PREDIGT 10. SO IM JK (A)

1 Kor 10,16-17 (Fronleichnam)/Hos 6,3-6 + Mt 9,9-13

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
In an out: wir feiern heute in Oberkotzau keinen indoor-Gottesdienst, sondern outdoor die Eucharistie: für alle sichtbar, nicht nur für die, die sonntags immer in die Kirche kommen, sondern auch für die, die mit dem Auto vorbeifahren zum Brötchenholen oder zu einem Ausflug. Die Sonntagseucharistie ist rückgebunden an das letzte Abendmahl: Wir feiern sie heute nicht „im Abendmahlsaal“, sondern draußen, inmitten der Alltagswelt. Wie feiern das Fronleichnamsfest (nach) und gehen raus, wir gehen auf die Plätze und Straßen und leben unseren Glauben an Jesus Christus, der in unserer Mitte und die Mitte unseres Glaubens ist. „Fronleichnam“ bedeutet „lebendiger Leib des Herrn“: Jesus Christus lebt seinem Wort und in der Eucharistie, im Brot des Lebens und im Wein der Freude, mitten unter uns – und wir leben aus IHM und seinen Worten – oftmals ist dies eine Herausforderung.
Herausgefordert durch sein Wort: „Folge mir nach!“ (Mt 9,9). Jesus fordert nicht nur den Zöllner Matthäus im heutigen Sonntagsevangelium zur Nachfolge heraus, sondern jede und jeden von uns. Wir sollen nicht blind hinter Jesus Christus hertrotten, sondern seinem Evangelium der Liebe, der Menschenfreundlichkeit und Barmherzigkeit „Beine machen“, mit Jesus gehen und IHN und seine Botschaft in unserem alltäglichen Leben bezeugen.
Wer Jesus Christus nachfolgt, wer an IHN und seine Worte glaubt, ist in und nicht out – viele Menschen sehen das anders und lehnen Kirche, den christlichen Glauben und damit letztlich Jesus Christus ab. In ihren Augen sind wir out, von gestern – und es gehört eine große Portion Mut dazu, zu Jesus Christus zu stehen und sich als gläubigen und praktizierenden Katholiken zu outen: Ja, ich gehöre dazu zur katholischen Kirche und ich lebe meinen Glauben nicht nur sonntags in der Kirche, sondern auch draußen im Alltag.
Wenn wir auf das heutige Sonntagsevangelium schauen, dann is(s)t Jesus nicht nur mit den Jüngern drinnen im Abendmahlsaal, sondern auch bei und mit denen, die out sind. Jesus ruft den, der in den Augen der anderen out und damit außen vor ist, hinein in seine Nachfolge: Matthäus, den Zöllner, den Halsabschneider und Betrüger, mit dem die anderen nichts zu tun haben wollen und aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen ist – ausgerechnet ihn. Jesus is(s)t bei ihm zu Tisch – ausgerechnet bei ihm – und neben den Jüngern sind auch viele Zöllner und Sünder (vgl. Mt 9,10) dabei – ausgerechnet mit ihnen lässt Jesus sich ein, isst und trinkt mit ihnen.
Ein besonderes Abendmahl – nicht mit der „feinen Gesellschaft“, sondern mit Zöllnern und Sündern, über die wir oft die Nase rümpfen: Jesus würde sich auch zu Prostituierten setzen, zu Schwulen und Lesben, die oft ausgegrenzt, angefeindet oder gemieden werden. Jesus säße bei den Außenseitern der Gesellschaft, bei Geflüchteten und Migranten, bei Ausländern und Fremden, bei Einsamen, Taugenichtsen und Tunichtguten, bei Notleidenden und Armen – mit ihnen hätte Jesus Tisch- und Mahlgemeinschaft!
Jesus Christus ist bei denen, denen etwas fehlt; dort, wo es „krankt“ an An-erkennung, Wertschätzung und Respekt vor jedem menschlichen Leben. Jesus Christus ist dort, um Würde zu schenken – Menschenwürde. Er ist der Arzt und Heiland. Er heilt die Verwundungen und teilt das Leben mit ihnen: Mit den Menschen, die durstig sind nach Leben und Liebe, nach Achtung und Vertrauen mit ihnen is(s)t er am Tisch, teilt Brot und Wein – communio.
Wo wäre mein Platz?
Säße ich mit am Tisch oder wäre ich außen vor?
Würde ich mich einladen oder selbst ausschließen?
Was würde Jesus Christus tun? Was würde er mir sagen?
Säße ich gerne am Tisch mit Jesus Christus?
Säße ich als „kleiner Sünder“ gerne bei anderen nicht perfekten Menschen?
Was würde Jesus Christus tun? Was würde er uns sagen? Wo säße er?
Was haben die Worte und das Verhalten Jesu Christi für Konsequenzen für mich privat und für uns als communio, als Gemeinschaft und Pfarrgemeinde?
Halten wir wirklich Mahl miteinander, wie Jesus es uns vorgelebt hat?
Der Blumenteppich vor dem Altar sagt es deutlich: Du bist eingeladen!
Nehme ich die Einladung an?
Bin ich in oder out? Es ist meine Entscheidung: Ich bin eingeladen! AMEN.

PREDIGT DREIFALTIGKEIT (A)

Ex 34,4b.5-6.8-9 + Joh 3,16-18

Liebe Wallfahrer, liebe Schwestern und Brüder!
Die jährliche Wallfahrt nach Gößweinstein ist für mich immer eine Herausforderung – nicht nur körperlich: Wechselnde Pfade: Schatten und Licht, alles ist Gnade fürchte dich nicht. Zu Fuß unterwegs durch die blühende Natur – die Kühles des Morgens – die Sonnenhitze des Tages – der kühlende Wind – schmerzende Füße und mache haben auch Blasen.
Eine Herausforderung, auf die sich viele freuen: die Begegnungen mit Wallfahrern, die man das Jahr über nicht sieht (nicht nur auf der „eigenen“ Wallfahrt): gemeinsames Gebet und Gespräche – gemeinsame Wegstrecken und Pausen – mit einander gehen – das Leben und den Glauben teilen; das gilt nicht nur für Wallfahrer, sondern für uns alle, die wir gemeinsam im Leben und Glauben unterwegs sind, und die wir uns zum Gottesdienst treffen.
Eine Herausforderung für mich diesmal, die sich beim abendlichen Bier ergab: Deine Predigt muss auf einen Bierdeckel passen und soll – wie im letzten Jahr – ein „Hit“ sein, damit sie auch im Alltag hängenbleibt.
Ich habe mich an den umstrittenen Wiesenhit „Layla“ gewagt – und ich habe bewusst einen anderen Text über die eingängige Melodie gelegt, weil ich mich als Katholik, Priester und Kirchenmann klar von dem sexistischen Inhalt von „Layla“ distanziere. Bleibt meine Hoffnung, dass der neue Text von den Menschen angenommen und verinnerlicht, mitgesungen und damit das Geheimnis unseres Gottes verkündet wird:

Ich hab ’nen Gott
und der ist dreifaltig einer
wunderbar ist er wie keiner
barmherzig, gnädig ist mein Gott:
Gott Vater – da für mich in jeder Not.
Ich glaub an Gott
und der ist dreifaltig einer
wunderbar ist er wie keiner:
Er ist die Liebe in Person,
Jesus Christus, Mensch und Gottes Sohn.
Ich liebe Gott
und der ist dreifaltig einer
wunderbar ist er wie keiner:
Der Geist in mir, er treibt mich an,
damit ich Gutes wirken kann.

