PREDIGT Osternacht

Gen 1,1-2,2a + Gen 22,1-18 + Ex 14,15-15,1
Röm 6,3-11 + Mk 16,1-7

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Am Karfreitag und Karsamstag war ein ungewöhnlicher Gegenstand im Heiligen Grab von Schwarzenbach und Oberkotzau zu sehen: ein schwar-zes grobmaschiges Netz: Christ lag in Todesbanden – oder wie der Beter des Psalms sagt: „Mich umfingen die Fesseln des Todes“ (Ps 116,3).
Heute an Ostern hält das Netz Christus nicht mehr gefangen – der schwarze Tod kann ihn nicht im Grab nicht festhalten.
Auch auf der Osterkerze ist ein Netz zu sehen – ein schwarzes Netz mit einem Loch, durch das ein bunter Schmetterling in die Freiheit fliegt; „das Netz ist zerrissen und wir sind frei“ (Ps 124,7), so sagt es der Psalmist.
Ein Schmetterling auf einer Osterkerze – ist das nicht zu platt und zu naiv? Wir sehnen uns alle nach dem Sommer, nach Urlaub und nach der Freiheit, die so ein Schmetterling hat – er fliegt mit Leichtigkeit wohin er will; Ab-stände und Beschränkungen stören ihn nicht; er überwindet alle Barrieren. Der Schmetterling ist somit ein Symbol der Hoffnung auf Freiheit.
Aber das war nicht immer so: „Das ist das Ende“, dachte die Raupe, als sie sich verpuppte und zum Sterben bereit war. „Das ist erst der Anfang“, sagt der Schmetterling, der aus dem Kokon wie aus einem Grab entschlüpft. Der Schmetterling ist daher ein altes und vergessenes Auferstehungssymbol.
Auch die Schrifttexte erzählen von diesem Durchbruch zum Leben:
Neues Leben nach dem chaotischen Verhältnissen, dem Tohuwabohu – dafür steht die Schöpfungserzählung. Gott schafft Raum zum Leben – Lebensraum; er erschafft Leben und Lebendigkeit und nicht den Tod.
Gott will kein Menschenopfer. Er will das Leben des Isaak – nicht gefes-selt, sondern frei; und er will, dass jeder Mensch leben kann und darf.
Gott rettet sein Volk auf wunderbare Weise – durch das Wasser zieht es in die Freiheit. Das Wasser steht auch für die Taufe und damit für unser Christsein: Wir sind zur Freiheit berufen, Volk Gottes und Kinder Got-tes, hineingetauft in das Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi.
Heute an Ostern ist die Kirche festlich mit Blumen geschmückt: ein Garten, ein Lebensraum, ein Paradies. Dort ist das Leben; dort ersteht auch Christus zum Leben und schenkt uns die Hoffnung auf dieses blühende Leben.
Dieses neue Leben klingt ganz zart auf dem MISEREOR-Hungertuch an: Ein Schmetterling ist zwar nicht zu sehen, aber der Weg für den gebrochenen Fuß ist gesäumt goldenen Blumen – Zeichen des Lebens und Farbe des Göttlichen, des neuen Lebens, das Gott schenkt: Du, Gott, stellt meine Füße auf weiten Raum (Ps 31,9) – der Titel des Fastentuches ist Programm für un-ser Leben als österlicher Mensch. Wir sind zwar umgeben von Krankheit und Tod, leben aber in der Hoffnung auf Leben durch Jesus Christus. Er lebt! Er ist auferstanden! Halleluja! Er befreit auch uns zum Leben und löst unsere Fesseln. Wir dürfen durch, mit und in Jesus Christus leben. AMEN.