Predigt Ostern

Mt 28,1-10

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!

Nichts ist mehr so wie es war.

Nichts ist mehr so wie es war, wenn die Erde bebt und alles in sich zusammenbricht: Häuser, Leben, Zukunft. Erdbeben sind an und für sich nichts Besonderes, sie ereignen sich immer wieder. Die Erde bebt dort, wo mehrere Erdplatten aneinander grenzen. Wenn diese Erdplatten aneinander stoßen und sich untereinander schieben, bebt und zittert die Erde mehr oder weniger stark. Seismographen zeichnen diese Erdspannungen auf und messen ihre Stärke. Seismographen halten Erdbeben und ihre Intensität für die Nachwelt fest und bezeugen eine Wirklichkeit.

Nichts ist mehr so wie es war.

Seit der Corona-Virus die Welt beherrscht und in Angst und Schrecken versetzt. Ende Dezember 2019 ist er in der Millionenstadt Wuhan auffällig geworden – ein lokales Erdbeben, das sich schnell auf ganz China ausbreitete und zur Epidemie auswuchs und das ganze Land erschütterte. Mittlerweile ist es eine weltweite Pandemie: Am 4. März wurden über eine Million Infizierte gezählt und 57.000 Tote – Tendenz steigend und dazu noch die hohe Dunkelziffer, die vielen Fälle, die (noch) gar nicht entdeckt und registriert sind. Erschütterungen, die uns wachrütteln und verunsichern. Die Welt hat sich grundlegend verändert – die Erde bebt in vielen Krisenherden – Corona ist nur einer davon.

Nichts ist mehr so wie es war.

Festgenagelt und durchbohrt hängt Jesus am Kreuz: tot. Alle Träume und Hoffnungen von einer mit Jesus anbrechenden Heilszeit sind aufs Kreuz gelegt, getötet und begraben. Erschütterung, Niedergeschlagenheit, Enttäuschung, ja Trostlosigkeit macht sich breit. Durch den Tod Jesu bricht eine Welt zusammen. Jede Mutter will nur das Beste für ihr Kind. Für Maria ist es erschütternd unter dem Kreuz zu stehen. Sie gerät ins Wanken, ist einem Zusammenbruch nah. Erschüttert und niedergeschlagen auch die Anhänger Jesu, seine Freunde und Jünger. Furcht und Schrecken bei den umstehenden Menschen. Der Evangelist Matthäus hat versucht diese intensiven Gefühle der aufgewühlten, bebenden und erschütterten Menschen in Worten auszudrücken. Als einziger der vier Evangelisten zeichnet er das Erdbeben auf, das der Tod Jesu auslöst. Es ist etwas Außergewöhnliches in einer erdbebenfreien Region: Dieses Erdbeben zeigt die tiefe Erschütterung, die der Tod Jesu hinterlässt:

„Jesus aber schrie noch einmal mit lauter Stimme. Dann hauchte er den Geist aus. Und siehe, der Vorhang riss im Tempel von oben bis unten entzwei. Die Erde bebte und die Felsen spalteten sich. […] Als der Hauptmann und die Männer, die mit ihm zusammen Jesus bewachten, das Erdbeben bemerkten und sahen, was geschah, erschraken sie sehr und sagten: Wahrhaftig, Gottes Sohn war dieser!“ (Mt 27,50-51.54)

Das Erdbeben und der Todesschrei Jesu hat Menschen wachgerüttelt: Durch den Tod Jesu bricht eine Welt zusammen – nichts ist mehr so wie es war – die Welt hat sich mit dem Tod Jesu grundlegend verändert.

Nichts ist mehr so wie es war.

Wie ein Seismograph hält der Evangelist Matthäus alle wesentlichen Veränderungen fest. Durch ein weiteres Erdbeben am dritten Tag bezeugt er eine neue Wirklichkeit. Dieses Beben will nicht erschüttern oder zerstören – nein, es will aufrütteln und zum Umdenken bewegen:

„Und siehe, es geschah ein gewaltiges Erdbeben; denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Sein Aussehen war wie ein Blitz und sein Gewand weiß wie Schnee. Aus Furcht vor ihm erbebten die Wächter und waren wie tot. Der Engel aber sagte zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist [von den Toten] auferstanden, wie er gesagt hat.“ (Mt 28,2-6).

Das äußere Erdbeben ist wiederum ein Zeichen innerer Erschütterung bis ins Mark: „Aus Furcht […] erbebten die Wächter“ – sie waren vor Schreck wie gelähmt. Die Frauen am leeren Grab erfüllt ein innerliches Beben hervorgerufen durch die strahlende Lichtgestalt: fascinosum et tremendum – große Freude und Schrecken erschüttert die Frauen. Noch ist nichts entschieden – zwei Herzen schlagen ach in meiner Brust: Freude und Schrecken. Entscheidend ist die Begegnung mit dem Auferstandenen und seine Botschaft: „Fürchtet euch nicht.“ (Mt 28,10) Jetzt ist es entschieden wie das Herz der Frauen schlagen soll: Es soll voll Freude schlagen.

Nichts ist mehr wie es war. Durch die Auferstehung Jesu bricht eine Welt zusammen, die Welt des Todes. Nichts ist mehr so wie es war – die Welt hat sich mit der Auferstehung Jesu grundlegend verändert.

Die Welt hat sich verändert – durch den Tod Jesu vor fast 2000 Jahren und durch die erlebten und gefühlten Erdbeben unserer Tage – die Welt hat sich verändert – und wir? Lassen wir uns noch erschüttern?

Lassen wir uns anrühren vom Leid? Lassen wir uns noch aufrütteln?

Können wir angesichts des Todes und in erschütternden Lebenskrisen an das Leben glauben, oder macht sich Bestürzung breit?

Nicht nur die Welt muss sich verändern, sondern auch ich mich: trotz aller Lebenserschütterungen, trotz Corona und durch die Kreuze und Leiden dieser Zeit hindurch soll ich wie die Frauen am Grab erschüttert umdenken und zu einem Menschen der Hoffnung und Freude werden: Der Glaube an Gott und die Auferstehung Jesu Christi macht mich nicht erdbebensicher, oft werde ich katastrophal erschüttert, durch den Tod geliebter Menschen, die Einschränkung oder den Verlust von Lebensgewohnheiten und von Liebgewonnenem. Aber ich bleibe in dieser traurigen Erschütterung stecken, wenn ich mich nicht durch Jesus Christus erschüttern lasse. Der auferstandene Gekreuzigte erschüttert mich, er bewegt mich zum Leben und lässt mich zu einem österlichen Menschen werden. Fürchtet euch nicht!  Amen.