Ja, ich glaube an den dreifaltig-einen Gott, der eben nicht einfältig ist, sondern vielfältig ist, dessen liebevolles Wirken sich immer wieder neu zeigt:
Ich glaube an den dreifaltig-einen Gott, den guten Vater über mir:
Kein Übervater, sondern Gott der schützend für uns da ist. Gott, zu dem wir als Wallfahrer wie Mose auf den Berg als Ort der Gottesbegegnung hinaufsteigen (vgl. Ex 34,4) – zu Gott, zu dem unser Gebet aufsteigt – zu Gott, der uns entgegenkommt und sich auf Mose und auf uns einlässt (vgl. Ex 34,5). Gott, der einen Namen hat, der Programm ist: Jahwe – die Einheitsübersetzung schreibt „HERR“ – der „ich bin der, ich bin“: Ich bin für euch da, für
eure Sorgen und Nöte; ich habe ein Ohr für Euch. Mein Wesen ist Barmherzigkeit und Güte. Ich bin kein strafender, sondern der liebende Gott.
Diesen Gott lädt Mose ein: „ziehe doch mit uns“ (vgl. Ex 34,9). Das pilgernde Volk mit Gott in der Mitte – ein Bild, das auf dem II. Vatikanischen Konzil auch für uns als Gemeinde und für uns als Kirche wiederentdeckt wurde.
Ich glaube an den dreifaltigeinen Gott, den Sohn Gottes neben mir:
Gott sendet seinen Sohn, Jesus Christus, in die Welt, nicht um sie zu überwachen oder zur richten, sondern um sie zu retten (vgl. Joh 3,17). Der Mensch richtet sich durch sein Tun selbst (vgl. Joh 3,18). Jesus steht als mitmenschlicher Bruder an unserer Seite: Er begleitet auf Augenhöhe unseren Lebens- und Glaubensweg; er gibt Halt und Orientierung. Jesus ermutigt mich, für meine Mitmenschen Wegbegleiter im Leben und Wegbereiter zum Glauben zu sein: ich kann andere mit Jesus Christus in Kontakt bringen.
Ich glaube an den dreifaltig-einen Gott, den Heiligen Geist in mir:
Gott ist durch seinen Geist wirkmächtig in mir und durch mich. Die Geistesgaben, die Gott in mich hineingelegt hat, sind Gaben und Aufgaben: Ich habe die Verantwortung meine Begabungen einzusetzen in Kirche und Welt. Ich soll mich einsetzen für den Erhalt der Schöpfung, für den Frieden, für ein Klima der Nächstenliebe und Toleranz. Der Heilige Geist ermutigt mich dazu, mit vielen anderen Menschen, an vielen verschiedenen Orten, viele kleine Schritte zu tun, um das Gesicht der Welt zu verändern.
Ich glaube an den dreifaltig-einen Gott, den Gott meines Lebens. AMEN.

PREDIGT 7. SO OSTERZEIT (A)

1 Petr 4,13-16 + Joh 17,1-11a

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Aus der Zeit gefallen – altmodisch – nicht mehr up to date – von gestern – das verbinden wir mit dieser Redewendung aus der Zeit gefallen. Aus der Zeit gefallen, der erste Petrusbrief und die heutige Lesung daraus, weil er auf die Situation christlicher Gemeinden zu Beginn des 2. Jahrhunderts n.Chr. eingeht: Es ist eine Gemeinde in der Diaspora in „heidnischer Umwelt“, die einen Weg zwischen Anpassung und Absonderung; geht. Die Christen damals waren anders; die „Heiden“ nahmen Anstoß an ihnen und ihrem gelebten Glauben. Beschimpfungen und (in 1 Petr 4,13-16 nicht näher definierte) „Leiden“ wegen ihres Christseins waren an der Tagesordnung – auch gewalttägige Reaktionen darauf, die der Autor des Petrusbriefes klar ablehnt, weil sie nicht mit der Botschaft Jesu zu rechtfertigen waren.
Aus der Zeit gefallen – und doch aktuell, der erste Petrusbrief: Ermutigung in der damaligen Zeit der Verfolgung – Ermutigung für uns heute, die wir uns oftmals rechtfertigen müssen, warum wir Christen sind, warum wir unseren Glauben leben, warum wir zum Gottesdienst gehen.
Aus der Zeit gefallen – bei uns, aber Realität in anderen Ländern: Der erste Petrusbrief eine Erinnerung daran, dass es heute noch Christenverfolgung gibt und Christen die weltweit am meisten verfolgte Religionsgruppe sind.
Aus der Zeit gefallen – auch das heutige Evangelium. Am Donnerstag haben wir Christi Himmelfahrt gefeiert: Jesus Christus ist zu Gott, seinem Vater, heimgekehrt, in seine Geborgenheit, in seine Liebe – das ist Himmel. Heute nun ein Text aus den Abschiedsreden Jesu, die er nach der Chronologie des Johannesevangeliums nach dem Abendmahl und vor dem Gang zum Ölberg gehalten haben soll. Sie passen chronologisch nicht in die Zeit im Kirchenjahr nach Leiden und Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu – und wirken wie aus der Zeit gefallen, weil im Jesu „Heimgang zum Vater“ im Johannesevangelium noch bevorsteht (vgl. Joh 17,11a).
Aus der Zeit gefallen – und doch passt Joh 17,1-11a in die Zwischen-Zeit zwischen Himmelfahrt und Pfingsten, weil Jesus für die Seinen, die Gott ihm anvertraut hat, betet – und ihnen ewiges Leben schenkt. Die Jünger und auch wir dürfen teilhaben an dem, was Jesus im Johannesevangelium noch bevorsteht: von den Toten auferstehen. Wir im Heute tun uns leichter, als die Jünger damals, weil wir von der Auferstehung wissen und einfacher glauben könnten, dass der Tod nicht das Ende ist und erlebtes oder gefühltes Leid ein Ende haben wird: Auferstehung zum Leben – und doch tun wir heutige Menschen uns schwerer denn je mit dem Glauben daran.
Aus der Zeit gefallen – entscheidend ist die ewige Verbindung zwischen Christus und dem Vater und der die Zeit überdauernden Verbundenheit von Jesus und den Jüngern und uns. Durch ihn, Jesus Christus, sind wir mit dem Vater verbunden und haben (durch die Taufe) Anteil an der Auferstehung.
Aus der Zeit gefallen – Worte nicht aus unserer Zeit und doch sind Jesu Worte Worte für alle Zeiten: Worte, welche die Jünger beherzigen sollen:
Jesus sagt den Jüngern in der Abschiedsrede, Gott solle ihn verherrlichen, ihm also die Ehre geben – die von Gott geschenkte Würde und Liebe soll an Jesus offenbar werden – und dadurch auch Gott verherrlicht werden.
Diese Würde ist allen geschenkt, die an Jesus Christus als den Sohn des lebendigen und lebendig machenden Gottes glauben: Verherrlichung und damit Teilhabe am ewigen Leben bei Gott unserem Vater. So wie Jesus nach seiner Himmelfahrt beim Vater ist, werden auch wir dort sein.
Die Liebe, die Jesus den Menschen und den Jüngerinnen und Jüngern erwies ist nicht aus der Zeit gefallen, sondern bleibt prägend für alle Zeiten und charakteristisch für das Christentum: eine dienende sich zuwendende Liebe, die in der Fußwaschung, die Jesus an den Jüngern vollzieht, ein Vorbild hat und zur Nachahmung und gelebter Nachfolge einlädt.
Und schließlich das Gebet: Im Johannesevangelium ist das Vaterunser nicht überliefert, dafür aber die Abschiedsreden Jesu, die zugleich ein Gebet an Gott, seinen Vater sind. Sie sind eine Einladung zum Gebet – jetzt in dieser Zwischen-Zeit besonders um Gottes Heiligen Geist, der neu belebt und lebendig macht. Beten wir um Gottes Geist für das eigene Leben und den eigenen, oftmals erstarrten Glauben; beten wir um Gottes Geist für unsere Kirche um neue Lebendigkeit; beten wir um Gottes Geist für die Welt – das ist nicht aus der Zeit gefallen, sondern nötiger denn je. AMEN.

