonntags ist viel Handlung und Bewegung drin – Füße haben ein tragende Rolle: sie bringen Menschen an Orte, sie folgen nach und gehen mit, sie stehen in Opposition und gehen gegeneinander vor. Der Blick auf „die Füße“ fragt mich an: Wo stehe ich? Wohin gehe ich mit? Was geht mir zu weit? Wofür stehe ich? Wo ist mein Platz im Evangelium?
Die Jünger gehen voraus, um alles für den Einzug Jesu in Jerusalem und später auch für das Abendmahl vorzubereiten.
Jesus zieht nicht zu Fuß in Jerusalem ein – er kommt nicht „hoch zu Ross“, sondern reitet auf einem Esel, dem Reittier der armen Leute; ein klares Statement, auf wessen Seite Jesus steht und für wen er gekommen ist.
Viele Menschen strömen in Scharen zu Jesus, gehen jubeln vor ihm her und begleiten ihn bei seinem Einzug in die Stadt; sie breiten Kleider aus und streuen Zweige auf den Weg – sie wollen nicht, dass sich Jesus (und der Esel) die Füße schmutzig macht und bereiten ihm einen königlichen Weg.
Auch die Passion ist geprägt von Wegen und Standpunkten von Menschen:
Die Frau, die Jesus salbt, kommt Jesus ganz nah – ein sehr kostbarer und intimer Moment voller Zärtlichkeit, Hingabe und Liebe.
Nach dem Mahl gehen die Jünger mit Jesus zum Ölberg – während Jesus betet, können sich die Jünger nicht auf den Beinen halten und schlafen ein.
Judas geht seinen Weg: Er verlässt Jesus und verrät die Freundschaft zu ihm mit einem Kuss; er liefert Jesus aus und führt bewaffnete Soldaten zu ihm.
Die Jünger fliehen, um ihre Haut zu retten. Petrus folgt dem gefangenen Jesus zwar in den hohepriesterlichen Palast, leugnet aber, Jesus zu kennen.
Der hohe Rat und Pilatus sitzen und wollen ihre Machtposition nicht verlieren; sie sitzen Gericht über Jesus, der gefesselt vor- und abgeführt wird.
Die Soldaten gehen auf ihre Weise mit Jesus um: Erniedrigung, Spott und Hohn – Purpurmantel, Dornenkrone, Geißelung, Bespucken.
Jesus schleppt sich auf dem staubigen und qualvollen Weg zur Kreuzigung – so ganz anders als beim Einzug in Jerusalem; viele Menschen gaffen Jesus an; manche leiden mit ihm; Simon trägt gezwungenermaßen das Kreuz mit.
Bei der Kreuzigung stehen Menschen beim Kreuz; sie sehen den grausamen Tod Jesu mit an: Die Frauen, die Jesus gefolgt waren und ihm gedient hatten, und auch der Hauptmann, der Jesus als Gottes Sohn bekennt.
Josef von Arimathäa geht mutig zu Pilatus und bittet um den Leichnam Jesu. Er macht seinen Einfluss geltend und lässt Jesus nicht am Kreuz hängen, sondern bestattet ihn – ein Akt der Menschlichkeit und Liebe.
„Du, Gott, stellst meine Füße auf weiten Raum“: Wo stehe ich in der Karwoche? Welche Wege gehe ich mit? Kreuzwege? Lebenswege?

Auch wenn in diesem Jahr keine Palmprozession möglich war, waren viele Gottesdienste mit dem Palmsonntagslied verknüpft:

Singt dem König Freudenpsalmen (GL 280 – zum Mitsingen): https://www.youtube.com/watch?v=eTqnEdU1A44

Ein Lied, dass von Freude, Jubel und Hoffnung geprägt ist;
aber die Stimmung „kippt“ bald – nicht nur in dieser Woche, sondern auch in der Liturgie des Palmsonntags, die auch von der Passion geprägt ist:

O Haupt voll Blut und Wunden (GL 289 – zum Mitsingen): https://www.youtube.com/watch?v=1J5Dswdjxqg

Anbei noch mein Impuls nicht nur für Palmsonntag, sondern für die Heilige Woche:Die Heilige Woche hält dieses Wechselbad der Gefühle für uns bereit:
Himmelhoch jauchzend und jubelnd am Palmsonntag – Hoffnung, dass die Unterdrückung ein Ende hat;
einfach und festlich das Abendmahl – ein Abschiedsmahl, mit dem Jesus Verbundenheit schafft auch über seinen nahen Tod hinaus;
betend und flehend, verraten und gefangen – die durchwachte Jesu Nacht am Ölberg;
gefoltert und zum Tod verurteilt – Gewalt aber auch Anteilnahme begegnen auf dem Kreuzweg Jesu, bei seiner Kreuzigung und seinem Tod am Kreuz; Tod … und dann… kommt noch was?

Wir erleben derzeit auch ein solches Wechselbad der Gefühle – täglich, manchmal stündlich sich ändernde Regularien. Das verunsichert und lähmt:

Kommt noch was? Was kommt denn noch?

Ostern kommt – bestimmt – und wir werden es auch feiern. Wir wissen nur noch nicht genau wie…

… vielleicht ist genau das Ostern, dass wir uns wie damals die Jüngerinnen und Jünger überraschen lassen müssen und eigene, vielleicht auch ganz neue Wege suchen und finden müssen – Osterwege.