PREDIGT 12. So. i. JK (A)

Jer 20,10-13 + Mt 10,26-33

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
„Verkauft man nicht zwei Spatzen für einen Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht!“ (Mt 10,29-31) Es ist wahr: Kein Spatz fällt vom Himmel ohne den Willen Gottes. Es ist wahr: Grundlage unseres Glaubens ist, dass Gott ein guter Gott ist, der es gut mit uns meint. Es ist wahr: Die Botschaft des Evange-liums lautet „Fürchtet euch also nicht!“ – Aber es ist damit nicht gesagt, dass mein Leben deshalb angenehmer ist, dass die Zweifel schwinden, dass all überall Frieden und eitel Sonnenschein herrschen.
Nicht ohne Grund ist dieser Sorglosigkeit ein anderes „Fürchtet euch nicht“ vorangestellt: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können; sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann“ (Mt 10,28). Es geht hier nicht um Angstmache sondern um Gottesfurcht, um die Ehrfurcht vor dem, der Herr ist über Leben und Tod; es geht um Gott, genauer gesagt um den allmächtigen Gott, der Leib und Seele in der Hand hält – der uns fallen lassen kann, wenn er es will. Mein Vertrauen in Gottes gute Ab-sichten wird auf die Probe gestellt. Mir geht es dabei nicht besser als dem Gekreuzigten – dem Lukas die Worte in den Mund legt: „Herr, auf dich vertraue ich. In deine Hände lege ich mein Leben“ (vgl. Lk 23,46). Was das heutige Evangelium über Gott und die Welt zu sagen hat, ist die Nähe Gottes, die die Grundlage für mein Vertrauen sein kann.
Vertrauen auf die Nähe Gottes meint nicht, dass alles gut wird und dass am Ende immer ein happy end winkt. Dieses Vertrauen in Gott ist kein Betäubungsmittel, das alles nur halb so schlimm erschein lässt. Nein, Vertrauen in Gott meint, dass mich nichts trennen kann von Gott und seiner Liebe (vgl. Röm 8,35-39), dass er selbst in der gefühlten Gottverlas-senheit des Kreuzes da ist. Er hilft Jesus nicht an Kreuz und Leiden vor-bei, sondern durch Kreuz und Leid hindurch zum Leben.
Gott lässt uns nicht fallen, er sorgt sich um mich und mein Leben, das viel „mehr wert als viele Spatzen“ (Mt 10,31) ist. Gott ist an meiner Seite, aber er bedrängt mich nicht. So richtig kann ich mir das gar nicht vorstellen, was das bedeutet, einem Menschen immer an der Seite zu stehen, ohne an sich selbst zu denken. Bestenfalls gibt es in meinem Leben Au-genblicke der Selbstvergessenheit – Momente, in denen ich fast schon instinktiv für andere da bin. Mein liebevolles Dasein für andere bricht sich immer an der Sorge um mein eigenes Leben, das ist Fakt, da kann ich nicht aus meiner Haut. Aber immer und nur für andere da zu sein, das kann ich nicht, das geht über meine Kräfte – das kann nur Gott. Er ist da, auch wenn ich ihn nicht sehe oder sein Eingreifen nicht spüre. Aber meine Lebenswelt ist nicht das große Marionettentheater Gottes, in dem er letztlich alle Fäden zieht. Und doch hält die Schrift daran fest, dass nichts ohne Gottes Gegenwart und gegen seinen Willen geschieht.
Und gerade das ist das für mich so Unbegreifliche dieser Gegenwart Gottes:
dass Gott zulässt. Wo ich dem anderen, der meine Pläne durchkreuzt,
schon längst Grenzen gesetzt und meine Pläne (notfalls auch mit Gewalt)
verteidigt und durchgesetzt hätte, da lässt Gott zu, da greift er nicht ein.
Das macht mich sprachlos. Ich kann nur schwer verstehen, dass Gott all
das Leid, den Hunger und die Kriege in der Welt zulässt… Das macht
mich sprachlos. Aber in der Heilige Schrift offenbart mir Jesus, wer und
wie Gott ist: „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,16b), die Hingabe der Liebe. Wie
Gott die Welt geschaffen hat – aus Liebe – so schafft er auch uns Menschen,
und gibt uns unser eigenes Leben. Aus Liebe verzichtet er auf die
All-Kontrolle seines Werkes; er liefert sich aus, gibt sich hin. Das ist liebende
Allwissenheit und Allmacht Gottes: Es gibt keinen Spatz oder
Sperling auf dieser Welt, um den Gott nicht weiß und in dem sich Gott,
der Schöpfer, nicht hingibt. Um wieviel mehr dann nicht für uns?
Weiß also Gott, wann die Corona-Pandemie ganz überwunden ist – ob jemals alles wieder sein wird, sein kann oder sein muss wie vorher. Eines
aber ist gewiss: Er weiß um mich – und in meinem Leben sitzt Gott nicht
auf der Zuschauertribüne, sondern er spielt ein große Rolle, er spielt aktiv
mit auf der Seite der Menschen – auf der Seite jedes Menschen. AMEN.