PREDIGT 2. SO OSTERZEIT (A)

1 Petr 1,3-9 + Joh 20,19-31

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Er steht auch in meiner Wohnung: der Osterhase – er gehört zum Osterfest dazu. Aber: Wer glaubt schon an den Osterhasen?
Kinder schon – mit etwa drei Jahren beginnen Kinder, an Phantasiewesen wie den Osterhasen zu glauben. Wenn dann die Eltern behaupten, der Osterhase habe die Eier und die Geschenke gebracht, nehmen Kinder ihnen das in der Regel ab. Denn Eltern gelten als glaubwürdige Quelle.
Wer glaubt schon an den Osterhasen?
Kinder reagieren enttäuscht, wenn ihnen einmal klar wird, von ihren Eltern „belogen“ worden zu sein. Psychologen raten Eltern deshalb, sensibel mit diesem Thema umzugehen: Wenn Kinder anfangen zu zweifeln, dann sollen Eltern kritische Fragen unterstützen, etwa solche wie: „Kann ein so kleiner Hase denn wirklich so viele große Eier tragen?“
Wer glaubt denn noch an den Osterhasen?
Bezüglich des Osterhasen kommen bei Kindern früher oder später so große Zweifel auf, dass der Glaube an den Osterhasen von ganz allein aufhört. Kinder tauschen sich auch im Freundeskreis oder in der Schule aus und merken sehr bald, dass es den Osterhasen nicht gibt – sie hoffen aber trotzdem, dass der Osterhase kommt und Eier und Geschenke bringt.
Wer glaubt denn an die Auferstehung Jesu von den Toten?
72 Prozent der katholischen 77 Prozent der evangelischen Christen in Deutschland nicht; einige Jünger Jesu schon – Thomas nicht. Thomas hat Zweifel: Wie soll denn das möglich sein? Jesus wurde gekreuzigt und ist am Kreuz gestorben; sein toter Leichnam wurde in ein Grab gelegt. Tot ist tot – das Leben ist aus, das weiß doch jedes Kind! Die Jünger können ja viel erzählen! Thomas will Beweise dafür, dass Jesus, der Gekreuzigte, lebt: „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht“ (Joh 20,25), sagt Thomas provokant. Thomas legt damit den Finger in die Wunde und berührt den wunden Punkt: Die Jünger können nicht beweisen, dass Jesus lebt – die Jünger können es nicht. Das Gespräch zwischen Thomas und den Jüngern ist damit beendet; die Frage ist für Thomas geklärt und abgeschlossen: Wer glaubt denn da noch an die Auferstehung Jesu von den Toten? Ich nicht! Aus, Ende, Amen.
Abgeschlossen, eingeschlossen, verschlossen: Acht Tage später – so erzählt das heutige Evangelium – kommt Jesus in die Verschlossenheit der Jünger, in dieses endgültige Amen und berührt den wunden Punkt, die Auferstehungsfrage: Wer glaubt denn noch nicht an meine Auferstehung?
Der auferstandene Gekreuzigte zeigt Thomas seine Wunden als Beweis – die Wunden sind nicht weg, sondern sie sind da als Zeichen für das Leben, für Sterben und Auferstehen. Jesus fordert Thomas sogar auf, die Finger in seine Wunden zu legen. Ob Thomas den Mut dazu hatte, wissen wir nicht.
Die Begegnung ist der Wendepunkt: Thomas glaubt jetzt, dass Jesus wirk-lich lebt, und spricht das offen aus: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28).
Um diese Offenheit geht es an Ostern – um diese Offenheit im Zweifeln und Glauben an Jesus Christus, den auferstandenen Gekreuzigten, den Herrn und Gott. Dieser Glaube soll an und durch Ostern wachsen und erwachsen werden – in den Jüngern und in mir. Wenn wir Glaubensängste und Zweifel haben, dann dürfen die sein. Jesus lädt uns ein, lädt mich ein, meine Zweifel und meine Verschlossenheit zu überwinden. Zweimal war im heutigen Evangelium von „verschlossenen Türen“ (Joh 20,19.26) die Rede – im übertragenen Sinn auch von verschlossenen Herzen. Der Aufer-standene kommt hinein in diese, meine Verschlossenheit: Wie bei den Jüngern geht ER den ersten Schritt und geht ein auf meine Fragen, auf die Zweifel und Ängste und auch auf meine Ablehnung – ER zeigt mir seine Wundmale – ER zeigt mir, dass er trotzdem lebt – ER steht mir zu Seite. Wie den Jüngern macht ER mir Mut, die Finger in die wunden Punkte meines Glaubens zu legen – ER hilft mir mit den Verwundungen meines Lebens und Glaubens zu leben durch die Kraft, die von IHM ausgeht. Wie den Jüngern wünscht ER mir den Frieden: inneren Frieden und Zufriedenheit – und äußeren Frieden in meinen gelebten Beziehungen mit meinen Mitmenschen und die Kraft zu vergeben. ER schenkt mir wie den Jüngern den Heiligen Geist – Lebensatmen und Glaubensbegeisterung. Diese Perspektiven eröffnet Ostern. Wer glaubt da noch an den Osterhasen? Ich nicht! Ich glaube an Jesus Christus, den auferstandenen Gekreuzigten! AMEN.

PREDIGT OSTERN LJ A

Auswahllesungen + Mt 28,1-10

Wir stecken mittendrin in den Krisen unserer Zeit – „selbstgemachte“ wie die Klimakrise oder Kleinkriege in den Familien und Großkriege zwischen Völkern und Nationen. Krisenmodus – wir müssen damit leben. Wir erleben Erschütterndes in unserer kleinen Lebenswelt und auf der Erde. Die biblischen Lesungen und das „Credo für die Erde“ rütteln uns wach, damit wir die Wende zum Leben mit Gottes Hilfe hinbekommen:

  • Die Schöpfungserzählung (Gen 1,1.26-31a) mahnt zum verantwortungsvollen Umgang mit Gottes Schöpfung: Wir haben es in der Hand, ob Leben für nachfolgende Generationen auf der Erde noch gut möglich sein wird.
  • Die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei (Ex14,15-15,1) ruft zu einem Leben ohne Krieg, Unterdrückung, Ausbeutung und Versklavung auf: Alle Menschen sind Schwestern und Brüder, eine geschwisterliche Menschheit verbunden in sozialer Freundschaft, darauf hat auch Papst Franziskus 2020 in seiner Enzyklika Fratelli tutti hingewiesen.
  • Konsum macht nicht glücklich, macht nicht wirklich satt: die Reichen leben im Ãœberfluss, sind unersättlich, die Armen hungern. Die Frage nach einem verantwortungsvollen Umgang mit Geld stellt Jesaja zwar nicht (Jes 55,1-11), wohl aber die, was/wer den Hunger nach Leben stillen kann.
  • Durch die Taufe haben Anteil an Jesu Tod und Auferstehung (Röm 6,3-11) – wir dürfen aufstehen zum Leben und aus der Taufe heraus unser (Glaubens-)Leben als Christen gestalten, auch im Einsatz für eine bessere Welt.

Aber so einfach ist das nicht, aufstehen zum Leben – oft schaffen wir das nicht aus eigener Kraft. Wir sind im Krisenmodus gefangen – immer und immer wieder; kaum ist die eine Krise beendet ist schon einen neue da. Alle Appelle, Aufforderungen und Impulse helfen nichts. Wir sitzen oft selbst im Grab wie in Todesbanden oder einer Art Totenstarre – handlungs- und hoffnungslos… wie die Jünger damals. Der Tod Jesu – ein Erdbeben markiert im Evangelium nach Matthäus diesen Schicksalsschlag für die Jüngerinnen und Jünger (vgl. Mt 27,50-51) – wirft sie in die schwerste Krise ihres Lebens. Sie sind erschüttert: Ihre Welt ist zusammengebrochen. Sie müssen ohne Jesus leben, dem sie nachgefolgt waren, der sich aufgebaut und geheilt hatte, der ihnen Gottes Liebe und Menschenfreundlichkeit vorgelebt hat. Mit dem Tod Jesu geht eine gute Zeit zu Ende – Krisenmodus, verursacht durch Menschenhände, die Jesus ans Kreuz geschlagen haben.
Aber mit der Auferstehung Jesu bricht eine neue Zeit an – eine Zeit des neuen Lebens. Erneut wird dies im Matthäusevangelium durch ein Erdbeben angezeigt (vgl. Mt 28,2): neues Leben regt sich, weil Gott eingreift. Die Jüngerinnen und Jünger werden aus der Krise herausführt und ihnen wird den Weg gezeigt: Zweimal die gleiche Aussage – einmal von einem Engel, einem Boten Gotten, und dann vom Auferstandene selbst, um diese Botschaft zu unterstreichen: „Fürchtet euch nicht! Geht und sagt meinen [Schwestern und] Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen, und dort werden sie mich sehen“ (Mt 28,5*.7.10). Die Wende ist geschafft – mit Gottes Hilfe: weg von Krise und Furcht, Tod und Grab hin zu neuem Leben und neuer Lebendigkeit, zu Freude am Glauben und Freude am Leben. Lassen auch wir uns vom Auferstandenen mitreißen – heraus aus der Krise und Hoffnungslosigkeit unserer Tage. Stehen wir mit Gottes Hilfe auf zum Leben im Einsatz für das Leben. Fürchtet Euch nicht! Jesus lebt! Er ist auferstanden! Halleluja! Und auch wir sollen leben durch Gottes Kraft und Hilfe! AMEN.

 

Neben biblischen Texten der Osternacht (vgl. LINK: https://www.erzabtei-beuron.de/schott/register/osterzeit/schott_anz/index.html?file=osterzeit%2Fostersonntag%2FNachtA.htm)
kann dabei auch – gerade im Hinblick auf die Schöpfungsverantwortung – auch der Text „Credo für die Erde“ (vgl. LINK: https://sehen-und-handeln.ch/content/uploads/2018/04/Gebet-Soelle.docx)
oder der Rap „Welt der Wunder“ (vgl. LINK: https://www.youtube.com/watch?v=xBD2ZFDFXto) hilfreich sein.

STATIO Palmsonntag LJ A

Mt 21,1-11 + Mt 27,11-54 (Kurzfassung)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Palmsonntag: Jesus zieht als König in Jerusalem ein, anders als erwartet
Demütig und auf einem Esel reitet Jesus in Jerusalem ein – nicht hoch zu Ross – nicht wie die Stadthalter, Könige und Kaiser seiner Zeit.

  • Der Esel ist das Reittier der armen Leute. Für sie, für die Armen will Jesus König sein – keiner, der sie ausbeutet und knechtet, sondern einer, der für sie da ist und sich um sie sorgt.
  • Das Pferd ist ein Fluchttier. In Stresssituationen ergreift ein Pferd die Flucht. Ein Esel aber hält stand, er hält durch, er hält sogar Schläge aus. Symbolisch steht der Esel deshalb für Jesus selbst: Jesus flieht nicht angesichts des Unheils, das sich über ihm zusammenbraut. Er hält Schläge aus und im Leiden stand. Für Außenstehende ist Jesus daher ein dummer Esel, einer der seine Haut nicht rettet, sondern sein Leben für andere hingibt. Aber Jesus handelt konsequent: er geht seinen Weg bis zum Ziel, auch wenn er steinig ist und ans Kreuz führt.
  • Jesus trägt keine Krone aus Gold, oder kostbarem Material. Jesus will sich nicht größer und wichtiger machen – er will ganz Mensch sein.
  • Einige Tage nach seinem Einzug in Jerusalem trägt Jesus eine Krone, eine Krone aus Dornen. Stechende Gewalt krönt das Haupt Jesu. Er, der Gewalt immer abgelehnt hat, wehrt sich nicht. Er macht sich ve-wundbar und durchbricht die Spirale von Gewalt und Gegengewalt.
  • Im Königtum Jesu klingt seine Passion mit an: seine Leidenschaft für die Menschen und seine Leidensbereitschaft für die Menschen: für uns Menschen ist Gott in Jesus Christus zur Welt gekommen – nicht um uns zu strafen, sondern um uns zu retten. Für uns Menschen nimmt Jesus das Kreuz auf sich und lässt sich für uns aufs Kreuz legen.
  • grüne Zweige, Zeichen des Lebens; mit ihnen jubelt die Volksmenge Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem zu: Hosanna, dem Sohne Davids
  • Zweige, die bald zu Dornen werden, zu Peitschen und Geiseln, die mit Hohn und Spott auf Jesus einschlagen: Heil dir, König der Juden
  • Zweige, die mich mahnen, über meine Rolle in der Passion Jesu nachzudenken. Wie leicht lasse ich mich von der breiten Masse und Meinungsmache anstecken? Ist das Ans Kreuz mit ihm auch mein Ruf?

Kreuzwege finden sich nicht nur in Kapellen und Kirchen, wo der Leidensweg Jesu bildhaft nachgegangen und erinnert werden kann. Kreuzwege sind überall dort, wo Menschen Kreuze tragen, wo sie mit Leid und Schmerz geschlagen sind, wo sie hungern nach Gerechtigkeit und Frieden. Das Evangelium vom Palmsonntag und die Leidensgeschichte von Jesus Christus laden mich ein, über meine Rolle in den Lebenswegen und Kreuzwegen meiner Mitmenschen nachzudenken. Gehen wir diese Wege mit – die Wege durchs Kreuz ins Leben. AMEN.

PREDIGT 5. FASTENSONNTAG (A)

Ez 37,12b-14 + Joh 11,3-7.17.20-27.33b-45 (KF)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Jesus trauert um seinen guten Freund Lazarus – die Tränen fließen. Jesus hält die Trauer aus. Jesus ist in der Trauer ganz nach bei den Menschen, die er gernhat, und tröstet Marta in ihrem Schmerz. Er redet den Schicksalsschlag nicht klein, nein. Jesus will, dass sie in IHM und durch IHN Kraft findet, diese Zeit der Trauer durchzustehen – dass sie im Glauben an Ihn, „die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25), Hoffnung hat, Hoffnung auf Leben. Jesus setzt ein Zeichen für diese Hoffnung, indem er den toten Lazarus zum Leben erweckt – ein Hoffnungszeichen, dass alle sehen sollen:

  • Leben trotz des Todes: der Tod hat keine Macht über das Leben; das Leben ist stärker, weil er, Gottes Sohn, es will und für das Leben einsteht.
  • Deshalb gilt: Leben im Tod: Jesus Christus schenkt Leben, über dieses irdische Leben hinaus (vgl. Joh 11,25-26); die Auferweckung des Lazarus ist das Vorzeichen der Auferstehung Jesu Christi, die wir in zwei Wochen an Ostern feiern. Es ist auch das Vorzeichen für uns: Unser Leben, unser Sterben und unsere Auferstehung liegen in Gottes Hand.
  • Leben mit dem Tod: Anerkennen der eigenen Sterblichkeit – der Tod gehört zum Leben dazu. Er mahnt uns das Leben bewusst und fröhlich zu leben – dem Tod zum Trotz und keine Angst vor dem Ende zu haben.

Vieles im Leben, liegt in unserer Hand – wie auf dem Fastentuch von MISEREOR, das der aus Nigeria stammende Künstler Emeka Udemba gestaltet hat. Gott hat uns dieses Leben und die Erde in die Hände gegeben. Wir dürfen mitwirken an seiner großartigen Schöpfung und uns für das Leben einsetzten: Für das ungeborene Leben und für die Lebensmöglichkeiten zukünftiger Generationen. Wir haben es in der Hand, die Welt und die Lebensgrundlagen vieler Menschen zu verändern: Manches ist schlechter geworden – durch unser Tun: Wir spüren die Erderwärmung und die Klimakrise und deren Folgen jetzt schon deutlich: Vertrocknete Wälder – auch hier bei uns – Überschwemmungen andernorts.
Vieles kann aber besser werden und sich zum Guten wenden – durch unser Tun; darauf weist das Motto des MISEREOR-Sonntags hin:1 Frau.Macht.Veränderung. Wir sollen den Beitrag würdigen, den Frauen zur Gestaltung einer menschenfreundlichen, zukunftsfähigen Gesellschaft leisten. Gemeinsam mit Frauen in Madagaskar können wir die Welt zum Guten verändern! Diese Wende zum Guten hin ist schon ein „Hauch“ Auferstehung – sie ereignet sich im Kleinen mitten im Alltag. Oft denke ich dabei nicht „groß“ an Auferstehung – und doch ist da neues Leben und neue Lebendigkeit: Wenn nach Streit und Entfremdung eine Wiederannäherung gelingt, wenn vielleicht sogar Versöhnung geschieht, ist das Aufstehen zum Leben und

Aufstehen für das Leben! Wenn eine Situation ausweglos erscheint und ich, oft mithilfe eines anderen Menschen, schließlich doch eine Lösung finde, ist das Aufstehen zum Leben und für das Leben! Wenn ich in Krankheit, Ermattung und Stress neue Kraft schöpfe, ist das Aufstehen zum Leben und für das Leben – ein Vorgeschmack von Ostern! Es ist ein Leben aus Gottes Geist und aus der Kraft des Heiligen Geistes, den Gott schenkt und mit dem mich Gott neu belebt und ihn an mir und in mir wirken lässt (vgl. Ez 37,14).
Frauen schaffen Veränderung – in Madagaskar und anderswo im Globalen Süden, ebenso hier bei uns, in Gesellschaft und Kirche. Frauen haben Ideen, Frauen setzen sich ein und handeln. Doch ihre Stimme wird oft nicht gehört: Frustration statt Hoffnung macht sich oft breit: In Madagaskar haben Mädchen weit geringere Bildungschancen als Jungen. Vor allem in den ländlichen Gebieten dürfen Frauen zwar für das Überleben der Familie arbeiten, aber nicht mitentscheiden. Weltweit dürfen Frauen in der Kirche zwar mit anpacken, aber nur wenig mitbestimmen. Die Versuchung ist groß, in der Enttäuschung darüber und in der Resignation zu verharren – so wie Maria, die Schwester des Lazarus, im Haus sitzen bleibt und trauert (vgl. Joh 11,20). Doch nicht alle Frauen lassen sich entmutigen und kämpfen für ihre Ziele, wie Marta, die Jesus ihr Leid klagt, ihn quasi anklagt: „Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben“ (Joh 11,21). Marta gibt sich nicht mit dem scheinbar Unabänderlichen zufrieden. Sie hofft wider alle Hoffnung auf Leben im Hier und Jetzt durch Gottes lebensspendenden Geist. Lassen wir uns durch ihr Vorbild und das Vorbild der Frauen in Madagaskar ermutigen, die durch kleine Initiativen viel bewirken und durch unsere heutige Spende am MISEREOR-Sonntag noch viel mehr. Stehen wir auf zum Leben – gemeinsam – leben wir aus Gottes Kraft. AMEN.

 

1 Die folgenden Gedanken sind teilweise aus den liturgischen Bausteinen für den Got-tesdienst am 5. Sonntag der Fastenzeit, dem MISEREOR-Sonntag 2023 entnommen (vgl. https://fastenaktion.misereor.de/liturgie).

PREDIGT 4. FASTENSONNTAG (A)

Eph 5,8-14 + Joh 9,1.6-9.13-17.34-38 (Kurzfassung)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Der Mensch nimmt seine Umwelt zum großen Teil sehend wahr: Ohne Licht sehen wir schwarz; ohne Licht kein Schatten, kein „räumliches Sehen“ – der Schatten und die Farbschattierungen, die sich durch Brechen der Lichtstrahlen an einem Gegenstand ergeben,und die man sehen kann – lassen Licht sichtbar werden; auch Entfernungen werden abschätzbar.
Die Lesung aus dem Brief an die Epheser nimmt diese Licht-Finsternis-Metaphorik auf (vgl. Eph 5,8-14): die frühere Übersetzung lautete: „Eins wart ihr in der Finsternis“ – jetzt heißt es: „Einst wart ihr Finsternis“ (Eph 5,8), ihr habt nicht nur „Schwarz gesehen“, sondern in ward selbst dieses „schwarze Loch“ ohne jegliche Hoffnung. Jesus Christus hat Licht in das Leben der damaligen Menschen gebracht. Er hat nicht die Zeiten geändert, sondern den Blick auf die Umstände, um die „Zeichen der Zeit“ zu sehen. „Lebt als Kinder des Lichtes“ (Eph 5,8) ermutigt Paulus die Gemeinde damals und uns heute und auch die vielen „Schwarzseher“. Bringt die Schattenseiten des Lebens ans Licht, macht darauf aufmerksam und versucht zu ändern, was zu ändern ist – Jesus „Christus wird dein Licht sein“ (Eph 5,14).
Oft sind wir blind, obwohl wir sehen können. Das ist die Blindheit meines Lebens: Ich sehe oft nur oberflächlich auf Dinge und Ereignisse; oft sehe ich auch nur das, was ich sehen will; oft habe ich eine verengte Sicht – dann sehe ich kein Licht, am Ende des Tunnels, weil ich dem Leben nicht mehr trauen kann, weil ich keine Hoffnung mehr in mir spüre, weil ich keinen Glauben an das Licht mehr habe. Dann sitze ich oft „im Dunkeln“, weil mein Herz von Dunkelheit umgeben ist, weil es in mir stockdunkel ist.
Wie dem blinden Menschen im heutigen Evangelium, will Jesus auch mich von der Blindheit meines Lebens heilen, will mein Leben hell machen, dass ich mich, die Lebensumstände und die Welt annehmen kann und die Farben wahrnehme – Lebensfarben. Nicht verklärt oder verfälscht durch eine rosarote Brille, dass schon alles gut ist oder irgendwie gut werden wird – sondern hoffnungsvoll und ermutigend, dass ich dieses Licht wahrnehmen und für wahr nehmen, ja annehmen kann, dass ich (wie der jetzt Sehende im Evangelium) an Jesus Christus glauben kann (vgl. Joh 9,36-38), der Licht und Farbe in mein trübes Leben bringen will.
Offen sein für die „Zeichen der Zeit“ – sehen, worauf es für uns als Christinnen und Christen ankommt: auf den Glauben an Jesus Christus – ein gemeinsamer Weg, auf dem mich viele Menschen begleitet haben: Eltern, Freunde, Gemeindemitglieder, Vorbilder… jede und jeder kennt Menschen, die einen auf die Spur des Glaubens gebraucht haben, wo Jesus Christus als Licht durch sie hindurch Kraft und Orientierung gegeben hat.
Offen sein für die „Zeichen der Zeit“ – sehen, worauf es für uns als Menschen, ja als Menschheit ankommt: die Lebensgrundlage zu bewahren auch für nachfolgende Generationen, damit auch sie die Chance haben zu leben, zu sehen und zu staunen – und in diesem Staunen und Schauen auch Gottes Schöpfung und Gottes Spur im Leben entdecken können.
Diese Sehnsucht nach der „heilen Welt“ soll keine Utopie bleiben, sondern Wirklichkeit werden. Das kann sie, wenn wir nicht „schwarz sehen“, sondern Farbe bekennen: Das Gesicht der Erde erneuern und das Klima retten, damit Leben auf der Erde möglich ist und bleibt. Das wird einiges kosten – sicher auch mehr, als wenn wir schon vor Jahrzehnten damit angefangen hätten – wenn wir aber nichts tun, kostet es uns und der ganzen Menschheit das Leben. Die Erde wird bleiben, aber ob der Mensch auf Dauer auf ihr leben, ja überleben kann, ist fraglich – wir haben es in der Hand. Unsere Erde ist nicht der „Spielball“ der Menschen oder verschiedener Interessen, sondern erhaltenswerter Lebensraum für alle Menschen – nicht nur für die, in meinem nahen Umfeld, sondern auch für die in der Ferne und sogar für die, die ich gar nicht im Blick habe – eine Weitung meines Blicks über den eigenen Tellerrand hinaus.
Heil und Heilung für die großen Verletzungen der Erde und die vielen kleinen Wunden vor Ort, die nach Heilung schreien – da muss sich jede und jeder an die eigene Nase packen, wo er die Erde und den Schöpfungsauftrag (vgl. Gen 1,28) verletzt hat. Der Künstler des Hungertuches, Emeka Udemba, tapt und verbindet mit vielen bunten „Pflastern“ die Risse, Verwundungen und Verletzungen der Erde. Es ist keine Schönfärberei, es sind keine billigen „Trostpflästerchen“ a la greenwashing oder CO2-Ausgleich, sondern eine große Hoffnungsvision, dass die Welt noch zu retten ist – die bunten Farbakzente sind Leuchtspuren Gottes, wo wir hinsehen und wo wir handeln können und müssen. Packen wir es an! Gemeinsam! Jetzt! AMEN.

PREDIGT 3. FASTENSONNTAG (A)

Ex 17,3-7 + Joh 4,5-42 (Langfassung)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
Trockenheit – Ausgedorrt-Sein. Der Durst unserer Erde, des Erdbodens – trotz des Regens und des Niederschlags der letzten Tage ist Wasserknappheit: aufgrund der zu trockenen Sommer und zu niederschlagsarmen Winter ist der Grundwasserspiegel dramatisch gesunken – mancherorts über 2 Meter – flachwuzelnde Pflanzen und Bäume verdorren; ein Phänomen mit dem Teile Afrikas schon seit Jahrzehnten zu kämpfen hat. Die einst gegrabenen Brunnen führen kein Wasser mehr; sie reichen nicht mehr bis in die wasserführenden Schichten. Wir wollten diese Anzeichen des schleichenden Klimawandels auf unserer Welt über Jahrzehnte nicht sehen…
Wasser ist Leben: unser „Blauer Planet“ (vgl. MISEREOR-Fastentuch) besteht zum Großteil aus Wasser: Salzwasser, Süßwasser und Trinkwasser. Doch auch dieses Wasser ist bedroht durch die Vermüllung und Vergiftung der Ozeane; Vielerorts gibt es keinen gesicherten Zugang zu sauberem, trinkbarem Wasser. Trockenheit – Ausgedorrt-Sein: Die Lebensgrundlage vieler Menschen steht auf dem Spiel: Wasser ist Leben – Wasser ist Überleben; da geht es vielen Menschen nicht anders als dem murrenden Volk Israel in der Wüste: Wasser und das (Über-)Leben sind den Menschen wichtiger als die Freiheit, in die Mose sie mit Gottes Hilfe geführt hatte (vgl. Ex 17,3).
Trockenheit – Ausgedorrt-Sein: Wasser ist Leben – Wasser des Lebens. Die Frau, die zum Jakobsbrunnen kommt (vgl. Joh 4,5-42), dürstet nach Leben – nach der Fülle des Lebens, nach der Füllung mit Leben und nach der Erfüllung im Leben. Das ist der Durst der Samariterin – er hat mehrere Ebenen: tagtäglich der weite Weg zum Brunnen um Wasser zu schöpfen – hin und zurück – flüchtige oder zerbrochene Beziehungen, geschieden oder verwitwet sein, immer wieder eine neue Beziehung beginnen (müssen) und (in der damaligen Zeit) vom Mann abhängig sein – sich immer wieder (vor anderen) rechtfertigen müssen – das erschöpft, zermürbt, trocknet aus.
Die Frau kommt in der sechsten Stunde zum Brunnen – in der glühenden Mittagshitze. Keine(r) verlässt zu dieser Zeit das Haus um den beschwerlichen Weg zum Brunnen und zurück zu gehen – Jesus macht eine Mittagsrast, Siesta am Brunnen. Frauen gehen normalerweise in der Kühle des Morgens zum Brunnen – auch um sich zu treffen: der Brunnen als Begegnungsort und zum Austausch von Neuigkeiten. Die Samariterin geht mittags – sie will niemanden treffen und trifft auf Jesus. Für sie wird der Brunnen zu einem besonderen Begegnungsort, zu einem Ort des Lebens.
Die Frau kämpft gegen Dürre und Leere in ihrem Leben an: Sie will Leben. Sie schöpft Wasser gegen die Erschöpfung – und erkennt Gott als Schöpfer des Lebens an. Es ist die Bitte um Wasser – beide bitten, die samaritische Frau und Jesus – ein Dialog, der „Grenzen“ überschreitet: Es galt als unschicklich, wenn ein wildfremder Mann eine Frau ansprach (vgl. Joh 4,27) – es sei denn, er hatte eindeutige Absichten und die waren weit mehr als nur Wasser… Zudem vermieden Juden das Gespräch mit Samaritern. Trotzdem lässt sich die Frau in ihrem Durst nach Leben auf dieses unmögliche Gespräch mit dem Fremden ein, das Frage für Frage rasch in die Tiefe geht:
Der Fremde wird für sie zur sprudelnden Quelle, die Leben und neue Lebendigkeit schenkt, ja sogar ins ewige Leben fließt (vgl. Joh 4,14). Die Frau erahnt in dem Fremden den Messias, den Christus (vgl. Joh 4,25.29).
Ein Dialog der Nationen und Religionen auch über so manche Grenze hinweg, ist möglich: Gott als Schöpfer anzuerkennen, die Schöpfung zu bewahren und Leben auch für nachfolgende Generationen zu ermöglichen, ist Gabe und Aufgabe Gottes an alle Menschen. Darauf verweisen auch die beiden Händepaare auf dem MISEREOR-Fastentuch, die die fragile und labile Erde (er-)halten. Wir haben es in der Hand: Nicht Ölquellen sind entscheidend, sondern die Quelle, die sich allen schenkt und dem Leben dient und nicht der Bereicherung Einzelner – für uns Christen ist Jesus Christus diese Quelle des Lebens und der ist für uns der „Retter der Welt“ (Joh 4,42).
Es braucht Begegnungsorte mit Jesus Christus, weil der Grundwasserspiegel des Glaubens rapide gesunken ist: Glaube und Glaubensinhalte sind bei vielen vertrocknet, ja über Jahre verdorrt. Wir brauchen das Wasser des Lebens, das uns Jesus Christus als Quelle des Lebens schenkt. Jesus Christus ist da: Er wartet selbst in der Mittagshitze auf uns, auf die Begegnung mit uns und dass wir uns auf das Gespräch mit IHM einlassen, wie die Samariterin. Diese Frau schenkt weiter, was sie selbst erfüllt hat. Sie wird zur Schale, die weitergibt, ohne leer zu werden. Sie kämpft an gegen den Durst und die Dürre in ihrem Leben und gegen das Ausgedorrt-Sein ihrer Mitmenschen. Die Frau wird zur Verkünderin (vgl. Joh 4,28-29.39): von der Wasserträgerin zu Apostelin in einer männerdominierten Welt – eine Wandlung und Öffnung durch die Begegnung mit Jesus Christus – auch in unserer katholischen Kirche, an diesem Wochenende (vgl. Entscheidung d. Synodalen Weges). AMEN.

Das Misereor-Hungertuch 2023 „Was ist uns heilig?“ von Emeka Udemba © Misereor
Das Misereor-Hungertuch 2023 „Was ist uns heilig?“ von Emeka Udemba © Misereor

PREDIGT 2. FASTENSONNTAG (A)

Gen 12,1-4a + Mt 17,1-9

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche!
Sich auf den Weg machen, beginnt mit dem ersten Schritt, ja, früher noch, mit dem Abwägen, ob es sich lohnt aufzubrechen: Wie ist das Wetter? Habe ich die richtige Ausrüstung und ausreichend Kraft? Lohnt das Ziel die Mühe?
Abram wird von Gott aufgefordert aufzubrechen (vgl. Gen 12,1-4a). Die Heimat Ur in Chaldäa soll er verlassen; ebenso seine Verwandten und Freunde. Das Ziel, die neue Heimat, ist ein unbekanntes Land; der Weg dorthin ist unklar; ebenso wie lange die Reise dauert. Gott will den Weg dahin zeigen. Ob ich da freiwillig aufgebrochen wäre? Ob ich Gott vertraut hätte?
Das einzige, was Gott mitgibt, ist sein Segen und die Zusage, dass alles gut werden wird. Abram, der im hohen Alter noch keine Kinder hat, soll Stammvater eines großen Volkes werden. Eigentlich unwahrscheinlich, ja unglaublich. Lass Gott nur reden… Kann ich Gott glauben und ihm und seiner Verheißung trauen? Ob ich mit dieser wagen Verheißung aufgebrochen wäre?
Unter der Führung Jesu erklimmen Petrus, Jakobus und Johannes einen „hohen Berg“ (Mt 17,1). Sicher ein anstrengender Weg und kein Spaziergang – nicht nur körperlich, sondern auch psychisch: Jesus hatte den Jüngern angekündigt, dass er nach Jerusalem gehen und dort leiden, sterben und auferweckt werde – Petrus will das das nicht geschieht (vgl. Mt 16,21-23); Petrus will Jesus nicht verlieren; er will nicht, dass Jesus stirb. Diese düsteren Gedanken gehen mit, als sie mit Jesus auf den Berg gehen – ähnlich wie wir unsere Gedanken nicht abstellen können, wenn wir zum Gottesdienst kommen. „Sechs Tage“ nach dieser Leidensankündigung (Mt 17,1), am siebten Tag (!) – die zurechtgeschnittene Lesung verschweigt dieses wichtige Detail – der Lichtblick: Die Jünger sehen nicht mehr Schwarz, sondern Jesus in einem anderen, in strahlendem Licht: Jesus leuchtet „wie die Sonne“ (Mt 17,2) – eine österliche Zukunftsvision auf die Zeit nach Leiden, Kreuz und Tod. Trotzdem ist da zunächst Furcht, weil durch die Wolke wieder ein Schatten auf die Jünger fällt und auch Ehrfurcht vor Gottes Stimme. Die Jünger werfen sich mit dem Gesicht zu Boden und fürchten sich sehr (vgl. Mt 17,6).
Was bringen wir mit an „seelischem Gepäck“? Was versetzt uns in Angst uns Schrecken? Der Krieg vor Europas Haustür, der über ein Jahr lang andauert und dessen Ausgang ungewiss ist? Ein drohender Atomkrieg? Immer mehr Geflüchtete, die aufbrechen, um bei uns eine neue Heimat zu finden? Die zerrissene Welt, auf die das MISEREOR-Fastentuch hinweist?
Der Künstler Emeka Udemba, gebürtig aus Nigeria, zeigt diese zerrissene Welt – und auch, dass verschiedene Krisen miteinander verklebt sind: Der Künstler hat aus Zeitungen herausgerissene Schnipsel zu einer Collage verarbeitet und mit Farbe übermalt. Es bleiben Fragen: Wieviel Platz hat die Erde? Wieviel Platz braucht der Mensch? Wo ist Leben lebenswert? Warum gibt es so viele, die ihre Heimat verlassen (müssen)? Was ist ihr Lichtblick?
Der Hintergrund des Fastentuches ist in ROT gehalten – eine gefährliche Atmosphäre für die Erde: Es ist das Blut-Rot der Kriege, das auch auf der Erdkugel zu sehen ist. Es ist das Feuer-Rot von Rodung und Abbrennen des Regenwaldes, der „grünen Lunge“ der Erde. Ein alarmrotes Warnsignal für uns: Es ist nicht fünf, sondern schon zwei vor Zwölf, wenn wir die Erde noch retten wollen… Wo ist der Lichtblick, der Silberstreif am Horizont?
Was tun? Wir könnten ähnlich wie Petrus es wollte, „drei Hütten bauen“ (Mt 17,4), um an den „guten alten Zeiten“ festzuhalten oder eingehaust in den Hütten auf einen Lichtblick „eine gute, helle und freundliche, ja lebenswerte Zukunft“ zu warten. Wir könnten auch wie die Jünger den Kopf angstvoll in den Sand stecken, um das alles nicht sehen zu müssen oder wahrhaben zu wollen; oder den Blick resigniert und kopfschüttelnd zu Boden richten: Da ist nichts mehr zu machen, nichts mehr zu retten.
Hören wir das Wort Gottes an die drei Jünger, denn es gilt auch uns: „Dieser [im Licht Verklärte] ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören“ (Mt 17,5). Jesus Christus, der hineinstrahlt in die Sorgen und Nöte unseres Alltags und unserer Welt, ja der „das Licht der Welt“ (Joh 8,12) ist, ER sagt uns heute den entscheidenden Satz: „Steht auf und fürchtet euch nicht!“ (Mt 17,7).
Nicht hoffnungslos sitzenbleiben und verzagt abwarten, sondern beherzt aufstehen, aufbrechen und furchtlos handeln und mutig glauben – mitten im Alltag, dazu ermutigt Jesus: „Steht auf und fürchtet euch nicht!“ (Mt 17,7). Handeln im Hier und Jetzt, sich gegen die Klimakrise stemmen, um zu retten, was noch zu retten ist – und glauben im Hier und Jetzt, an Jesus Christus, den leidenden und gekreuzigten Auferstandenen, und an die Auferstehung, die auch uns als gute Zukunft verheißen ist. Auf diesem, unseren Lebens- und Glaubensweg sind wir nicht allein – wir gehen gemeinsam. Wie Abram, der mit Gottes Segen ging und mit Lot, auch wenn die Leseordnung Abrams Begleiter und dessen Familie weggeschnitten hat (vgl. Gen 12,4a). Jesus Christus geht mit den Jüngern und mit uns ins „Tal der Alltagssorgen“; ER ist uns „Weg und Wanderstab durchs Kreuz zum Ostermorgen“ (GL 363/3). „Steht auf und fürchtet euch nicht!“ (Mt 17,7): Glaubt und handelt!

Das Misereor-Hungertuch 2023 „Was ist uns heilig?“ von Emeka Udemba © Misereor
Das Misereor-Hungertuch 2023 „Was ist uns heilig?“ von Emeka Udemba © Misereor